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# taz.de -- Die Wahrheit: Kiffen, Sex und Fernsehen
> Tagebuch einer Schlafgestörten: Nicht nur als Schlummerhilfe ist der
> US-Staat Maine dem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern überlegen.
Mit zunehmendem Alter beschleunigt sich der körperliche Verfall, dazu
kommen Einschlafstörungen. Heiße Milch mit Honig scheidet bei nächtlichen
dreißig Grad Außentemperatur aus, und jedes erfolgreiche
In-den-Schlaf-Schmökern wird beim Fortsetzungsversuch mit Frust bezahlt,
weil das ebenfalls dem Altern zum Opfer gefallene Kurzzeitgedächtnis die
Erinnerung an alles Gelesene gelöscht hat. Wer mit seiner Lektüre nicht
jede Nacht von vorne anfangen will, dem bleiben Kiffen, Sex und Fernsehen.
Sollte gerade kein Joint oder Partner zur Hand sein, empfehle ich die mäßig
aufregende Schlummerhilfe „Mord ist ihr Hobby“, eine im Seniorenkanal SAT.1
Gold ausgestrahlte Altserie. Die Heldin Jessica Fletcher lebt in Cabot
Cove, einem idyllischen Küstenort des amerikanischen Bundesstaates Maine,
ersinnt Kriminalromane und löst nebenher Mordfälle.
Schon die erste aufgezeichnete Folge wirkte seltsam vertraut, denn in
meinem Dämmerzustand wähnte ich mich in Mecklenburg-Vorpommern. Nicht nur
liegt Maine ebenfalls im äußersten Nordosten am Meer, es ist darüber hinaus
auch dünn und – mit 97 Prozent Weißen und 90 Prozent Kiefern – sowohl
ethnisch als auch landschaftlich genauso monoton besiedelt. Der einzige
Unterschied zwischen beiden Ländern besteht darin, dass zwar eine
beträchtliche Zahl einschläfernder Küstenkrimis im hiesigen TV laufen,
bisher aber kein Ostsee-Seriennest existiert, das es mit Cabot Coves
Leichendichte aufnehmen kann. Rechnet man Einwohnerzahl und Mordfälle hoch,
läge Jessicas Heimatort prozentual gesehen nämlich locker vor Caracas, der
Stadt mit der höchsten Mordrate der Welt.
Offenbar sieht auch Maines derzeitiger, der Tea-Party-Fraktion der
Republikaner angehörende Gouverneur Paul LePage seinen traditionell eher
liberal regierten Staat bereits am Rand der kriminalstatistischen
Apokalypse, denn vor nicht allzu langer Zeit verkündete er auf einer
Bürgerversammlung dem staunenden Publikum, Schwarze aus New York und
Connecticut fielen in Maine ein, brächten dessen Einwohner um, verkauften
Heroin und schwängerten weiße Mädchen.
Den Rassismusvorwurf eines demokratischen Abgeordneten konterte er auf
dessen Anrufbeantworter mit „sozialistischer Schwanzlutscher“ und allerlei
anderen Freundlichkeiten, wünschte sich dann von ihm zuerst die
Veröffentlichung seiner Tirade und anschließend ein Duell, in dessen
Verlauf er ihm, dem „rotznäsigen Wicht“, eine Kugel zwischen die Augen
verpassen würde.
Ja, ihr vorpommerschen Fischköppe, so unterhaltsam kann es werden in
leeren, bewaldeten Gegenden, in denen plötzlich Phobiker das Sagen haben.
Im Gegensatz zu Meck-Pomm hat Maine trotz seines serienmörderischen
Aderlasses im echten Leben stabile Einwohnerzahlen. Wie machen die das? Mit
Hummer, Holzwirtschaft und Casinos. Schweriner Abgeordnete, da geht noch
was! Vielleicht könnt ihr verschreckte Touristen ja mit Dorsch und
Daddelautomaten zurückholen.
15 Sep 2016
## AUTOREN
Pia Frankenberg
## TAGS
Mecklenburg-Vorpommern
Tea Party
Schlaf
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