# taz.de -- Streit um Polizeieinsatz in Hochschule: „Alice Salomon“ wehrt s… | |
> Nach einem umstrittenen Polizeieinsatz im April in der Alice Salomon | |
> Hochschule Berlin streiten sich Bildungs- und Innenverwaltung. | |
Bild: Das sieht auch die Alice Salomon Hochschule so! | |
Zwei Studentinnen werden aus dem Alice Salomon Hochschule (ASH) getragen | |
und ein Transparent wegen öffentlicher Anstiftung zu Straftaten von der | |
Polizei beschlagnahmt: Über die Ereignisse während eines Polizeieinsatzes | |
in dem Hochschulgebäude am 2. April streiten sich Bildungs- und | |
Innenverwaltung. | |
Die ASH ist die einzige Hochschule in Mahrzahn-Hellersdorf und zum | |
Feindbild der Rechten geworden, weil sie als links wahrgenommen wird und | |
sich für Flüchtlinge engagiert – wie auch am 2. April. An diesem Tag findet | |
ein Nazi-Aufzug unter dem Motto: „Sicherheit statt Angst! Recht auf Zukunft | |
– Mut zum Widerstand“ statt, ihre Auftaktkundgebung wird auf dem | |
Alice-Salomon-Platz direkt vor der Hochschule veranstaltet. Gegen den | |
Aufmarsch organisieren StudentInnen der ASH eine Veranstaltung im Gebäude | |
der Hochschule. | |
Bereits einen Tag vorher hatte der Rektor der ASH, Uwe Bettig, mit dem | |
Polizeiführer abgesprochen, bei Störungen benachrichtigt zu werden, und gab | |
ihm seine Telefonnummer. Am Versammlungstag hängten Teilnehmer der | |
Veranstaltung, die ihre Namen nicht in der Zeitung lesen möchten, ein | |
Transparent mit der Aufschrift „RassistInnen Blockieren und Nazis? | |
Angreifen!“ aus dem Fenster des Audimax. | |
Kurze Zeit später stürmten 20 Polizisten ohne Rücksprache mit Bettig das | |
Gebäude und beschlagnahmten das Transparent. Der Polizeiführer wertete die | |
Aufschrift als öffentliche Aufforderung zu Straftaten nach Paragraf 111 des | |
Strafgesetzbuchs. | |
## StudentInnen werden aus dem Gebäude getragen | |
Nach Aussage von StudentInnen versperrten PolizistInnen die Eingangstüren | |
des Audimax und nahmen von teilweise Unbeteiligten Personalien auf. Eine | |
Studentin habe sich geweigert, sich auszuweisen; ihr wurde unterstellt, das | |
Transparent aufgehängt zu haben. Eine andere habe die Polizisten beleidigt. | |
Daraufhin wurden beide aus dem Gebäude getragen. Das Verfahren gegen die | |
Studentin, die das Transparent aufgehängt haben soll, läuft nach Aussage | |
der Polizei noch. | |
Obwohl Hochschulen durch die Wissenschaftsfreiheit des Grundgesetzes | |
besonders geschützt werden, darf bei einer strafrechtlichen Ermittlung die | |
Polizei eine Hochschule ohne vorherige Erlaubnis betreten. Gerade diese | |
strafrechtliche Ermittlung sorgte für Empörung bei der ASH und den | |
Oppositionsparteien. Der Polizeieinsatz wurde als unverhältnismäßig | |
angesehen. Als besonders ungerecht empfand die Hochschule, dass ein Plakat | |
der Nazis, auf dem „Linksfaschisten haben Namen und Adressen“ stand, nicht | |
beschlagnahmt wurde. | |
Auf Nachfrage der taz wollte sich die Innenverwaltung zu dem Einsatz in der | |
ASH nicht äußern. Ein Sprecher der Innenverwaltung merkte lediglich an, | |
dass sich die Senatsverwaltungen schriftlich auf Staatssekretärsebene | |
ausgetauscht habe. | |
Steffen Krach (SPD), Staatssekretär der Senatsverwaltung für Bildung, | |
Jugend und Wissenschaft, stellte sich auf die Seite von Uwe Bettig, nachdem | |
dieser einen öffentlichen Brief an den Regierenden Bürgermeister Michael | |
Müller (SPD) verfasste. Krach forderte den Staatssekretär der | |
