# taz.de -- Der König der Berliner Malls: Im Shopping-Imperium | |
> Harald Huth hat den Einzelhandel in Berlin mit seinen Malls verändert. | |
> Wer ist der öffentlichkeitsscheue Investor? Eine Spurensuche. | |
Bild: Harald Huth bei der Eröffnung der Mall of Berlin im September 2014 | |
Berlin taz | Wer herrschen will, braucht ein Schloss. Einen repräsentativen | |
Bau, der die Macht des Regenten zum Ausdruck bringt. | |
Harald Huth hat sein Schloss im Bezirk Steglitz erbaut. Hinter der hohen | |
Fassade breiten sich marmorne Gänge aus, goldene Reliefs über | |
neonbeleuchteten Schaufenstern. Zwischen O2-Shop und Ihr Platz sprudelt ein | |
Brunnen, auf dem pseudoantike Statuen posieren. „Das Schloss“, so heißt das | |
Shoppingcenter. | |
Zur Eröffnung vor zehn Jahren sagte Huth im Interview: „Wenn man in 2, 3 | |
Jahren in ein Taxi steigt und sagt: ,Zum Schloß bitte', und der Fahrer | |
fragt: „Nach Charlottenburg oder Steglitz?‘ “, dann sei das doch eine tol… | |
Sache. Der Investor stellt seine Mall in eine Reihe mit den preußischen | |
Königsresidenzen. Wie ein Feudalherr errichtet er Prachtbauten, um sein | |
Reich zu markieren. Er hat damit viel Geld verdient, Geschäfte gemacht und | |
Karriere. | |
Seine Firma heißt HGHI, High Gain House Investment. Neben dem Schloss schuf | |
er die Gropius-Passagen in Neukölln, die Mall of Berlin am Leipziger Platz. | |
In Moabit ist das Schultheiss-Quartier im Bau, in Charlottenburg soll die | |
Mall of Ku’damm entstehen. Mit seinen Shoppingpalästen prägt Huth das | |
Stadtbild mit. „Er macht die spektakulärsten Projekte“, sagt | |
Einzelhandelsexperte Christoph Meyer. „Wenn Sie Einzelhändler sind und | |
wollen in Berlin ins Shoppingcenter, müssen Sie mit Herrn Huth sprechen.“ | |
Mit der Presse redet er selten, und wenn, dann mit der Berliner Morgenpost, | |
die ihn „König der Shoppingmalls“ nennt. Er ruft schnell zurück. Nein, ein | |
Interview werde er nicht geben. Er sei nicht wichtig und wolle nicht in der | |
Öffentlichkeit stehen. | |
## 67 Malls gibt es schon | |
Fragt man Menschen, die ihn kennen, ergibt sich das Bild einer ambivalenten | |
Person, intelligent, höflich, fleißig, aber auch rücksichtslos, großspurig, | |
kontrollsüchtig. „Er ist ein extrem guter Fachmann“, sagt ein | |
Branchenkenner, „und extrem durchsetzungsfähig. Er kommt als Einzelner und | |
kriegt hin, woran andere gescheitert sind.“ | |
67 Malls stehen schon in Berlin. Von 4,4 Millionen Quadratmetern | |
Verkaufsfläche liegt jeder dritte in einem Center. Wie viele verträgt die | |
Stadt noch? „Das hängt davon ab, wo sie liegen“, sagt Christoph Meyer, der | |
mit seiner Firma CM Property Retail auf Handelsimmobilien spezialisiert | |
ist. Bundesweit ist der Markt nahezu gesättigt. Aber Berlin wächst, um | |
40.000 bis 50.000 Menschen im Jahr. Und alle wollen shoppen, auch die | |
Touristen. | |
Meyer sitzt im feinen blauen Anzug im Büro gleich neben dem KaDeWe. Es gebe | |
Center, die zur Entwicklung der Bezirke beitragen, sagt er, etwa das | |
Schloss in Steglitz: „Ich persönlich finde es kitschig, aber es ist gut in | |
den Standort eingebunden.“ Es gibt aber auch Center, die zerstörerisch | |
wirken. Wie die Gropius-Passagen. Aus ein paar Pavillons ist das größte | |
Center Berlins geworden. „Vielleicht wäre ein bisschen mehr Augenmaß besser | |
gewesen.“ Die Karl-Marx-Straße habe sich bis heute nicht erholt: „Dort | |
liegen die Ladenmieten bei der Hälfte dessen, was in den 90ern erzielt | |
wurde.“ | |
## Es kommt auf den Standort an | |
Die Gropius-Passagen waren 1994 Huths erstes Projekt. Er kam aus Hamburg, | |
24 Jahre alt. Zunächst arbeitete er für die H. F. S. | |
Hypo-Fondsbeteiligungen für Sachwerte, eine Tochter der Bayerischen Hypo- | |
