# taz.de -- Keine Lust auf Fußball?: Last Exit Nordkorea | |
> Fans, denen der EM-Rummel zuviel ist, könnten nach Nordkorea ausweichen. | |
> Die Reiseagentur von Martin Wagenknecht bietet solche Reisen an. | |
Bild: Fußballspiel zwischen Nord- und Südkorea in Pjöngjang | |
taz.am wochenende: Herr Wagenknecht, Ihre Reiseagentur [1][Pyongyang | |
Travel] bietet für Fußballfans Groundhopping-Touren nach Nordkorea an. Wie | |
kommt man auf so was? | |
Martin Wagenknecht: Wir hatten Kontakt zu Groundhoppern, und da kam die | |
Idee auf. | |
Es ist kein Angebot der Regierung in Pjöngjang? | |
Nein, nein! Wir sind eine Firma mit Sitz in Berlin und bieten Reisen nach | |
Nordkorea an. Natürlich arbeiten wir mit der Botschaft und den Behörden | |
zusammen, denn wir kümmern uns um Visa. Ansonsten organisieren wir Reisen | |
zu bestimmten attraktiven Zielen. | |
Dazu gehören die nordkoreanischen Fußballstadien? | |
Wir wenden uns mit unseren Angeboten vor allem an bestimmte Zielgruppen. | |
Das sind etwa die Freunde des Nahverkehrs, die in Nordkorea alte Busse und | |
Straßenbahnen erleben möchte. Und das sind eben auch Groundhopper, die | |
einmal ein Spiel im Kim-Il-Sung-Stadion oder im Stadion Erster Mai erleben | |
möchten. | |
Groundhopping organisiert man ja eigentlich selbst. | |
Richtig, aber das geht in Nordkorea nicht. Daher bieten wir das an. | |
Wer reist denn mit Ihnen? | |
Zu 90 Prozent sind es Männer, Teilnehmerinnen sind selten. Aber es ist | |
nicht so, dass die ihre Männer einfach begleiten. Es sind schon | |
Groundhopperinnen. Auch kann man sagen, dass es in der Regel jüngere | |
Teilnehmer sind: zwischen Mitte zwanzig und Mitte vierzig. | |
Hören Sie manchmal Kritik an Ihrem Nordkorea-Angebot? | |
Manchmal. Vor allem, dass Groundhopping doch eigentlich Individualreisen | |
sei. Und dass unsere Angebote nicht billig sind, aber Reisen nach Nordkorea | |
haben eben ihren Preis. | |
Was kosten sie? | |
Eine Sechstagereise, die wir jetzt im August anbieten, kostet 1.490 Euro. | |
Eine über elf Tage kostet 2.190 Euro.? | |
Jüngst ein Eishockeyturnier, davor ein Auftritt des früheren NBA-Stars | |
Dennis Rodman, nun Ihre Groundhopping-Angebote. Kann man eigentlich sagen, | |
dass sich Nordkorea gerade im Sport öffnet? | |
Ein Beispiel ist sicherlich Jong Tae-se, der beim VfL Bochum und dem 1. FC | |
Köln gespielt hat. Aber es gibt nicht nur im Sport eine Öffnung. Die | |
slowenische Band Laibach hat etwa im vergangenen Jahr als erste westliche | |
Band dort ein Konzert gegeben. | |
Was kriegen die Groundhopper bei Ihren Reisen überhaupt zu sehen? | |
Wir besuchen Pflichtspiele im Rahmen des Torch-Cups, wir sind im | |
Kim-Il-Sung-Stadion mit 50.000 Plätzen, im Yanggakdo-Stadion mit 30.000 | |
Plätzen, im Stadion Erster Mai mit 150.000 Plätzen und auch in der | |
Pyongyang Football Academy. | |
Die Academy, was ist das? | |
Ein sehr großes Nachwuchszentrum für die größten Fußballtalente des Landes. | |
Es liegt auf der Rungna-Insel, ganz in der Nähe des Stadions Erster Mai. Da | |
findet sich modernste Technik, Videoanalysen von Spielen sind möglich und | |
vieles mehr. | |
In den Stadien, wie ist da die Stimmung? | |
Mit der in europäischen Arenen kann man sie nicht vergleichen. Es ist | |
verhaltener. Die Menschen gehen auch nicht in Fankleidung ins Stadion, | |
sondern im Anzug. Es sind ja auch nicht Sportvereine, die den europäischen | |
Klubs vergleichbar wären. | |
Sondern? | |
Der 25. April etwa, quasi der FC Bayern Nordkoreas, immerhin 15-mal | |
Landesmeister, ist die Armeemannschaft. Jeder große Betrieb, jedes | |
Ministerium, die meisten gesellschaftlichen Einrichtungen haben eigene | |
Mannschaften und die Leute, die ins Stadion kommen, arbeiten meist dort. Es | |
ist durchaus normal, dass Brigaden Karten bekommen. Aber normal ist es | |
auch, dass Karten vor dem Stadion verkauft werden. | |
Keine Stimmung beim Fußball? | |
Doch, es gibt schon Menschen, die sich vor die Zuschauerblöcke stellen, mit | |
Megaphon in der Hand und mit Rücken zum Spiel, die für Stimmung sorgen. | |
So etwas wie die Capos der Ultras? | |
Es klingt etwas anders, aber wenn Sie so wollen: Das sind in gewisser Weise | |
nordkoreanische Capos. | |
In vielen Ländern gibt es das Phänomen, dass Stadien Orte der politischen | |
Opposition sind – weil man sich beim Fußball mehr und anderes erlauben kann | |
als an anderen öffentlichen Orten. Gibt es das in Nordkorea auch? | |
Wenn es das gäbe, wir würden es nicht bemerken. Auffallend und unübersehbar | |
ist es auf keinen Fall. | |
Und der Führerkult, der ausländischen Beobachtern in Nordkorea auffällt, | |
ist der auch beim Fußball präsent? | |
Es hängen natürlich Porträts der politischen Führer im Stadion und in den | |
Katakomben. Sie finden in Nordkorea keinen öffentlichen Raum, in dem nicht | |
diese Porträts hängen. Da macht der Fußball keine Ausnahme. | |
Wie beliebt ist Fußball überhaupt in Nordkorea? | |
Er hat einen hohen Stellenwert, ich denke, er ist schon der Sport Nummer | |
eins, wie ja fast überall auf der Welt, wenngleich hier auch traditionelle | |
Sportarten wie Taekwondo bedeutend sind. Auch Gewichtheben, Tischtennis und | |
Badminton werden von vielen Menschen betrieben | |
Wird auf den Straßen oder in den Parks gebolzt? | |
Kaum, da ist Volleyball verbreiteter. Junge Menschen, die Volleyball | |
spielen, sieht man häufiger. Fußball findet an den Schulen statt, dort sind | |
auch Plätze. Aber Rumkicken auf der Straße, das habe ich noch nicht | |
gesehen. | |
Gibt es eigentlich Probleme, wenn europäische Fußballfans nordkoreanische | |
Stadien entern? | |
Nein, so gut wie nie. Nur wenn sich jemand falsch verhält, ich meine: | |
wirklich daneben benimmt, dann kann es Probleme geben. | |
13 Jun 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.pyongyang-travel.com | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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