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# taz.de -- Debatte Islam und Feminismus: Frauenrechte fallen nicht von Himmel
> Islamische Feministinnen stellen starke Musliminnen heraus oder arbeiten
> sich am Koran ab. So werden wohl kaum Freiheiten erstritten werden.
Bild: Männergemachte Verbote: Frauen in Saudi Arabien dürfen nicht Auto fahre…
Die Debatten über Islam und Feminismus, wie sie hier [1][zuletzt von Kübra
Gümüşay geführt wurde], sind unergiebig. Sie geben keine Antworten auf die
aktuellen Fragen und politischen Forderungen der Frauen in der islamischen
Welt. Auf Kleidervorschriften, Ungleichheit, Unterdrückung, Schwule oder
Lesben in islamischen Gesellschaften und andere patriarchale Traditionen
und Verbote. Ihr Bekenntnis „für Vielfalt, für die Kopftuch tragenden, die
Minirock tragenden, die queeren, die beschwipsten“ kommt aus der
Kuschelecke, es ist nicht überzeugend. Denn ihr feministisches Credo ist:
Starke Frauen und unkonventionelle Vorreiterinnen im Islam gibt es
durchgehend seit der frühen islamischen Geschichte.
Zwei Beispiele von Frauen werden angeführt: „Khadidscha, die erste Person,
die den Islam annahm, war eine erfolgreiche und selbstständige
Geschäftsfrau, 15 Jahre älter als der Prophet und mit mehreren Kindern aus
vorhergehenden Ehen. Oder Umm Salama – sie ging als politisch weise, sich
ihrer Position als Frau in der arabischen Gesellschaft des 6./7.
Jahrhunderts bewusst und gleichzeitig dagegen ankämpfend in die – von
Männer produzierten! – Annalen ein.“
Zur Untermauerung islamischer feministischer Thesen mag der Rückgriff auf
weibliche Vorbilder in der islamischen Frühgeschichte ein wichtiges
Instrument sein. Er soll zeigen, dass starke, freie Frauen Teil des Islam
waren und sind. Und möglicherweise entgehen islamisch-feministische
Vorkämpferinnen so auch dem Vorwurf, dass islamischer Feminismus ein
„Westimport“ sei.
Dieser Versuch der eigenen feministischen Geschichtsschreibung mag der
Selbstvergewisserung dienen nach dem Motto: Geht doch! Historische Idole
sind wichtig, aber keine Garant für heutige Rechte. Auch die Argumentation,
dass der Prophet Mohammed bei der Verbreitung des Islam eine Verbesserung
der Lebensbedingungen der Frauen anstrebte, ist noch kein muslimisches
Gleichheitsbekenntnis. Die Absicherung beispielsweise alleinstehender
Frauen durch Polygamie, wie häufig argumentiert wird, ist nun wirklich
keine überzeugende islamische Regel, auf die sich die heutige Forderung
nach Gleichberechtigung der Geschlechter stützen könnten.
Die Hamburger Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur postuliert einen
„Dschihad der Frauenrechte“. Wer „Dschihad“ höre, denke automatisch �…
bärtige Männer, die Säbel rasselnd das Abendland islamisieren wollen“. Für
viele muslimische Frauen sei ihr Kampf für mehr Frauenrechte ein Dschihad –
mit der Waffe des Wortes statt mit Säbeln. Moderne Denkerinnen sähen den
Koran nicht als wortwörtliche Rede Gottes, sondern als Wort Gottes in
menschlicher Sprache. Vor diesem Hintergrund habe man „mehr Möglichkeiten
zur Interpretation“. Außerdem sei es wichtig, die Aussagen im Kontext der
Zeit zu sehen: Manches könne heute nicht mehr so verstanden werden, wie es
im siebten Jahrhundert verstanden worden ist.
## Feministische Interpretation
Deshalb arbeiten sich islamische Feministinnen an der Koranauslegung ab. Es
gibt islamische Vordenkerinnen, die keine Kontroverse scheuen und den Koran
als Grundlage nutzen, patriarchale Strukturen zu hinterfragen und neu zu
denken. Es gibt die akademische Auseinandersetzung mit den religiösen
Hauptschriften – dem Koran und den Hadithen –, die sich in der Kunst der
Auslegung und Deutung von Texten aus einer feministischen Perspektive
hervortun. Sie verweisen beispielsweise auf den Gleichheitsgrundsatzes
aller Gläubigen im Islam (Konzept der Umma) für jede Muslimin und jeden
Muslim, unabhängig von Herkunft und Bildung. Dies Ringen um feministische
Interpretationen des Koran ebnet sicherlich einer Vielzahl von Musliminnen
den Weg zum Einfordern ihrer Rechte.
„Die Religion“ schreibt Marx in seiner aus der Mode gekommenen
Religionskritik, „ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer
herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das
Opium des Volks.“ Aber man muss kein Atheist sein oder eine weiße,
nichtmuslimische Feministin, um trotz aller feministischen Interpretationen
des Islams zweifelnd zu fragen: Feminismus und Islam – geht das überhaupt?
Auch für Christen ist ist es schwierig, feministische Begründungen aus der
Bibel zu ziehen, selbst wenn Jesus Maria Magdalena verehrte oder wenn die
Befreiungstheologie gegen Ausbeutung mit der Bergpredigt argumentiert.
Katholische Frauenverbände haben jedenfalls nicht das Recht auf Abtreibung
erwirkt.
Wenn man davon ausgeht, dass der Mensch die Religion macht und die heiligen
Schriften in den Kontext ihrer Zeit eingebettet und von Männern verfasst
wurden, dann wirkt das Ringen um Auslegung wie Sisyphusarbeit. Muslimische
Frauen waren in Deutschland lange stumm, andere redeten für sie, beklagt
Kübra Gümüşay. Das hat sich zum Glück verändert, und Gümüşay fordert n…
Solidarität.
## Rechte fallen nicht vom Himmel
Doch die Solidarisierung mit manchen bekennenden islamischen Feministinnen
fällt schwer. Nicht weil für Gläubige die heiligen Schriften Gottes Wort
sind und sich patriarchalische Denkstrukturen darin schwer kritisieren
lassen, sondern vor allem weil ihre Forderungen schwammig sind.
Überzeugender wäre die Aufdeckung der Machtstrukturen, die heutzutage
hinter den innerislamischen Diskursen über Frauen stehen. Patriarchale,
religiös legitimierte Denkstrukturen, Verhaltens-und Kontrollmechanismen
mancher muslimischer Männer.
Es fehlt die Klarheit etwa der ägyptischen Frauenrechtlerin Nawal El
Saadawi: „Die Unterdrückung der Frau in Ägypten geht zurück auf ein System
der patriarchalen Klassengesellschaft, das von den Religionen unterstützt
wird.“ Oder der Marokkanerin Fatima Mernissi, die behauptet, Kern des
Geschlechterverhältnisses im Islam sei die „Angst vor der Selbstbestimmung
der Frau“. Verbote sind menschen-, häufig männergemacht. Frauenrechte
wurden und werden überall auf der Welt, gegen herrschende Konventionen und
Tabus erstritten. Sie sind nirgends vom Himmel gefallen.
29 Aug 2016
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## AUTOREN
Edith Kresta
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