# taz.de -- Hack der Antidopingbehörde Wada: Zu kurz gesprungen | |
> Die Welt-Antidopingagentur wurde gehackt – und medizinische Daten von | |
> SportlerInnen veröffentlicht. Ein Skandal? Das hätten die Hacker gern. | |
Bild: Ein bisschen Asthmaspray oder Schmerzmittel hilft immer | |
Die Gruppe von selbst ernannten Dopingfahndern nennt sich Fancy Bear, und | |
sie hat sich in die Datenbank der internationalen Antidopingbehörde Wada | |
geschlichen. Die Hacker wollen wohl demonstrieren, dass nicht nur Russland | |
ein veritables Dopingproblem hat, sondern die ganze Welt, also auch | |
Sportler aus den USA wie die Turnerin Simone Biles, die Basketballerin | |
Elena Delle Donne oder die Tennisspielerinnen Venus und Serena Williams. | |
Reißerisch vermarkten die Hacker ihre vermeintlichen Enthüllungen: | |
„Amerikanische Athleten des Dopings überführt“, schreiben sie. Das | |
Internationale Olympische Komitee (IOC) und die Wada, speziell deren | |
wissenschaftliche und medizinische Abteilungen, seien korrupt und | |
betrügerisch. | |
Aber was Fancy Bear da in seinen Pranken hält, ist nichts Besonderes. | |
Daraus erwächst jedenfalls kein Dopingskandal ungeahnten Ausmaßes. | |
Veröffentlicht wurden lediglich sogenannte medizinische | |
Ausnahmegenehmigungen. Auf Englisch: Therapeutic Use Exemption, TUE. Das | |
heißt: Die Sportler nehmen zwar Substanzen und Medikamente ein, die auf der | |
Verbotsliste der Wada stehen, aber die medizinische Kommission ihres | |
Sportfachverbandes oder die Nationale Antidopingagentur haben ihnen das per | |
Ausnahmeregelung erlaubt. Formal sind die Sportler nicht gedopt, denn sie | |
halten ja ein Attest in den Händen, das ihnen erlaubt, entzündungshemmende | |
Präparate wie Kortison oder Asthmamittel wie Salbutamol zu nehmen. | |
Nun kann man sich natürlich wundern, warum im Schwimmbecken, auf dem | |
Rennrad oder auf den Tenniscourts so viele Sportkranke herumlaufen, | |
Athleten also, die es chronisch an den Bronchien und an den Gelenken haben. | |
Aber auch hier ist die Antwort relativ einfach: Weil Hochleistungssport nun | |
einmal nicht gesund ist. Ein Heer von Physiotherapeuten und Sportärzten | |
kümmert sich um lädierte Körper, die unnatürliche Belastungen ertragen | |
müssen und deswegen frühzeitige Verschleißerscheinungen zeigen. Die | |
Athleten schlucken in der Hochphase des Wettkampfes so viele Schmerzmittel, | |
dass Niere und Leber kaum hinterherkommen und nicht wenige Sportler an | |
einer Medikamentenvergiftung haarscharf vorbeischrammen. | |
In der Logik des Hochleistungssports ist es nur allzu verständlich, wenn | |
der Athlet unter tätiger Duldung von Funktionären das Behandlungsspektrum | |
in den, wenn man so will, halblegalen Bereich erweitert und sich von | |
Medizinern bestätigen lässt, dass man während einer dreiwöchigen | |
Radrundfahrt mit Alpen- und Pyrenäenüberquerung nicht nur das stinknormale | |
Schmerzmittel Diclofenac braucht, sondern ein paar wirkmächtigere | |
Glucocorticoide. | |
## Entspannte Reaktionen | |
Und für die lädierten Atemwege eines Schwimmers oder Skilangläufers darf es | |
dann eben ein bisschen Formoterol sein, ein Mittel, das die Bronchien | |
erweitert. Ja, Leistungssport kann chronisch krank machen. Und manchmal | |
hatte der Sportler auch einfach nur eine Vorerkrankung, die medikamentöse | |
Einstellung verlangte. Das trifft wohl auf die US-Turnerin Simone Biles zu, | |
die wegen einer ADHS-Erkrankung Ritalin nehmen muss. | |
Alle Sportler, die von Fancy Bear im Internet an den Pranger gestellt | |
wurden, reagierten relativ entspannt auf den Missbrauch persönlicher Daten, | |
wohlwissend, dass ihnen der spitzfindige Enthüllungsbär nicht viel anhaben | |
kann. Gestern kamen auch noch fünf Deutsche auf die Giftliste, darunter | |
Diskuswerfer Robert Harting und Speerwerferin Christina Obergföll. Beide | |
dürfen Dexamethason einnehmen, ein künstliches Glucocorticoid, das | |
entzündungshemmend und dämpfend aufs Immunsystem wirkt. | |
„Ich und meine Mediziner haben kein Problem mit den geleakten Inhalten“, | |
twitterte gestern Mittag Robert Harting. „Wir haben nichts zu verstecken: | |
Go Transparency!“ Obergföll findet es zwar „ätzend, von Hackern | |
durchleuchtet zu werden“. Aber das sei nicht schlimm, weil auch sie nichts | |
zu verbergen habe. „Aus diesen Daten lassen sich beim besten Willen keine | |
Dopingfälle konstruieren, nicht mal ansatzweise“, sagt der sonst sehr | |
gestrenge Dopingexperte Fritz Sörgel. | |
Das Hackerkollektiv um Fancy Bear wird seine Krallen also noch etwas weiter | |
ausfahren müssen, um den nichtrussischen Sport zu belasten. So schwer | |
dürfte das eigentlich nicht sein. | |
15 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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