Senatsverwaltung für Sport und Inneres, Bernd Krömer (CDU), dazu auf, seine | |
Sicht der Situation darzulegen. Der Briefwechsel liegt der taz vor. | |
## Innenverwaltung verweigert das Gespräch | |
Krömer schrieb, die polizeilichen Maßnahmen hätten wegen eines drohenden | |
Beweismittelverlustes keinen Aufschub geduldet. Deshalb konnte eine | |
Vermittlung durch den Rektor nicht in Anspruch genommen werden. Beendet | |
wurde der Brief wie folgt: „Im Ergebnis teile ich Ihre Verwunderung | |
darüber, dass ein rechtlich erforderliches und verhältnismäßiges Vorgehen | |
zu einer öffentlichen Äußerung des Rektors geführt hat.“ | |
Krach schrieb, dass ihn insbesondere die Eilbedürftigkeit der Maßnahme | |
nicht überzeuge, die es nicht ermöglicht habe, den Rektor zu informieren. | |
Trotz Krömers kontroverser Sichtweise bat Krach in einem weiteren Brief | |
Krömer um ein gemeinsames Gespräch zwischen der Landeskonferenz der | |
Rektoren und Präsidenten, Bildungs- und Innenverwaltung. | |
Diese Bitte wurde Krach jedoch verwehrt. Auf den Vorschlag erwiderte Krömer | |
brieflich: „Ich halte eine solche Erörterung nicht für zielführend.“ Dab… | |
habe man laut Thorsten Metter, dem Sprecher der Senatsverwaltung für | |
Bildung, Jugend und Wissenschaft, nicht die Absicht gehabt, das Handeln der | |
Polizei zu bewerten. Es ginge lediglich darum, einen runden Tisch mit allen | |
Beteiligten zu organisieren. | |
## Hochschule wünscht sich mehr Sensibilität | |
„In dem Gespräch sollte es darum gehen“, so Krach, „welche Absprachen man | |
für die Zukunft treffen kann. Damit die Hochschulen und ihre Studierenden | |
Klarheit haben, was beim Protest geht und was nicht geht.“ | |
Eine Begründung für die Ablehnung eines Gesprächs mit der ASH gab Krömer | |
nicht. Auch auf Anfrage der taz wollte er sich dazu nicht äußern. | |
Unbegreiflich sei das Verhalten der Innenverwaltung, das Gespräch zu | |
verweigern, findet deshalb Krach – „ein Affront“. | |
Dabei wünscht sich der ASH-Rektor Uwe Bettig einen sensibleren Umgang der | |
Polizei mit der Hochschule. Die ASH hat einen ganz anderen Blick auf | |
Polizeieinsätze, in die StudentInnen verwickelt waren, als die | |
Innenverwaltung. Dies zeigt nicht nur der Polizeieinsatz am 2. April, | |
sondern auch ein Brief von Bettig an Innensenator Frank Henkel (CDU), der | |
vor den Ereignissen vom 2. April verfasst wurde. | |
Im Schreiben beklagt er, dass StudentInnen der ASH auf Montagsdemos nicht | |
genügend von der Polizei geschützt wurden. Bis Februar 2015 demonstrierte | |
die rechtsextreme „Bürgerbewegung Marzahn“ gegen den Bau von | |
Flüchtlingsheimen im Bezirk. Polizisten seien gewaltsam gegen | |
Gegendemonstranten, unter denen sich auch StudentInnen der ASH befanden, | |
vorgegangen. | |
## ASH wird weiterhin Absprachen mit der Polizei treffen | |
Laut Bettig hätten MitarbeiterInnen und StudentInnen teilweise Angst | |
gehabt, an den Demonstrationen teilzunehmen. Staatssekretär Bert Krömer | |
wies diesen Vorwurf Bettigs entschieden zurück. | |
Klar ist: Durch die Lage der ASH werden weitere Demonstrationen vor ihrer | |
Tür zu erwarten sein. Die Hochschule wird, so Bettig, aber „weiterhin der | |
Polizei Absprachen anbieten und kooperieren“. Mit der Hoffnung, dass es bei | |
der nächsten Demonstration keine Polizeieinsätze in der Hochschule geben | |
wird. | |
12 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Daryna Sterina | |
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