Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ein Arche Noah für Millionen: Disneyland für Bibelfans
> Eine Gruppe bibeltreuer Christen hat in den Hügeln von Kentucky Noahs
> Arche nachgebaut. Ihr Anführer spricht von einem modernen Weltwunder.
Bild: Hier wird keine Sintflut erwartet, gehofft wird stattdessen auf eine Mill…
Williamstown taz | Ken Ham findet, dass man durchaus von einem Weltwunder
sprechen kann. Von einem modernen Weltwunder. „Außer Noah hat niemand so
etwas gebaut“, sagt er und rückt seinen weißen Bauarbeiterhelm zurecht, um
stolz fürs Foto zu posieren. Hinter ihm schimmert ein blassbeiger Koloss
aus Holz, so lang wie anderthalb Fußballfelder, so hoch wie ein Haus mit
sieben Stockwerken. Es ist ein Schiff, das nicht ablegen wird. Gebaut nach
den Vorgaben der Bibel.
Dass Ham, 64 Jahre alt, mit grauem Stoppelbart und den Gesichtszügen eines
Asketen, in der Arche Noah auf die Sintflut wartet, kann man nicht sagen.
Er wartet auf Besucher, auf 1,4 Millionen im Jahr, 2 Millionen, wenn es gut
läuft. Die Zahlen haben Tourismusexperten in seinem Auftrag prognostiziert.
Es ist über 30 Jahre her, da verspürte der einstige Biologielehrer den
dringenden Wunsch, ein Museum der Schöpfungsgeschichte zu gründen. Den hat
er sich erfüllt. Nicht in seiner australischen Heimat, sondern in den USA,
in die er zog, als Ronald Reagan noch im Weißen Haus residierte.
In Hams Kreationsmuseum, das 2007 im Norden des Bundesstaats Kentucky
eingeweiht wurde, hält Adam ein Lamm im Arm, während Eva im Garten Eden
Seerosen pflückt und ein Tyrannosaurus rex brav mit dem Schwanz wedelt. Die
Skulpturen sollen illustrieren, wie Hams Gruppe fundamentaler Christen die
Sache sieht.
„Answers in Genesis“ („Antworten in der Schöpfung“) nennen sie sich und
verstehen sich als Kirche der Kreationisten, genauer gesagt, der
Junge-Erde-Kreationisten, nach deren Überzeugung die Erde nicht älter ist
als 6.000 Jahre, erschaffen von Gott in 6 Arbeitstagen zu je 24 Stunden.
## Unbedingt bibeltreu
Menschen und Dinosaurier waren Zeitgenossen, steht in den Büchern und
Broschüren von Ken Ham, deren Leserschaft vor allem aus „home schoolers“
besteht, aus Eltern, die ihre Kinder zu Hause unterrichten, damit sie im
Biologieunterricht nicht mit Darwins Evolutionstheorie konfrontiert werden.
Vor ungefähr 4.000 Jahren wurde der Planet von einer verheerenden Flut
heimgesucht, Noah zimmerte ein Schiff, um sich, seine Familie und das
Getier vor dem Ertrinken zu retten – so steht es in der Bibel. Und was in
der Bibel steht, nimmt man bei „Answers in Genesis“ wörtlich. Um die Worte
durch etwas Handfestes zu untermauern, ließ Hams Sekte nun einen gewaltigen
Kasten aus Holz in die grünen Hügel von Williamstown in Kentucky setzen.
Heute, nach 13 Monaten Bauzeit, wird er eröffnet.
Tonnenweise Fichtenbäume aus Utah und Oregon hat man verarbeitet, die
Außenhaut ist aus wetterbeständiger, neuseeländischer Kiefer. Noah sitzt
darin als lebensgroße Puppe mit antiker Schreibfeder, er kann sprechen –
das heißt, er gibt Antworten auf den überschaubaren Fragenkatalog eines
Computers.
Ken Ham hat überhaupt nichts dagegen, wenn man seinen alttestamentarischen
Erlebnispark mit Disneyland vergleicht. „Das wird größer als Disney, größ…
als Hollywood“, schwärmt er und erzählt von seinen Plänen. Neben der Arche
soll irgendwann der Turm von Babel thronen, dazu ein orientalisches Dorf,
wie es vor Christi Geburt ausgesehen haben könnte.
