# taz.de -- Kommentar Der Fall „Oury Jalloh“: Die Angst vor dem M-Wort | |
> Wie der Afrikaner starb, weiß niemand genau. Aktivisten bleiben deshalb | |
> misstrauisch: Warum hat die Justiz lange eine mögliche Todesursache | |
> ignoriert? | |
Bild: Aktivisten machen weiter Druck | |
Elf Jahre ist es her, dass der Sierra Leoner Oury Jalloh gefesselt in einer | |
Polizeizelle im sachsen-anhaltischen Dessau verbrannte. Eigentlich müsste | |
die Sache längst bei den Akten sein: Zwei komplette Prozesse wurden dazu | |
geführt, inklusive Berufungsverfahren. Doch noch immer geben Aktivisten | |
keine Ruhe und zwingen so Staatsanwälte und Gutachter zur Beschäftigung mit | |
dem Fall. | |
Das ist gut so. Denn noch immer weiß niemand, wie genau der Afrikaner | |
damals starb. Gar zu schnell wurde dem Toten selbst der Brandausbruch in | |
die Schuhe geschoben, gar zu leichtfertig wurden eklatante Widersprüche | |
übergangen, gar zu dreist wurde von Polizisten vor Gericht gelogen – so | |
sehr übrigens, dass auch Richter an dem Fall verzweifelten. | |
Alles, was sich heute sagen lässt, ist: So, wie die Justiz am Anfang | |
angenommen hat, kann es kaum gewesen sein. Das sieht offenbar auch die | |
Staatsanwaltschaft selbst so. Nur so ist zu erklären, dass sie nach so | |
langer Zeit ein neues, drittes Ermittlungsverfahren führt – und das so | |
lange strikt vermiedene M-Wort in den Mund nimmt. | |
Denn eben das hat die Aktivisten so misstrauisch gemacht: Warum hat sich | |
die Justiz so lange geweigert, die Möglichkeit eines Mordes auch nur zum | |
Gegenstand einer Untersuchung zu machen? Warum wurden all die Indizien | |
ignoriert, die der These, Jalloh habe sich selbst angezündet, | |
entgegenstehen? Warum hat man nicht die Gutachten in Auftrag gegeben, die | |
nötig gewesen wären, um Klarheit zu schaffen? Warum mussten die Aktivisten | |
selbst mehrfach Sachverständige beauftragen? | |
Ohne diesen Druck, auch das steht fest, wäre es nie so weit gekommen. Das | |
ist eine der guten Nachrichten: Das konsequente Beharren der Nebenkläger | |
auf einem plausiblen, zu den bekannten Fakten passenden Tathergang hat sich | |
ausgezahlt. Aber das war ein beinharter Kampf. | |
Da verwundert es kaum, dass die Aktivisten Skepsis gegenüber dem | |
Aufklärungswillen der Justiz entwickelt haben und auch die Umstände | |
hochgradig kritisch sehen, unter denen die längst überfälligen | |
Untersuchungen jetzt ablaufen. Aber: Solange die Akten nicht endgültig | |
geschlossen sind, besteht Hoffnung, irgendwann zu erfahren, was damals | |
geschehen ist. | |
18 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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