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# taz.de -- Diskussion um Insolvenz von „Gawker“: Weggeklagte Nervjournaille
> Empfindliche Milliardäre haben den Promi-Klatschblog „Gawker“
> plattgemacht. Schlimm für die Meinungsfreiheit? Ein Pro und Contra.
Bild: Investor Peter Thiel wurde von „Gawker“ zwangsgeoutet und hat sich ge…
Ja: Ein unabhängiges Online-Medium weniger – kein Grund zum Feiern. Nicht
einmal, wenn es um die US-Klatschenthüllungsseite Gawker geht. Denn ja:
Gawker stand auch für einen Journalismus der ekligen Sorte. Schmuddelkram,
Zwangsoutings und andere rücksichtslose Enthüllungen über populäre und
semipopuläre Menschen machen es schwer, das Medium gegen seine Kritiker zu
verteidigen. Nur: Genügt Abscheu dafür, einem Medium die
Existenzberechtigung abzusprechen?
Es ist nicht lange her, da galt Gawker, das übrigens auch Tech- und
Politikgeschichten jenseits von Promiklatsch brachte, als Referenzpunkt für
die Zukunft der Branche – als einer der größten eigenfinanzierten digitalen
Medienkonzerne in Nordamerika mit über 100 Millionen Besuchern im Monat und
Einnahmen von bis zu 50 Millionen Dollar. Zu dem im übrigen auch andere
Spartenseiten gehörten – das Techmagazin Gizmodo etwa oder die
Feminismus-Seite Jezebel. Diese Titel will der Gawker-Käufer Univision zwar
weiterführen, unabhängig sind sie nun aber lange nicht mehr.
Viele Beobachter glühen jetzt vor Schadenfreude, weil Gawker endlich die
Quittung für seine schmierige Rücksichtslosigkeiten bekommt: die Seite
macht dicht. Und zwar am Ende, weil ihnen eines ihrer Zwangsoutings auf die
Füße gefallen ist. Das nämlich von dem Paypal-Mitgründer,
Facebook-Investoren und Silicon-Valley-Milliardär Peter Thiel. Der sich
dann doch als ein etwas zu großer Fisch herausstellte – selbst für Gawker.
Denn Thiel ist offenkundig ziemlich nachtragend. Vor wenigen Monaten wurde
bekannt, dass er dem Ex-Wrestler Hulk Hogan heimlich Millionen zugeschossen
hatte. Um ihn bei einer Klage gegen Gawker zu unterstützen, die ein
Sexvideo von Hogan veröffentlicht hatte. Thiel beteuert, das eine habe mit
dem anderen selbstveständlich nichts zu tun – und nannte die Finanzspritze
für Hogans Prozess „eines der größten philantropischen Dinge, die ich
jemals getan habe“.
Egal wie viel davon stimmt: Am Ende bleibt, dass ein Milliardär, dem ein
Magazin nicht passt, dieses in Grund und Boden klagen kann. Eine Logik ganz
nach dem Geschmack der turbokapitalistischen Milliardärskaste aus dem
Silicon Valley. Ein Einzelfall? Geht so: Das unabhängige linke Magazin
„Mother Jones“ wurde ebenfalls von einem Milliardär verklagt, der mit deren
Berichterstattung nicht einverstanden war. Sie allerdings gewannen. Mussten
aber auch finanzielle Einbussen hinnehmen. Und bitten per Mail auffällig
häufig um Spenden.
Was bedeutet, dass man sich als Medium nun also ernsthaft überlegen sollte,
mit wie vielen superreichen Menschen man sich den Konflikt leisten kann.
Und wie viel journalistische Unabhängigkeit. Beides sind Signale, die für
eine unterfinanzierte Branche fatal sind. MEIKE LAAFF
***
Nein: Es muss nicht sein, dass ausgerechnet Gawker jetzt zum Opfer für die
notleidende Online-Branche hochstilisiert wird. Ja, wenn unabhängig
finanzierte Medien schließen müssen, tut das weh. Ja, 140 Millionen
US-Dollar Schadenersatz ist eine wahnwitzige Summe für jemanden, der sich
hauptberuflich in Spandex zum Obst macht.
Ja, Hulk Hogan ist unsympathisch und Peter Thiel noch mehr. Es ist in der
Tat beunruhigend, dass Männer wie die in der Lage sind, allein zum Zweck
eines persönlichen Rachefeldzugs ganze Redaktionen plattzumachen. Stellt
man sich vor, es handelte sich um ein kritisch-investigatives Medium, das
einen Korruptionsfall recherchiert hätte, dann kann einem da schon schlecht
werden.
In diesem Fall aber haben wir es mit einer Klatschseite zu tun. Die 135
Millionen US-Dollar, die die Gawker-Gruppe zuletzt angeblich wert war, hat
sie damit generiert, das Intimleben der Stars für Klickzahlen auszubeuten.
Derartige Grenzüberschreitungen gehörten bei Gawker von Anfang an zum
Geschäftsmodell: 2006 rief die Seite sozusagen zum Promi-Stalking in New
York auf und stellte mit Gawker Stalker Map dafür sogar eine Karten-App zur
Verfügung. Und auch ein Zwangsouting mit dem Zweck, Reichweite zu
generieren, ist geschmacklos, selbst wenn es sich dabei um einen reichen,
weißen Mann handelt.
Dass das „unabhängig finanzierte Medium“ in einer ethischen Grauzone
wirtschaftete, wusste man dort auch selbst. „Wir waren Mobber“, schrieb
zuletzt ein ehemaliger Gawker-Mitarbeiter unverblümt beim Guardian.
Aber Moral mal beiseite: Wer auf diese Weise seinen Content schürft, muss
mit juristischen Konsequenzen – wortwörtlich – rechnen und entsprechend
Rücklagen bilden. Alle großen Klatschblätter tun das. Denn der Eiertanz aus
Persönlichkeitsrechtsverletzung hier und Schadenersatzklage dort gehört
seit Angedenken zum Spiel zwischen Promis und Boulevardpresse. Gawker hat
mit der Veröffentlichung der Hogan-Sextapes hoch gepokert – und das Spiel
eben verloren. PETER WEISSENBURGER
19 Aug 2016
## AUTOREN
Meike Laaff
Peter Weissenburger
## TAGS
Peter Thiel
Schwerpunkt Pressefreiheit
Meinungsfreiheit
Klage
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