# taz.de -- Flüchtlingshelferin zu Staatsaufgaben: „Jetzt geht es ums Bleibe… | |
> Tanja van de Loo spricht am Wochenende auf einem Kongress zu mehreren | |
> Willkommensinitiativen. Über mögliche Streiks und eine zynische | |
> Kunstpause. | |
Bild: FlüchtlingshelferInnen kümmern sich um mehr als ums Willkommen | |
taz: Frau van de Loo, im letzten Sommer wurde Flüchtlingshilfe plötzlich | |
hip. Am Wochenende treffen sich nun Willkommensinitiativen zu einem | |
gemeinsamen Kongress. Was ist von der Aufbruchstimmung geblieben? | |
Tanja van de Loo: Klar, diese Euphorie vom Anfang, die gibt es in dem Maße | |
nicht mehr. Viele Initiativen haben sich zurechtgeschrumpft, da sind | |
vielleicht nicht mehr so viele dabei wie zu Beginn der Arbeit, gleichzeitig | |
haben sie sich auch professionalisiert. Das Gute ist ja: Die Inis machen | |
einfach weiter. Gleichzeitig ist klar geworden: Die Erwartung vom Anfang, | |
dass es nur darum geht, kurzfristig eine Lücke zu füllen und Druck | |
aufzubauen, hat sich nicht erfüllt. Wir leisten weiterhin Nothilfe, einfach | |
weil es niemand anderes macht. | |
Darin steckt auch ein Dilemma vieler ehrenamtlicher HelferInnen, die | |
Aufgaben übernehmen, für die eigentlich der Staat zuständig wäre. Wie lösen | |
Sie das auf? | |
Ja, das ist ein Schlamassel, das mich auch persönlich viel beschäftigt. Es | |
geht hier um ein massives staatliches Nicht-Handeln, das abschrecken soll. | |
Viele überlebensnotwendige Dinge werden von Ehrenamtlichen aufgefangen. | |
Letztendlich halte ich mich da aber an einen Satz, der lautet: Es gibt | |
keine Alternative zum radikalen Humanismus. Es gibt ja europaweite Debatten | |
über die Idee eines Streiks, darüber, wie es wäre, wenn wir die Arbeit | |
niederlegen. Aber weil klar ist, dass dieser Streik auf dem Rücken der | |
Geflüchteten ausgetragen würde, wird das bisher nicht gemacht. Trotzdem | |
versuchen wir natürlich, so gut wie möglich Druck auf die Politik | |
aufzubauen, damit sich die Situation ändert. | |
Auf dem Kongress soll es auch darum gehen, ob angesichts der vielen | |
Willkommensinitiativen von einer neuen sozialen Bewegung gesprochen werden | |
kann. Aber fehlt dafür nicht die politische Artikulation, etwa gegen die | |
Asylrechtsverschärfungen? | |
Ob es gelingt, aus diesen vielen Menschen, die sich ja auch mit ganz | |
unterschiedlich starkem politischen Selbstverständnis engagieren, eine | |
Bewegung zu bilden, wird sich zeigen, denke ich. Was die | |
Asylrechtsverschärfungen angeht: Das sind solche Hammerschläge, das ist so | |
massiv, dass viele auch einfach ratlos sind, was dagegen effektiv | |
unternommen werden könnte. Aber: Es wird sich überall gewehrt und natürlich | |
dagegen ausgesprochen. Von den Inis, von NGOs, und natürlich von den | |
wirklich davon Betroffenen. Das wird viel zu wenig sichtbar. | |
Seit Schließung der Balkanroute kommen deutlich weniger Flüchtlinge in | |
Deutschland an. Werden die Willkommensinitiativen jetzt wieder überflüssig? | |
Das ist eine tödliche „Kunstpause“, die da gerade geschaffen wurde, eine | |
unfassbar zynische Entscheidung. Aber es werden trotzdem weiter Leute | |
hierhin fliehen. Und aus den meisten Willkommensinitiativen sind längst | |
Gruppen geworden, die sich um viel mehr als um das Willkommen kümmern. Es | |
geht jetzt ums Bleiben. Da wird die Arbeit nicht weniger. | |
Was erwarten Sie sich von dem Kongress in Leipzig? | |
Ich will wissen, wie „unsere“ Konstitution ist: Gibt es ein „Wir“ aus a… | |
und neuen Initiativen, das mit Geflüchteten und Migrantinnen zusammen | |
agiert? Gelingt es uns, dem massiven Rechtsruck und Rassismus weiter – aber | |
lauter und effektiver – etwas entgegenzusetzen? | |
10 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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