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# taz.de -- RTL-Mann Tobias Schmid: Lobbyist soll Kontrolleur werden
> Am Freitag wählt die Landesmedienanstalt NRW, die für die Aufsicht der
> Privatsender zuständig ist, einen neuen Chef. Einziger Kandidat: ein
> RTL-Mann.
Bild: Ordnungspolitik ist sein Fetisch: Tobias Schmid
Was wäre, wenn der Cheflobbyist der Pharma-Industrie plötzlich die Leitung
des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte übernehmen würde,
das die Produkte dieser Szene kontrolliert? Richtig: Der Aufschrei wäre
groß.
Etwas sehr Ähnliches dürfte am Freitag in Düsseldorf über die Bühne gehen,
hier allerdings nahezu geräuschlos: Die wichtigste Landesmedienanstalt der
Republik, die Privatsender lizenziert und vor allem auch kontrolliert, soll
einen neuen Chef bekommen – Tobias Schmid, gegenwärtig sowohl Cheflobbyist
der deutschen RTL-Gruppe als auch Vorstandsvorsitzender des
Privatsender-Lobbyverbandes VPRT.
Dieser Plan klingt mindestens mutig, vielleicht sogar regelrecht skandalös,
nur: Schmids Wahl als Direktor der nordrhein-westfälischen Landesanstalt
für Medien (LfM) gilt als sicher. Zwar hat die Findungskommission des
LfM-Medienrates die Position nicht nur ausgeschrieben, sondern zusätzlich
auch mit der Agentur Odgers Berndtson Executive Search eine
Personalberatungsgesellschaft nach passenden Kandidaten fahnden lassen.
Am Ende hat die Kommission dem Medienrat allerdings nur Schmid als
Kandidaten vorgeschlagen – obwohl sie durchaus eine Auswahl hätte
präsentieren können, das hätte sich mit ihrem Auftrag gedeckt.
Für die Privatsender-Kontrolleure der LfM ist all das offensichtlich kein
Problem. Andere schlagen zumindest vereinzelt Alarm. „Es ist verwunderlich,
dass eine öffentliche Debatte über den Vorschlag der Findungskommission der
LfM, Tobias Schmid zum Direktor zu wählen, bislang ausblieb“, sagt Tabea
Rößner, die medienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag – und
einstige ZDF-Journalistin. Schmid sei durchaus ein medienpolitischer
Experte. Doch mit seiner Wahl zum LfM-Direktor würde nun mal der
Cheflobbyist zum Chefaufseher gemacht, „sprich: der Bock zum Gärtner“.
Auch die Transparenz-Aktivisten von LobbyControl stufen die avisierte
Personalie als „schwer nachvollziehbar und fragwürdig“ ein.
## Schmid ist Volljurist
Schmid selbst möchte vor der Wahl nicht über sein mögliches künftiges
Engagement reden. Es heißt, die Findungskommission habe ihn angesprochen,
nicht umgekehrt. Tatsächlich hat der 46-Jährige viele Eigenschaften, die
rar sind und die Suche nach einem neuen LfM-Direktor kompliziert machen:
Ordnungspolitik ist sein Fetisch. Das zu kontrollierende Element – die
Privatsender-Landschaft – kennt er aus dem Inneren. Außerdem hat er – und
hier wird es gruselig – Spaß an Medienpolitik. Mit seinem Zynismus peppt er
jede Fachtagung auf.
Vor allem aber: Schmid ist Volljurist. Das ist neuerdings Pflicht für
LfM-Direktoren. Der bisherige Direktor, der 61-jährige Jürgen Brautmeier,
ist Historiker. Er darf nicht weitermachen. Passenderweise wurde das unter
der SPD-geführten Landesregierung entschieden. Brautmeier ist CDU-Mitglied.
Trotz Schmids Qualifikation mutmaßte der Branchendienst Medienkorrespondenz
indes, die Personalie habe „der ein oder andere womöglich in einer ersten
Reaktion sogar als Scherz eingestuft“. Die geplante Personalie werfe „auch
(verfassungs)rechtliche Fragen“ auf.
## Ein Seitenwechsler-Problem
Am Ende reduziert sich die Debatte auch hier auf das
Seitenwechsler-Problem: Ein Politiker könnte nur mit einigen Monaten
Abstand wechseln, so sieht es das NRW-Mediengesetz vor. Neben der
sogenannten Politikferne ist aber auch Gruppenferne geboten – und damit
nicht zuletzt ein gesunder Abstand etwa von der Privatsenderlandschaft.
Doch eine Karenzzeit für einen Seitenwechsler wie den Lobbyisten von RTL
und VPRT ist keine Pflicht.
Werner Schwaderlapp, der Vorsitzende der LfM-Medienkommission, sagt, dass
die Personalie rechtlich sauber sei – und: „Tobias Schmid teilt unsere
Grundüberzeugungen zu Themen wie Meinungsvielfalt, Jugendschutz und
Menschenwürde. Das ist der entscheidende Punkt.“ Die „Bock zum
Gärtner“-Kritik tut er als „eine sehr oberflächliche Betrachtung“ ab. S…
werde Schmid nicht gerecht.
Im Medienrat sitzen auch Journalistengewerkschaften. Auch sie, die sich
sonst gerne mit mahnenden Worten profilieren wollen, stützen Schmids
Kandidatur. „Die Personalie hat mich komplett überzeugt – so sehr, dass die
Bedenken, die auch ich anfangs hatte, in den Hintergrund traten“, sagt
Ulrike Kaiser, die für den Deutschen Journalistenverband in der
Findungskommission saß. Kaiser drückte nicht allein Bedenken weg: Die
Kommission hat Schmid sogar einstimmig vorgeschlagen.
## Gestaltungsraum Internet
Außenstehende mögen sich bei dieser Harmonie die Augen reiben. Am Ende
werden aber wohl auch sie sich damit anfreunden müssen, dass per
„fliegendem Wechsel“ (Medienkorrespondenz) aus dem Sender-Lobbyisten ein
Sender-Kontrolleur wird. Immerhin: Das Programm RTL wäre nicht Schmids
Sache. Es ist in der komplizierten Welt der deutschen Medienregulierung in
Niedersachsen lizenziert. Anders sieht es jedoch bei diversen Ablegern der
RTL-Gruppe aus, vor allem bei Digitalangeboten.
Hier, wenn es ums Internet geht, dürfte Schmid dann auch ganz im Sinne der
Sender arbeiten: Er ärgert sich schon lange darüber, dass Medienanstalten
bei Stichwörtern wie „Jugendschutz“ und „Schleichwerbung“ Privatsender…
jeder vermeintlichen Kleinigkeit angehen, während sie sich mit neueren
Plattformen wie YouTube mitunter erschreckend schwertun. Schmid, der
Seitenwechsler, wird hier gestalten können.
23 Jun 2016
## AUTOREN
Daniel Bouhs
## TAGS
Privatsender
RTL
Landesanstalt für Medien (LfM)
RTL
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