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# taz.de -- Naturschutz in Polen: Rettung mit der Kettensäge
> Die Regierung will für den Erhalt des Białowieża-Urwalds den Borkenkäfer
> ausrotten. Umweltschützer sehen das Unesco-Weltnaturerbe bedroht.
Bild: Eins sein mit dem Baum: Ein Umweltaktivist und Urwaldfreund in Warschau
Warschau taz | Die Kettensägen sind weithin hörbar. Die Arbeit der
Waldarbeiter im Białowieża-Urwald in Nordostpolen geht schnell voran. Ein
Baum nach dem anderen fällt. Es sind viele vertrocknete Fichten darunter,
deren Nadeln braun verfärbt oder ganz abgefallen sind.
Hier hat der Borkenkäfer ganze Arbeit geleistet. Doch am Straßenrand liegen
auch gesunde Bäume. Die sind für die Sägewerke und Möbelfabriken bestimmt.
Die „Rettung des Białowieża-Urwalds“ haben sich nun der polnische
Umweltminister wie auch Umweltschützer in Polen und der Welt auf die Fahnen
geschrieben.
Doch die Methoden könnten nicht unterschiedlicher sein. „Abholzen“ ist die
Devise von Polens Umweltminister Jan Szyszko, 72. Der Professor für
Forstwirtschaft will dem Borkenkäfer mit der Kettensäge zu Leibe rücken. In
den nächsten zehn Jahren sollen im Białowieża-Urwald statt der bisher
geplanten 40.000 Kubikmeter Holz 180.000 Kubikmeter geschlagen werden.
Neben dem sogenannten „Tot-Holz“, das noch als Biomasse, Häksel und Zunder
verwendet werden kann, wird bei dieser Aktion auch ein satter Gewinn für
den polnischen Staatsforst durch das Fällen gesunder Bäume abfallen.
## Neues Zuhause für Mäuse
Greenpeace und andere Umweltschutzverbände plädieren dafür, den Borkenkäfer
als einen Teil des Naturkreislaufs anzuerkennen und nichts gegen ihn zu
tun. In den toten Bäumen fänden Würmer, Käfer, Schnecken und Mäuse ein
neues Zuhause. Diese wiederum seien Futter für Vögel, Schlangen, Nagetiere,
Wildschweine, Füchse und andere Tiere.
Und am Ende wachse neben der langsam verrottenden Fichte ein neuer Baum,
vielleicht ein Laubbaum, denn der Białowieża-Urwald ist ein jahrhunderte
alter Mischwald, der zu einem Rückzugsgebiet für Zehntausende seltene
Pflanzen- und Tierarten wurde. Seit ein paar Jahrzehnten ziehen hier neben
Wölfen, Luchsen und Wildpferden auch wieder Wisentherden durch die freie
Wildbahn.
Der Streit wird schwer zu schlichten sein, denn der gesamte Waldkomplex
erstreckt sich über eine Fläche von 1.500 Quadratkilometern beiderseits der
polnisch-weißrussischen Grenze. Rund zwei Drittel liegen in Weißrussland,
sind dort als Nationalpark ausgewiesen und stehen unter Schutz.
In Polen macht der Białowieża-Nationalpark nur ein Sechstel der
Gesamtfläche des Urwalds aus – rund 100 von 630 Quadratkilometern.
Innerhalb des Nationalparks gibt es ein „strenges Schutzgebiet“ von rund 50
Quadratkilometern, das zum Teil nur von Forschern mit Sondergenehmigung
oder von Touristen auf festgelegten Pfaden mit Führer betreten werden darf.
## Ökosystem nicht stören
Auf die Weltnaturerbe-Liste der Unesco wurde 1979 nur das „strenge
Schutzgebiet“ im Białowieża-Urwald aufgenommen. Dort, so versichert
Umweltminister Szyszko, solle kein Baum gefällt werden. Der Holzeinschlag
sei vielmehr im forstwirtschaftlich genutzten Teil des Urwalds geplant.
Greenpeace und andere Umweltschützer gehen aber davon aus, dass auch der
Nationalpark eine Schutzzone ringsherum braucht, um das Ökosystem nicht zu
stören. Auf der Unesco-Jahressitzung am Wochenende in Istanbul beschäftigte
sich das Komitee für das Weltnaturerbe auch mit dem Białowieża-Urwald. Das
Komitee forderte Polens Regierung auf, bis Februar 2017 einen Bericht über
die Auswirkungen der Holzeinschlags vorzulegen und inwieweit davon der
Nationalpark und das Białowieża-Urwald-Unesco-Weltnaturerbe betroffen
seien.
20 Jul 2016
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Bialowieza
Naturschutz
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Urwald
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Umweltschutz
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