# taz.de -- Fahndung nach Rechtsextremen: Verschollene Kameraden | |
> Momentan wird nach 441 Rechtsextremen wegen offenen Haftbefehls gesucht. | |
> Die Zahl der Untergetauchten steigt. | |
Bild: Ein halbes Jahr zuvor waren 372 Rechtsextreme flüchtig – 69 weniger | |
BERLIN taz | Es weckt düstere Erinnerungen. 13 Jahre war der | |
„Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) abgetaucht, tötete in dieser Zeit | |
zehn Menschen und verübte zwei Anschläge. Aktuelle Zahlen, die der taz | |
vorliegen, zeigen nun: Momentan sind erneut 441 Rechtsextreme, die von den | |
Sicherheitsbehörden gesuchten werden, nicht auffindbar. Und deren Zahl | |
steigt. | |
Die verschwundenen Rechtsextremen werden wegen offener Haftbefehle nach | |
Straftaten wie Nötigung, Diebstahl oder Betrugs gesucht – einige aber auch | |
wegen Waffendelikten oder schweren Raubs. Ein Neonazi ist gar nach einem | |
Mord flüchtig, ein weiterer wegen Totschlags. Beide Taten werden von den | |
Behörden aber nicht als politisch eingestuft – so wie etliche der anderen | |
Delikte auch, wegen denen nach den Rechtsextremen gefahndet wird. 79 der | |
Untergetauchten verübten indes eindeutig politische Taten, 43 waren in | |
rechtsextremen Gruppen organisiert. | |
Die Zahlen stammen aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine | |
Anfrage der Linken, Stichtag war der 22. März. Und sie zeigen: Die | |
Sicherheitsbehörden bekommen das Problem nicht in den Griff. Denn ein | |
halbes Jahr zuvor waren 372 Rechtsextreme flüchtig – 69 weniger. | |
Die Zahlen sind nur Momentaufnahmen. Viele Straftäter tauchen nach kurzer | |
Zeit wieder auf. Allerdings: 136 der Haftbefehle sind bereits seit mehr als | |
zwei Jahren offen, einer gar seit 2001. | |
## Sicherheitsempfinden im Untergrund | |
Die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke nannte die steigende Zahl flüchtiger | |
Neonazis „zutiefst beunruhigend“. Die rechtsextreme Szene begehe offenbar | |
immer mehr Straftaten. „Die Nazis werden in jeder Hinsicht skrupelloser und | |
fühlen sich sicher.“ Auch die Grünen hatten die Entwicklung zuletzt | |
kritisiert: Der Staat dürfe nicht hinnehmen, dass sich gefährliche | |
Rechtsextreme „seinem Zugriff entziehen“. | |
Das Innenministerium begründet den Anstieg dagegen auch mit einer genaueren | |
Erfassung der Flüchtigen durch die Polizei. Und es verweist auf das | |
Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum in | |
Nordrhein-Westfalen, in dem 40 Sicherheitsbehörden zusammenarbeiten. Dort | |
würden alle Abgetauchten, die länger als sechs Monate verschollen seien, | |
mit „besonderer Betrachtung“ behandelt. Jeder Einzelfall werden in | |
Sitzungen besprochen. Alle Behörden müssten Erkenntnisse zu den Personen | |
einbringen, um „fahndungsrelevante Informationen zu verdichten“. | |
Für Ulla Jelpke ist das nicht genug. Die Behörden dürften nicht weiter die | |
Flüchtigen als Einzelfälle behandeln, kritisiert die Linkspolitikerin. | |
Vielmehr müsse überprüft werden, ob sich die Neonazis organisiert im | |
Untergrund zusammentäten. | |
14 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
## TAGS | |
Rechtsextremismus | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Schwerpunkt Neonazis | |
Rechtsrock | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Baden-Württemberg | |
Beate Zschäpe | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
NSU-Untersuchungsausschuss in Hessen: Einblick in die rechte Szene | |
Zwei Ex-Mitglieder der hessischen Naziszene sagen aus. Vom NSU wollen sie | |
nichts gewusst haben. Ihre Antworten werfen aber Fragen auf. | |
NSU-Untersuchungsausschuss: Im Steinbruch mit Präzisionsgewehr | |
Ein toter Zeuge im Mordfall Kiesewetter: Nicht Polizisten fanden Waffen bei | |
ihm, sondern die Eltern. Die Kritik an der Arbeit der Beamten wird lauter. | |
NSU-Ausschuss in BaWü: „Etwas für Deutschland tun“ | |
Vor dem Stuttgarter NSU-Untersuchungsausschuss sagten Freunde des | |
verbrannten Zeugen Florian H. aus. Anhaltspunkte für Mord soll es nicht | |
geben. | |
US-Nazi-Roman und NSU-Terroristen: Ein Roman vor Gericht | |
Ein Nazi-Roman aus den USA dient als Beweismittel im NSU-Prozess. Der Autor | |
versteckte einen Mann bei sich, der zur Umgebung des Terrortrios zählt. |