## Zentral gelegen im Bible Belt
Die säkulare Welt, sagt Ham, habe doch all die Museen, um ihre Botschaften
zu verbreiten. Dem wolle er etwas entgegensetzen, etwas Spektakuläres.
„Wenn die säkulare Welt christliche Symbole aus der Öffentlichkeit
verbannt, wollen wir mit etwas dagegenhalten, worüber die Öffentlichkeit
redet.“ Kentucky, fügt er hinzu, sei der ideale Standort dafür. Nicht nur,
weil der Staat zum „Bible Belt“ zählt, dem Bibelgürtel, der sich quer dur…
den Süden der USA zieht, sondern auch wegen seiner zentralen Lage. Zwei
Drittel der US-Bevölkerung brauche im Auto maximal einen Tag vom Wohnort
zur Arche, sagt Ham, nun ganz der kühl kalkulierende Geschäftsmann.
Zwar ist wissenschaftlich untermauert, dass die Erde vor mehreren
Milliarden Jahren entstand. Zwar sind die Junge-Erde-Kreationisten auch
unter Amerikas Christen, von denen etliche von Darwins Evolutionstheorie
überzeugt sind, klar in der Minderheit. Doch Ham scheint allein schon daran
Gefallen zu finden, dass er im Rampenlicht steht.
Vor zwei Jahren debattierte Ham in seinem Kreationsmuseum mit Bill Nye,
einem früheren Flugzeugingenieur, den seine Landsleute seit einer Serie
populärer Fernsehauftritte den Science Guy nennen, den
Wissenschaftsburschen. Der Science Guy gewann das Duell mit Ham so klar,
dass das Publikum fast schon Mitleid hatte mit seinem Widerpart.
Mit mildem Spott fragte Nye, wie ein nachweislich über 9.000 Jahre alter
Baum in Schweden die Sintflut wohl überlebt haben konnte. Oder warum es in
Asien nie Kängurus gab – man müsste dort doch zumindest fossile Spuren von
Kängurus finden, wenn es stimme, dass die Tiere von Noahs Arche, der
Legende nach gestrandet auf dem Berg Ararat, über eine Landbrücke nach
Australien gelangten. So gründlich Nye die Thesen der Kreationisten
zerpflückte, so ausdauernd konterte Ham mit dem Verweis auf höhere
Autoritäten. „Sie waren nicht dabei, ich war nicht dabei, Gott ist der
einzige Zeuge“.
Zurück zur Arche. Dort sagt Ham noch stolz, dass sich mittlerweile 15
Millionen Menschen dieses Streitgespräch mit Nye als Video angesehen haben.
Dann verabschiedet er sich. Ham muss sich um seine Stifter kümmern, um die
Großzügigsten unter 43.000 Spendern, die insgesamt 38 Millionen Dollar für
den Bau der Arche beisteuerten.
## Noah, ein Genie
An seiner statt führt der Kalifornier Mark Looy die Reporter ins Innere der
Arche hinauf. Dabei streut er Sätze ein, die wie sorgfältig ausgefeilte
Werbeslogans klingen: „Wie hätte natürliche Auslese die genetische
Plattform für etwas so Wunderbares wie das menschliche Hirn schaffen
können?“ „Hätte sich Gott wirklich etwas derart Grausames einfallen lassen
wie das Prinzip, nach dem nur die Stärksten überleben?“ Man wisse ja nicht
mal genau, wie die alten Ägypter die Pyramiden auftürmten, sagt Looy. Warum
also solle es ein Genie wie Noah nicht fertiggebracht haben, die Arche zu
zimmern?
Augenblicke später kehrt er, genau wie Ham, den kalkulierenden Unternehmer
heraus. Erzählt von Anleihen, die Anleger kauften, um den Rest der
Baukosten von 102 Millionen Dollar zu finanzieren, von den 6 Prozent
Rendite, die solche Papiere durchschnittlich pro Jahr bringen. Wenn man so
will, ist Looy der gelehrigste Schüler von Ken Ham. Er hat Geschichte
studiert und Ham kennengelernt, als er ihn 1982 für einen christlichen
Radiosender in San Diego interviewte. Damals glaubte Looy noch, dass Darwin
recht hatte. Heute ist er Hams rechte Hand.
## Dürftige Exponate
„Nun ja, die Nägel“, sagt Looy und spricht von Kompromissen. Es ist eben
doch nicht so einfach, lässt er durchblicken, im 21. Jahrhundert ein Schiff
nach biblischen Standards zu bauen. Eigentlich wollten die Kreationisten
nichts aus Metall verwenden, keinen Nagel, keine Schraube, keinen Bolzen.
