# taz.de -- Ökoindex für Geldanlagen: Keine Berliner Kohle für Waffen | |
> Das Land Berlin lässt einen Ökoaktienindex entwickeln. Der könnte Vorbild | |
> sein für andere Bundesländer – wenn nicht das Gesetz im Weg stünde. | |
Bild: Aktien von Kriegswaffenherstellern soll der Index ausschließen | |
BERLIN taz | Für die Aktivisten der Internetplattform [1][viertel-vor.com] | |
steht der Berliner Senat an der Spitze einer Bewegung. „Jetzt wird Berlin | |
zur Ökohauptstadt“, jubeln die Umweltschützer. Anlass ist die Entscheidung | |
der Landesregierung, ihr Geld in sauberen Firmen unterzubringen. | |
Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen will zehn Prozent der in Aktien | |
gehaltenen Rücklagen der Beamtenpensionen, derzeit rund 75 Millionen Euro, | |
umschichten. Das Geld soll nur noch bei Konzernen angelegt werden, die | |
nachhaltig wirtschaften. | |
Dafür hat das Land die Konzeption eines neuen Ökoaktienindexes | |
ausgeschrieben. Fachleute sollen anhand der Kriterien des Senats eine Liste | |
von Unternehmen erstellen, bei denen die Rückstellungen gut aufgehoben | |
sind. Wer das übernehmen wird, ist noch nicht entschieden. Bislang | |
verwaltet die Bundesbank den Kapitalstock. Sie kann allerdings nicht | |
garantieren, dass das Geld nicht bei Firmen landet, die in Kohle oder | |
Waffenproduktion investieren. | |
Umweltschützer hoffen nun, dass der Ökoindex zum bundesweiten Vorbild für | |
die Anlagepolitik der öffentlichen Hand wird. „Auf Arbeitsebene haben | |
bereits einige andere Länder Interesse an unserem Vorhaben gezeigt“, sagt | |
Jens Metzger, Sprecher des Finanzsenators. Eine für Länder und Kommunen | |
passende Richtschnur für nachhaltige Anlagen gibt es bislang nicht. | |
Zwar bieten auch private Gesellschaften Ökofonds an und es gibt sozial | |
nachhaltige Finanzprodukte. Doch für die Verwaltungen gelten rechtliche | |
Vorgaben, die diese Angebote nicht sicher einhalten können. | |
## Kriegswaffen und Atomenergie sollen tabu sein | |
Ein wirksames und handhabbares Divestmentkonzept sei komplexer als die auf | |
die Forderung „Raus aus der Kohle“ reduzierte öffentliche Diskussion, | |
erläutert Metzger. So soll der Berliner Index zunächst fossile Brennstoffe, | |
Kriegswaffen, Atomenergie betreffen und erst später soziale und andere | |
Nachhaltigkeitskriterien umfassen. | |
Das ist nur der eine Teil der Schwierigkeiten. Der andere sind die | |
gesetzlichen Vorgaben für die Anlage öffentlicher Gelder. „Geldanlagen | |
müssen sicher sein“, sagt Gunnar Schwarting, Professor an der | |
Verwaltungshochschule Speyer. „Das hat absoluten Vorrang vor Rendite.“ | |
Aktienkurse schwanken aber. Daher hält der Experte für Finanzmanagement | |
diese Anlageform bei öffentlichen Geldern für eine Ausnahme. Sonst gäbe es | |
wohl Probleme mit den Aufsichtsbehörden. | |
Berlin ist hier schlicht ein Sonderfall, weil die Landesregierung zugleich | |
Kommunalregierung ist und damit kein Interessenkonflikt entsteht, solange | |
die grundsätzlichen Anlageprinzipien der Pensionsfonds eingehalten werden, | |
die ein Aktienengagement ohnehin begrenzen. | |
Für Kommunen wird der Ökoindex allein schon deshalb kaum als Vorbild | |
taugen. Städte und Gemeinden stehen unter Aufsicht der Länder, die streng | |
auf die Sicherheit des Kapitals achten. „Normalerweise kommen Anlagen in | |
Aktien nicht in Betracht“, so Schwarting. Ein Blick auf die | |
Gemeindefinanzen zeigt zudem, dass die Kämmerer andere Sorgen plagen als | |
Überschüsse. Viele sind verschuldet. | |
## Eine Frage der Finanzkraft | |
In der Praxis spielt Divestment bei den Kommunen keine große Rolle. Die | |
Stadt Münster ist zwar dafür gefeiert worden, dass sie sich von einer | |
Beteiligung am Stromkonzern RWE losgesagt hat und damit den Einstieg aus | |
dem Kohleausstieg vorgemacht hat. Doch das ist ein Einzelfall. „Uns sind | |
keine weiteren nennenswerten Beispiele für ein Divestment von Kommunen | |
bekannt“, sagt Florian Schilling vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. | |
Die Städte können eher über ihre Beteiligungspolitik nachhaltig agieren. In | |
Nordrhein-Westfalen etwa haben viele Kommunen Anteile an RWE. Die könnten | |
nun im Sinne des Umweltschutzes gegen Beteiligungen an Windkraftanlagen | |
ausgetauscht werden. Doch das ist auch eine Frage der Finanzkraft, um die | |
es im größten Bundesland in der Regel schlecht bestellt ist. | |
8 Aug 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://viertel-vor.com/ | |
## AUTOREN | |
Wolfgang Mulke | |
## TAGS | |
Aktien | |
Geldanlage | |
Divestment | |
Baden-Württemberg | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Finanzkrise | |
Greenwashing | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Pensionsfonds in Baden-Württemberg: CDU warnt vor grüneren Geldanlagen | |
Baden-Württemberg möchte Steuergeld endlich korrekt anlegen. Die Opposition | |
hat Bedenken, obwohl selbst Daimler im Portfolio bleibt. | |
Fossile Energien: Kohle wirft keine Kohle mehr ab | |
Der Finanzkonzern Allianz will seine Milliarden aus der Kohleindustrie | |
abziehen. Das soll das Weltklima schützen – und die eigene Rendite. | |
Ethisch motivierte Geldanlagen: Die Nische wird größer | |
Nachhaltige Anlagen werden in Deutschland, Österreich und der Schweiz | |
beliebter. Doch ihr Anteil liegt weiterhin bei nur wenigen Prozent. | |
Greenwashing bei Öko-Investmentfonds: Nachhaltig, Bombe und Porno | |
Immer mehr Fonds versprechen ethische, soziale und ökologische Anlagen. | |
Doch in einem Test fielen jetzt von 46 Anbietern alle bis auf einen durch. |