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# taz.de -- REFERENT MIT URKNALL: Dr. Kellner kommt ins Grübeln
> Um die unter Kreationisten beliebte Intelligent-Design-Theorie zu
> verbreiten, mietet ein Ex-Astrium-Manager das Haus der Wissenschaft. Dort
> geht man auf Distanz.
Bild: Schöpfung? Ist doch was Schönes!
"Das Haus der Wissenschaft distanziert sich deutlich von den Inhalten
dieser Fremdveranstaltung", war am Mittwochabend auf einem Aushang in der
Sandstraße 4 / 5 zu lesen. Das hat es dort noch nicht gegeben. Der Anlass:
ein Vortrag von Albrecht Kellner über "die Erforschung des Weltalls" und
"Hinweise auf einen Urheber".
Ursprünglich wollte der zwei Vorträge in der Sandstraße halten. Den zweiten
Termin hat das Haus der Wissenschaft abgesagt. Einen "thematischen
Fachvortrag" habe man erwartet, sagt Sprecherin Maria Santos. Eingemietet
hatte sich Kellner als Wissenschaftler, promovierter Physiker, und
ehemaliger Manager bei Astrium. Dass er dort längst nicht mehr arbeitet,
erwähnt er während seines Vortrages am Mittwoch nicht. Über den
Raumfahrtkonzern spricht er in der "Wir-Form". Bei Astrium selbst betont
eine Sprecherin, Kellner trete im Haus der Wissenschaft als "Privatmensch"
auf, einen Bezug zum Unternehmen gebe es in seinen Vorträgen nicht.
Die letzte wissenschaftliche Publikation Kellners - zum Thema künstliche
Intelligenz - stammt aus dem Jahr 1989. Im Frühjahr 2010 ist seine
Autobiographie erschienen, laut Klappentext eine "packend erzählte Lebens-
und Glaubensgeschichte". Veröffentlicht wurde sie in einem Verlag der
evangelikalen Stiftung Christliche Medien, zum Start hat ihn die
einschlägige Zeitschrift Idea Spektrum interviewt. Dort spricht er über
"verblüffende Parallelen zwischen astronomischen Erkenntnissen und
biblischer Weltsicht". Mit seinem Vortrag über die Erforschung des Weltalls
tourt er bundesweit durch vorwiegend freikirchliche Gemeinden. Im November
referiert er für die "Internationale Vereinigung Christlicher
Geschäftsleute" über "unübersehbare Hinweise der modernen Physik auf die
Existenz eines Schöpfers".
Was Kellner betreibt, bezeichnet Ulrich Kutschera, Professor für
Evolutionsbiologie an der Uni Kassel, als "Pseudowissenschaft". Kutschera
beschäftigt sich seit Jahren mit der Ausbreitung des Kreationismus in
Deutschland. Und der beginne da, wo - wie bei Kellner - "empirische Fakten
als Hinweise auf Gott gedeutet werden". Nach der Intelligent-Design-Theorie
etwa sind die Entstehung von Universum und Leben, Vorgänge wie Mutation und
natürliche Selektion Ergebnis eines Entwurfes eines Designers oder
Schöpfers. Für Kutschera ist das "Kreationismus unter dem Deckmantel der
Wissenschaft".
Um ihre Theorien zu verbreiten, suchten Anhänger von Kreationismus und
Intelligent Design gezielt Orte mit seriösem Ruf auf - wie das Haus der
Wissenschaft, so Kutschera. Seine Einschätzung ist keine Einzelmeinung:
Bereits 2007 warnte der Europarat vor Kreationisten, die in den
Bildungssektor drängten. Die Intelligent-Design-Theorie, heißt es in einer
Resolution, werde "subtiler präsentiert und versuche, ihren Ansatz als
wissenschaftlich darzustellen".
Auch Albrecht Kellner geht im Haus der Wissenschaft subtil vor. Das Wort
"Gott" erwähnt er nicht, auf Bibelzitate verzichtet er - dieses Mal. Eine
halbe Stunde kürzer als geplant fällt der Vortrag auf Druck des Hauses hin
aus. Den 14 Leuten im Saal erklärt er per Power Point das Urknall-Modell
und die Entstehung von Sternen. "Ins Grübeln" müsse man angesichts dessen
doch kommen, sagt er. Sich fragen, ob das alles Zufall sein könne. Kellners
Antwort: "Da steckt Absicht dahinter." Er "persönlich" komme "an einem
Schöpfungsakt nicht vorbei". Auch Hinweise darauf, dass der Schöpfer ein
Bewusstsein und "uns gewollt" haben müsse, ziehe er aus der Physik. Als
Kreationist, sagt er auf taz-Nachfrage, sehe er sich aber nicht.
14 Oct 2010
## AUTOREN
Teresa Havlicek
## TAGS
Christentum
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
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