Damit scheiterten sie an den Bauvorschriften.
Außerdem bestand die Baubehörde auf Klimaanlagen, auf Toiletten, auf einer
breiten Fluchttreppe, auf all die Dinge, ohne die man in den USA kein
öffentliches Museum betreiben darf.
Die Fauna in der Arche beschränkt sich auf ein paar ausgestopfte Exemplare
in robusten Käfigen, auf Bären, Flusspferde, Urgiraffen mit kurzen Hälsen.
Im Grunde lässt die Arche an eine Mustermesse der Holzindustrie denken,
ergänzt um ein paar eher dürftige Exponate. „Eines Tages wird das hier
alles noch perfekter als Disneyland“, wiederholt Looy die vollmundige
Botschaft seines Chefs.
## Homosexuelle nicht erwünscht
Dann wären da noch die Kontroversen, über die sie bei „Answers in Genesis“
reden wie über biblische Plagen. Wer auf Noahs Schiff einen dauerhaften
Arbeitsplatz finden wollte, musste unterschreiben, dass er weder die
kreationistische Lesart des Christentums ablehnt noch homosexuell ist.
Als es Proteste hagelte, zog der Staat Kentucky seine Zusage für
Steuernachlässe in Höhe von 18 Millionen Dollar zurück. Ham klagte dagegen
und gewann: im Januar entschied ein Richter, dass Touristenattraktionen
auch dann steuerlich zu begünstigen sind, wenn sie religiösen Zwecken
dienen. Kritik kam auch von anderen Gruppen – etwa von der
Atheistenvereinigung „Tri-State Freethinkers“ aus Kentucky, Indiana und
Ohio, die das Schiff als eine Kirche bezeichneten, die
Wissenschaftsanalphabeten heranziehe.
Natürlich stellt sich die Frage, was denn nun bewiesen wird mit einem
Schiff, das nicht seetüchtig ist. Auch darauf hatte Ken Ham eine schnelle
Antwort parat, bevor er sich seinen Geldgebern zuwendet. „Die Welt wird nie
wieder eine Sintflut erleben. Also brauchten wir die Arche auch nicht so zu
bauen, dass sie schwimmen kann.“
7 Jul 2016
## AUTOREN
Frank Herrmann
## TAGS
Christentum
Lesestück Recherche und Reportage
USA
Reiseland Türkei
## ARTIKEL ZUM THEMA
US-Bundesstaat Louisiana und Religion: „Du sollst nicht töten“ in Schulen
Bildungseinrichtungen müssen in Louisiana ab 2025 die Zehn Gebote in allen
Klassenzimmern aufhängen. Der US-Bundesstaat liegt im „Bibelgürtel“ der
USA.
Streit um Themenpark in den USA: Staatshilfe für Noahs Arche
Kentucky braucht Jobs. Also will sein Gouverneur den Nachbau der Arche Noah
fördern. Experten sehen darin einen Bruch mit der US-Verfassung, denn die
Idee stammt von einer christlichen Sekte.
KOMMENTAR: BESEELTER VORTRAG: Missbrauchte Einrichtung
Zu loben ist das Haus der Wissenschaft. Das hat klargestellt: Zweimal lässt
man sich nicht missbrauchen. Zweimal lässt es sich nicht zur Plattform
eines Kreationismus-Kündigers machen.
REFERENT MIT URKNALL: Dr. Kellner kommt ins Grübeln
Um die unter Kreationisten beliebte Intelligent-Design-Theorie zu
verbreiten, mietet ein Ex-Astrium-Manager das Haus der Wissenschaft. Dort
geht man auf Distanz.
Buchtipp: Heiliger Berg im siebten Monat der Sintflut
Der 5.165 Meter hohe biblische Berg Ararat ist heute eine kolossale
Nato-Festung im Gebiet nahe der Grenze zu Armenien. Und immer noch ein
unter Eis schlummernder Mythos
Darwinismus: Gott ist in jeder Tomate
Der Ultra-Darwinist Richard Dawkins prügelt stets auf die Kreationisten ein
- erst recht im Darwin-Jahr 2009. Und langweilt die Welt dafür beständig
mit seinem erbärmlichen Rationalismus.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.