und Vereinsbank. Ursprünglich gab es nahe der Siedlung Gropiusstadt 30, 40 | |
Fachgeschäfte. Fast alle haben inzwischen aufgegeben. | |
Eine Frau mit ernstem Gesicht sitzt in einem Café am Stadtrand. Zwar habe | |
ihr Laden profitiert, sagt sie, „weil wir dadurch eine sehr hohe | |
Kundenfrequenz hatten.“ Aber es kamen Zwänge dazu und ein Umgangston, den | |
sie nicht gewohnt war. „In so einem Center wird mit harten Bandagen | |
gekämpft“, sagt sie. „Man hatte den Eindruck, man ist nicht | |
Geschäftspartner, sondern Bittsteller. Sie lassen einen spüren, wie die | |
Machtverhältnisse sind.“ | |
Die meisten Läden, sagt ein anderer Händler von damals, scheiterten an den | |
Mieten, die Quadratmeterpreise seien schlagartig von 50 auf 140 D-Mark | |
gestiegen. Hinzu kam die Konkurrenz der Filialisten. Huth, sagt er, habe | |
keine Rücksicht genommen: „Die Kleinen sind dem egal.“ Er selbst schloss | |
ein paar Jahre nach dem Ausbau, er sah keine Zukunft mehr: „Diese Center | |
haben alles kaputt gemacht.“ | |
## Mal mit, mal ohne Doktortitel | |
Malls sind teuer, 100 bis 300 Millionen Euro; daher stehen fast immer | |
institutionelle Geldgeber wie Fonds dahinter. Huths HGHI dreht bei der | |
Entstehung neuer Malls auf allen Stufen die Scharniere: Die Firma kauft das | |
Grundstück, wirbt das Kapital ein und managt das Center, ehe sie es | |
weiterverkauft. | |
Damit steht Huth für den Wandel Berlins von der verarmten Frontstadt zu | |
einer Metropole, die das Interesse internationaler Investoren erregt. Über | |
ihn persönlich ist wenig bekannt. Menschen, die ihn kennen, sagen, dass er | |
sich gern mit Statussymbolen schmückt, vor allem mit Luxusautos. Huth liebt | |
es, Eindruck zu machen, offenbar auch, wenn man dabei tricksen muss. Er | |
tritt mal mit Doktortitel auf, mal ohne. Es gibt in seinem Umfeld Zweifel, | |
dass er promoviert hat. Im Katalogverbund der Universitätsbibliotheken ist | |
keine Doktorarbeit unter seinem Namen verzeichnet. | |
Huth hat nicht nur die größte Mall von Berlin geschaffen, sondern auch die | |
zweitgrößte. Die „Mall of Berlin“ entstand als Joint Venture der HGHI und | |
der Arab Investment Ltd, einer Firma in London, die islamkonforme Fonds für | |
Anleger im Nahen Osten auflegt. Das Investitionsvolumen lag bei einer | |
Milliarde Euro. | |
Wo vor dem Krieg das Wertheim-Kaufhaus stand, klaffte nach der Wende lange | |
eine Baulücke. Jetzt nimmt Huths Mall einen ganzen Häuserblock ein, der | |
Mensch verzwergt inmitten des gewaltigen Doppelbaus aus Marmor und | |
Sandstein. „Ich will den Berlinern ihre Mitte zurückgeben“, sagte er dem | |
Magazin Capital. | |
## Viel Streit um die Mall of Berlin | |
Aber die Eröffnung 2014 war mit Problemen behaftet: Baumängel, | |
Verzögerungen, Ermittlungen. Huths Generalunternehmer ging pleite und | |
hinterließ viele offene Rechnungen. Auch eine Gruppe rumänischer | |
Bauarbeiter erhielt keinen Lohn. Huth sagte stets, er selbst habe gezahlt, | |
könne aber nicht jeden Subunternehmer kontrollieren. Doch so einfach ist es | |
nicht, sagt Sebastian Kunz, der Anwalt der Arbeiter. „Das sind ja | |
Subunternehmerketten. Wenn man das so macht, weiß man natürlich nicht, was | |
am Ende passiert. Das ist vielleicht Absicht.“ | |
Malls sind als Investmentobjekte begehrt, weil sie als lukrativ gelten. | |
Deswegen spiegelt das Angebot der Malls das wider, was Rendite verspricht: | |
Die große Ketten, H&M, Saturn, Zara, müssen da sein, damit die Massen | |
kommen. Auch ein paar kleine Fachgeschäfte sind wichtig. In der Mall of | |
Berlin stehen einzelne Läden leer. Die Gerichte bearbeiten derzeit 93 | |
Streite zwischen der Mall und ihren Mietern. | |
Einer sagt, Huth sei ihm anfangs stark entgegengekommen, weil er wollte, | |
