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# taz.de -- TV-Doku über Raubtiere im Iran: Erst Phantom, nun Nationalsymbol
> Asiatische Geparde lebten einst zwischen Arabien und Indien. Heute findet
> die wohl seltenste Wildkatze ihre letzte Zuflucht nur noch im Iran.
Bild: Vom Aussterben bedroht: Asiatischer Gepard mit Winterfell
Mitten in der Wüste, rund 600 Kilometer südlich von Teheran, setzt Mohammad
Farhadinia vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Nur nichts zertreten. Fast
sein halbes Leben sucht der Biologe in den Steppen und Felsregionen Irans
nach Spuren von Geparden. Nur fünfmal hat er sie leibhaftig gesehen –
glaubt er jedenfalls. „Sie waren weit weg und zeigten sich nur sehr kurz“,
gesteht er.
Die gefleckten Katzen sind so selten wie scheu. „Lange Zeit waren sie wie
Phantome. Es gab keine handfesten Beweise ihrer Existenz, nur Gerüchte“,
sagt der 35-Jährige.
Die asiatische Unterart ist etwas kleiner als ihr afrikanischer Verwandter.
Irans Geparde entwickeln ein Winterfell, tragen eine Mähne im Nacken und
unterscheiden sich auch sonst erheblich im Erbgut von ihren Vettern.
„Kaspischer Tiger und Persischer Löwe sind bereits ausgestorben, wir wollen
nicht auch noch die dritte Art verlieren“, erläutert Mohammad Farhadinia
seine Motivation für die anstrengende Feldforschung.
Sein Blick wandert über den Sandboden des trockenen Flussbetts und rastert
jeden Pfotenabdruck in der Nähe eines knorrigen Baumes. „Dieser Stamm dient
als Poststelle. Hier hinterlassen verschiedene Tiere ihre Nachrichten für
Artgenossen“, erklärt der Wildkatzenexperte, warum er genau hier auf
Spurensuche geht. Er schnüffelt am Stamm und rümpft die Nase wegen des
scharfen Geruchs von Urin. Dann entdeckt er Kratzspuren an der Rinde und
getrockneten Kot im Gebüsch. „Alles deutet auf einen Gepard!“, strahlt
Farhadinia.
Zielstrebig läuft er zu einem Steinhaufen, etwa zehn Meter entfernt. Dort
befindet sich gut versteckt eine Kamerafalle, die jeden Besucher des Baumes
unbemerkt fotografiert und auf einem Chip gespeichert hat. Der
Wildkatzenexperte kann es kaum erwarten, bis sich die Fotos in seinem
Laptop aufbauen. Auch nach fünfzehn Jahren Freilandforschung fühlt er sich
wie ein kleiner Junge, der ein Überraschungsei öffnet. Hat die Kamera einen
Gepard erwischt?
## Individuell unterscheidbare Muster
Erst ein Fuchs, dann Raben, ein Hase und dann endlich – zwei Geparde. „Es
sind zwei Brüder, die gemeinsam jagen gehen“, erkennt Farhadinia sofort. Er
hat eine ganze Reihe von Fotokarten in seinem Gepäck, die 22 erfasste
Katzen eindeutig unterscheiden lassen. Individuelle Muster von Fellflecken
am Körper sind wie Fingerabdrücke. Dank der Fotos aus den Kamerafallen
lassen sich die Tiere auch nach Geschlecht und Alter identifizieren.
Mohammad Farhadinia gehört zu einer Gruppe junger Forscher, die sich in
einer nichtstaatlichen Naturschutzorganisation zusammengefunden haben, die
Iranian Cheetah Society. Seit 2001 sind sie den Geparden auf der Spur. Sie
identifizierten zunächst die Gebiete, in denen noch Geparde leben, wälzten
dafür alte Literatur, sichteten Zeitungsberichte und befragten Hirten und
Wildhüter vor Ort.
Daraufhin befestigten sie dutzende Kamerafallen an Bergpässen, in
Felsschluchten und an künstlichen Wasserstellen. Auffälliges Ergebnis der
jahrelangen Puzzlearbeit: Es zeigen sich zu wenige Weibchen. „Vielleicht
wandern sie weniger, vielleicht meiden sie unsere ausgewählten Standorte
oder sie sind vorsichtiger“, spekuliert Farhadinia. Er ist besorgt. Denn
gerade die Weibchen sind für den Erhalt der Unterart besonders wichtig,
weil sie den Nachwuchs austragen und vor Leoparden und Wölfen schützen. Sie
bringen den Jungtieren auch die optimale Fangmethode ihrer Beutetiere bei.
