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# taz.de -- Seltenes Schauspiel in Berlin-Mitte: Applaus für die Polizei!
> War es Neid? War es Genugtuung? Wieso zwei Berliner Polizisten für eine
> Fahrzeugkontrolle laut beklatscht werden.
Bild: Muss man da neidisch werden? Zwei Flundersportwagen aus Italien
Es gibt Nachrichten, die sind so außergewöhnlich, ja sensationell, dass man
sie auch fast eine Woche später noch erzählen muss: Zwei Polizisten
erhalten Applaus, in Berlin, von Passanten, von Herzen. Und das nur, weil
die beiden Beamten an diesem Abend am Rosenthaler Platz in Mitte ihren
Dienst tun.
Wie kam es nur dazu?
Zu dieser Geschichte gehört vieles, was sich auch in einer perfekten
Crime-Geschichte findet – zum Glück ohne die Leiche(n). Ein bisschen Neid
kommt darin vor, flotte Autos, eine gute Portion Gerechtigkeitssinn,
Arroganz, undurchsichtige Gestalten, das Gute. Ob es ein Happy End gibt:
wer weiß?
Am Samstag gegen halb acht Uhr abends – es ist lauschig warm und sonnig –
nähern sich zwei PS-starke Sportwagen italienischen Fabrikats
hintereinander der Kreuzung am Rosenthaler Platz. Einer ist eher nüchtern
rot, der andere geradezu provozierend leuchtend mit Goldfolie verkleidet,
dazu Schwingtüren. Natürlich sind alle Fensterscheiben runtergefahren.
Darin sitzen drei Menschen mit wahrscheinlichem Migrationshintergrund, so
um die 30. Sie wollen unfassbar cool wirken.
Doch die beiden Lamborghini werden ausgebremst, ganz schnöde von einer
Tram. Ein offenbar untragbarer Zustand für die wohl zu reichen Herren.
Deswegen lassen die Fahrer ihre Motoren rumröhren. Ziemlich laut. Und weil
die Tram nicht vorankommt, auch ziemlich lange. Was den erwünschten Erfolg
hat: Rund 30 Passanten an dieser Ecke des Platzes, darunter viele junge
Touristen, und die Gäste des einstigen Nerd-Cafés St. Oberholz, blicken
herüber. Und wissen nicht so recht, ob sie das albern, doch lässig oder
einfach nur unglaublich 80er finden sollen.
Die röhrenden Männer locken noch andere an. Ein Streifenwagen der Polizei,
der aus einer anderen Richtung auf die Kreuzung zufuhr, kommt mit Blaulicht
angerauscht. Als klar ist, dass die beiden Beamten die Insassen der
Sportwagen aus dem Verkehr ziehen und auf dem Radweg anhalten lassen,
spenden die Passanten spontan lauten Beifall. Fast jubeln sie. Das ist
schon was Besonderes in dieser Stadt.
Doch die beiden Polizisten zeigen keine Regung. Auf Anfrage teilt die
Pressestelle der Polizei einige Tage später mit, dass das „Verhalten von
Passanten nicht gewertet wird“.
Letztere werden fortan zu Schaulustigen: Sie schauen und finden’s wirklich
lustig. Viele machen Selfies mit den Luxusschlitten, einige lästern, manche
grinsen angesichts der etwas hilflos wirkenden Sportwagenfahrer, und
erfreuen sich an jedem weiteren Einsatzwagen, der zu der Szene im Abstand
von etwa fünf Minuten hinzustößt. Am Ende stehen vier Polizeiautos vor der
Kreuzung, eine zufällig vorbeikommende Gruppenstreife mit fünf Beamten hält
auch noch kurz an. Ein tolles Schauspiel.
Die Polizisten überprüfen – wie bei solchen Kontrollen laut Pressestelle
üblich – die Fahrzeugführer und die Fahrzeugpapiere. Die beiden Insassen
des goldglänzenden Sportwagens lassen sich besonders lange bitten. Sie
bleiben hartnäckig sitzen. Vielleicht, weil es cooler wirkt?
Am Ende dürfen die Beamten sogar einen Blick in die Handschuhfächer der
beiden Autos werfen. Sie finden – offenbar nichts. Nach gut einer halben
Stunde ist die Autoshow vorbei. Die Polizei fertigt Anzeigen aufgrund von
Verkehrsordnungswidrigkeiten wegen „einer unnötigen Belästigung im
Straßenverkehr“, wie sie später mitteilt. Die drei Männer dürfen wieder
einsteigen. Und fahren davon.
Aber ziemlich leise.
5 Aug 2016
## AUTOREN
Bert Schulz
## TAGS
Polizei Berlin
Verkehr
Kontrolle
Flüchtlinge
Datenschutz
Rigaer Straße
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