# taz.de -- Schließerklagen: Häftlingsbetreuung mit dem Wörterbuch | |
> Justizbedienstete in Niedersachsen beschweren sich über Häftlinge aus | |
> Maghrebstaaten, die Frauen nicht respektierten. | |
Bild: Klinische Umgebung: Die 2013 eröffnete, teilprivatisierte Justizvollzugs… | |
BREMEN taz | Der Verband Niedersächsischer Strafvollzugsbediensteter | |
fordert mehr Personal, um mit den schnell steigenden Zahlen von Männern aus | |
dem Maghreb in den Gefängnissen fertig zu werden. Viele Häftlinge aus den | |
Maghrebstaaten hätten „besonders wenig Respekt“ gegenüber den Bedienstete… | |
sagte der Gewerkschaftsführer Uwe Oelkers der Neuen Osnabrücker Zeitung. | |
Insbesondere weibliches Personal leidet laut Oelkers darunter: „Die | |
Häftlinge wollen sich von weiblichen Mitarbeitern nicht anfassen lassen und | |
weigern sich so lange, bis ein Mann kommt.“ Gesetzlich sei jedoch | |
vorgeschrieben, dass ein Drittel des Gefängnispersonals weiblich sein | |
müsse. Oelkers befürchtet, dass jetzt Gefängniswärterinnen aus den | |
Haftanstalten mit nordafrikanischen Insassen in andere Gefängnisse verlegt | |
werden müssten. | |
Darüber hinaus fordert Oelkers mehr Personal für die Früherkennung von | |
Suizidgefahr bei den Häftlingen aus den Maghrebstaaten. Die Gefangenen | |
werden in den Aufnahmegesprächen im Gefängnis psychologisch eingeschätzt. | |
Die MitarbeiterInnen befragen in diesen Gesprächen den Häftling nach seiner | |
Vorgeschichte und achten dabei auf psychologische Auffälligkeiten. | |
In der Regel werden die Aufnahmegespräche ohne Übersetzer geführt, auch | |
wenn der Insasse kein Deutsch spricht. Im besten Fall sprechen die | |
MitarbeiterInnen die Sprache der Häftlinge, doch meistens benutzen die | |
Beamten behelfsmäßig Wörterbücher oder Tablets, um sich zu verständigen. | |
Nicht selten springen Mitgefangene als Übersetzer ein. Zu | |
Missverständnissen kommt es dabei leicht. Das sei gefährlich, findet | |
Oelkers, denn gerade bei jemandem, der das erste Mal in Haft sitzt, sei die | |
Suizidgefahr groß. | |
In einer Pressemitteilung der Gewerkschaft klingt es so, als wären | |
besonders nordafrikanische Häftlinge eine Belastung der Gefängnisse. Dem | |
Vorsitzenden der Vereinigung Niedersächsischer und Bremer | |
Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger Holger Nitz ist das neu: | |
„Mir ist überhaupt nicht bekannt, dass es in den Gefängnissen ein | |
spezifisches Problem mit den Nordafrikanern gibt.“ Zu Auseinandersetzungen | |
komme es zwar hin und wieder, aber im gleichen Maße wie mit anderen | |
nicht-deutschsprachigen Häftlingen, sagt Nitz. „Mangelnde Deutschkenntnisse | |
sind generell ein Problem.“ | |
In niedersächsischen Haftanstalten werden derzeit zwar Deutschkurse | |
angeboten, allerdings nicht in allen. Das Angebot hänge stark davon ab, ob | |
sich eine Lehrkraft findet, sagt der Gewerkschafter Oelkers. | |
Nitz sieht ein weiteres Problem in der Arbeitslosigkeit in Gefängnissen: | |
Häftlinge hätten generell schon wenig Arbeit und ohne Deutschkenntnisse | |
seien ihre Chancen noch schlechter. Überdies sind viele Flüchtlinge | |
traumatisiert: „Da kommen auch ganz verzweifelte Menschen ins Gefängnis. | |
Auf solche Menschen ist der Gefängnisalltag einfach nicht ausgelegt“, sagt | |
der Strafverteidiger. Sowohl der Gewerkschafter als auch der Anwalt sind | |
sich einig: Es braucht mehr psychologische Fachkräfte mit Sprachkenntnissen | |
in den Gefängnissen. | |
Die interkulturellen Kompetenzen würden in Aus- und Fortbildungen geschult, | |
versichert das Justizministerium. Verpflichtend seien solche Schulungen | |
jedoch nicht, sagt Oelkers. | |
Nicht nur auf Seiten des Gefängnispersonals gibt es Frust, sondern auch | |
unter den Häftlingen: Wenn sie den Strafvollzug beenden, haben sie kaum | |
Perspektiven. Vom Bundestag wurden Marokko, Algerien und Tunesien bereits | |
zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Wenn der Bundesrat dem Gesetzentwurf | |
zustimmt, werden Menschen aus den Maghrebstaaten sofort abgeschoben. | |
Und schon jetzt findet keine Resozialisierung der Häftlinge aus Nordafrika | |
statt, wie Nitz kritisiert. Die Häftlinge aus dem Maghreb würden in den | |
Gefängnissen bloß verwahrt. „Sie lernen kein Deutsch und arbeiten nicht“, | |
sagt der Strafverteidiger. „Am Ende ihrer Strafe werden sie, ohne dass | |
irgendetwas mit ihnen passiert ist, auf die Straße gesetzt.“ | |
4 Jul 2016 | |
## AUTOREN | |
Eva Przybyla | |
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