Ihre Lieblingsspeisen sind Steinböcke, Wildschafe und Gazellen. Doch die
Zahl dieser Beutetiere ist sehr begrenzt. Illegale Jagd,
Landschaftszerstörung und Überweidung durch Haustiere brachten die
einstmals großen Herden der Huftiere an den Rand der Ausrottung. Die
Geparde konnten nur überleben, weil sie Hasen zu jagen begannen und wegen
ihrer Anpassung in der Lage sind, den kletternden Wildschaf- und
–ziegenarten ins steinige Gebirge zu folgen. Selbst Schnee kann ihnen
nichts anhaben.
„Irans Geparde laufen weit, sehr weit“, erklärt Farhadinia die Auswertung
der Fotodateien. „Wir haben einen Gepard in Gebieten fotografiert, die
zweihundert Kilometer voneinander entfernt sind“. Manche Tiere
durchstreifen ein Territorium von 5.000 Quadratkilometern Größe, immer auf
der Suche nach Nahrung und Partnern. Dabei kreuzen sie häufig auch viel
befahrene Landstraßen. „Pro Jahr verlieren wir ein bis zwei Tiere durch
Unfälle“, bilanziert der Biologe. Fast die Hälfte aller gefundenen Geparde
starb im Straßenverkehr.
## „Wir brauchen dringend Wildkorridore“
Aufgrund der Fotos aus den Kamerafallen, Handyvideos von Rangern und
anderen Spuren schätzen die Forscher den Bestand auf nur noch vierzig bis
siebzig Geparde im Iran, verteilt auf achtzehn große Schutzgebiete. In
einigen Arealen leben nur noch Einzeltiere, in anderen nur noch Männchen.
„Wir brauchen dringend Wildkorridore, in denen die Tiere sicher zueinander
finden und sich vermehren können“, fordert Farhadinia.
Rund 3 Millionen US-Dollar haben UN und Irans Regierung bislang in Schutz
und Aufklärung zu Geparden investiert. Über 125 der 2.700 staatlichen
Wildhüter sind zu speziellen Gepardwächtern ausgebildet worden. Sie
patrouillieren bewaffnet rund um die Uhr in den fast zweihundert
Schutzgebieten Irans und geraten gelegentlich mit Wilderern in
Schusswechsel.
Das einstige Phantom entwickelt sich zunehmend zum nationalen Symbol. In
Schulen wird landesweit ein „Tag des Gepards“ gefeiert, und die iranische
Fußballnationalelf trägt ein Gepard-Konterfei auf ihren Trikots. Der Ausbau
einer Straße durch ein wichtiges Schutzgebiet konnte durch das Engagement
der Wildhüter, Naturschützer mit Unterstützung von Künstlern gestoppt
werden.
„Im Moment haben wir keine Hinweise, dass die kleine Zahl der Geparde
weiter sinkt“, sagt Farhadinia, warnt aber: „Es ist ein Rennen gegen die
Zeit.“ Der Forscher hat noch Hoffnung. Denn direkt vor der Umweltbehörde am
Stadtrand Teherans befindet sich ein hermetisch abgeriegelter und
überwachter Gehegekomplex. Abgeschirmt von Besuchern, leben dort der
achtjährige Gepardkater Kushki und das fünfjährige Weibchen Delbar in
getrennten Bereichen. Beide Katzen wurden aus der Hand von Wilderern
befreit und sind weltweit die einzigen Asiatischen Geparde in menschlicher
Obhut.
Mohammad Farhadinia schaut manchmal durch Löcher in der Zaunverkleidung und
beobachtet das Verhalten der Geparden, um mehr über die Bedürfnisse der
einstigen Phantome zu lernen. Aber er denkt auch weiter. „Natürlich könnten
die beiden Tiere der Grundstock für eine Nachzucht sein“, hofft der
Biologe.
Alle drei Wochen, wenn Delbar in Paarungslaune ist, lässt der Veterinär
Iman Memarian beide Tiere für zwei Tage zusammen. Er ist optimistisch, dass
es mit Nachwuchs klappen wird, warnt aber vor allzu großen Erwartungen.
„Wenn wir ihr Überleben in der Wildnis nicht garantieren können, dann
brauchen wir über Auswilderungen gezüchteter Geparde gar nicht erst
nachdenken.“
11 Sep 2016
## AUTOREN
Herbert Ostwald
## TAGS
Schwerpunkt Iran
Wildkatze
Aussterben
Wald
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Artenvielfalt
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