# taz.de -- EMtaz: Der Torhüter, die ärmste Sau: Vom Halbgott zum Vollidioten | |
> Es ist einfach ungerecht: Ein einziger Fehler reicht, um aus einem | |
> Torhüter eine Witzfigur zu machen. Albert Camus kennt das. | |
Bild: Guck mal hinter dir, eine Torwartecke. Der russische Torhüter Akinfeev w… | |
Man hat im Vorfeld [1][der Partie] viel über die Torhüter gesprochen. Und | |
wie fast immer, wenn man viel über Torhüter spricht, ging es kaum um ihr | |
Können. Die Fehlleistungen englischer Keeper erzählt man sich wie früher | |
auf dem Schulhof Fritzchen-Witze, mit der gleichen Lust an fremder Leute | |
Versagen, mit der gleichen Mischung aus Unglaube und Schadenfreude. | |
Torhüter, das kommt dem am nächsten, was in der Stummfilmära die Helden der | |
Komödien gewesen sind, diese liebenswerten Trottel, denen die Realität | |
immer nur zustieß wie ein Verhängnis. Wer Torhüter verstehen will, muss | |
Buster Keaton sehen. | |
Da war zunächst die 71. Minute. Rooney bekommt den Ball am 16er, stoppt ihn | |
kurz und schiebt ihn dann in die Ecke. Eine flüssige, völlig | |
selbstverständliche Bewegung, als würde er ein Buch ins Regal stellen. Es | |
ist absolut klar, dass der Ball ins Tor gehört, es gibt im Moment des | |
Schusses kaum einen, der daran zu zweifeln wagt. | |
Kaum einen außer Akinfeev. Akinfeev haut sich mit der Eleganz eines | |
Pinguins, der vom Land ins Wasser hopst, im Bruchteil einer Sekunde in die | |
Ecke, wirft die Hand aus, der Ball springt vom Handballen an die Latte und | |
dann zurück ins Feld. Man müsste für [2][diese Parade] ein neues Wort | |
erfinden, um sie angemessen zu beschreiben, ein ganz neues Konzept, das | |
beschreibt, wie unwahrscheinlich diese Bewegung war, sie war schlicht | |
akinfeengleich. | |
Ein falscher Schritt und die Geschichte bricht zusammen | |
Standing ovations wären angemessen gewesen. Ein Blumenstrauß, überreicht | |
von Meryl Streep. Irgendeine Trophäe. | |
Es gab natürlich nichts. Akinfeev stand da, Mund halb offen, stoisch wie | |
immer, ein Gesicht wie eine verschwommene Erinnerung an Ray Liotta in | |
Goodfellas, aber kein bisschen überschwänglich, wie auf Sedativa. | |
Als wüsste er schon, was noch kommt. | |
Ein Stürmer darf Dutzende Fehler machen und wird immer noch geliebt. Giroud | |
hat im Eröffnungsspiel in der ersten Halbzeit zwei Pässe an den Mann | |
gebracht, davon war einer der Anstoß. All das ist vergessen und vergeben, | |
sobald er einmal armerudernd seine Birne in eine Flanke hält. Dann liebt | |
man ihn, dann verzeiht man ihm den Schwachsinn, den er zuvor mit dem Ball | |
angestellt hat. | |
Torwart sein ist Mittel. Und wie jedes Setting hat es schlicht zu halten. | |
Und so lief Akinfeev einmal einen Schritt in die falsche Richtung, und | |
seine ganze Geschichte brach zusammen. Ein Augenblick, und aus dem Held | |
wurde ein Wurm. „Torwarteck“, tönte es vor tausenden von Fernsehern im | |
Moment, als [3][Diers Freistoß] einschlug. „Torwarteck“, ein Wort reicht, | |
um alles vergessen zu machen, was vorher war. | |
Camus wird oft zitiert mit dem Satz, dass er alles, was er über Moral | |
wisse, beim Fußball gelernt habe. Gerade Camus, möchte man meinen, der | |
Autor des Absurden, der wie kaum ein anderer die Untiefen dieser Moral | |
ausgelotet hat. Dieser Satz macht nur dann Sinn, wenn man weiß, welche | |
Position Camus damals spielte: Torhüter nämlich. | |
12 Jun 2016 | |
## LINKS | |
[1] /EMtaz-Gruppe-B--ENG-RUS/!5312205 | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=rULUDxjSKsA | |
[3] https://www.youtube.com/watch?v=39Ma8sAPGks | |
## AUTOREN | |
frédéric valin | |
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