dass er in seine Mall zieht. „Sie würden ihn mögen“, sagt er. „Er ist | |
sympathisch, smart, freundlich. So, wie man sich einen guten Verkäufer | |
vorstellt.“ Im Schnitt machen Läden in Malls erst ab dem dritten Jahr | |
Gewinn – gleichzeitig muss die Miete reinkommen. Für den Händler ging die | |
Rechnung nicht auf. Sein Vertrag hatte eine Laufzeit von zehn Jahren. Er | |
versuchte, mit Huth zu verhandeln. „Ja“, sagt er, „da war er nicht sehr | |
großzügig. Er sagte: Ich lass Sie aus dem Vertrag nicht raus.“ Die | |
Insolvenz war nicht mehr abzuwenden. | |
## „Du wirst kleingehalten“ | |
Je mehr Fläche und Umsatz in die Malls wandert, umso mehr wächst der | |
Einfluss von Investoren wie Huth. Anders als in der Fußgängerzone bestimmt | |
im Center der Betreiber, wer was verkaufen darf. Die Händler sind nicht | |
frei, ihren Laden zu führen, wie sie wollen. Nils Busch-Petersen, | |
Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes, sieht darin Vorteile: „Die | |
Mieter sind sich einig, weil sie es sein müssen. Im Sinne einer Demokratur | |
ordnet man sich dem Allgemeinwohl unter.“ Draußen bekämen es die Händler | |
oft nicht mal hin, eine Weihnachtsdekoration zu organisieren, geschweige | |
denn einheitliche Öffnungszeiten. | |
Busch-Petersen hat sich in einem Sitzungsraum niedergelassen, der gerade | |
breit genug ist für einen Tisch und ein paar Ledersessel. Er geht in der | |
Geschichte zurück, um zu erklären, warum die Zahl der Malls in Berlin so | |
rasant gestiegen ist. „Die Mauer hat die Handelsstrukturen im Westen | |
praktisch eingefroren“, sagt er. Dann kam die Wende, neue Verkaufsflächen | |
mussten her, und zwar schnell. Heute gibt es allein in Mitte so viele Malls | |
wie in ganz München. Huth, sagt er, habe in der Branche einen | |
ausgezeichneten Ruf. „Ich halte große Stücke auf ihn“, sagt er, „weil i… | |
weiß, dass die Stadt einen wie ihn gebrauchen kann.“ | |
Berlins Politiker sind Huth fast immer entgegengekommen. Selbst seine | |
Gegner bewundern sein taktisches Geschick. „Er sucht das Gespräch mit den | |
Entscheidern, auch mit der Opposition“, sagt eine Bezirkspolitikerin, „er | |
hat klar analysiert: Hier hat er eine Chance, da nicht. Dann versucht er, | |
Lösungen zu finden.“ | |
Für die HGHI arbeiten rund 90 Angestellte. In der Firma herrsche ein | |
gespanntes Klima, „ ‚Atmosphäre der Angst‘ wäre zu viel gesagt, aber | |
totaler Respekt“, sagt ein früherer Manager. Er schildert einen Chef, der | |
zu Wutausbrüchen neigt und Menschen anbrüllt, wenn etwas schiefgeht. Sein | |
Gehalt war hoch, 100.000 Euro im Jahr. Aber er hielt es nicht lange aus, | |
die ständige Kontrolle, die Bevormundung. Abläufe würden in Einzelschritte | |
unterteilt, jeder müsse laufend Rapport erstatten. „Du wirst kleingehalten | |
und hast keinen Einblick in die größeren Prozesse.“ | |
Harald Huth baut und baut. Die Mall of Berlin soll noch um 20.000 | |
Quadratmeter erweitert werden; der Morgenpost sagte er: „Wenn dann eines | |
Tages der Shopping-District vom Potsdamer Platz bis zum Hackeschen Markt | |
reicht, warum nicht? Man sollte die Verdichtung weiter fortsetzen, das wäre | |
doch toll.“ | |
In der Mall of Berlin ist nicht viel los. Da und dort flanieren Touristen; | |
Turnschuhe quietschen auf Bronzeplatten im Boden. Zitate sind eingestanzt, | |
etwa Barack Obamas „Völker der Welt, schaut auf Berlin“. Ringsum türmen | |
sich Hunderte Geschäfte auf vier Etagen, Schilder weisen da- und dorthin, | |
links geht es zu Laurèl, rechts zum Holocaustmahnmal. Über dem Ausgang ein | |
letzter Gruß, „Good buy“. | |
9 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Gabriela Keller | |
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verzichten. |