# taz.de -- EMtaz: Gucken in Frankreich: Rudelgucken mit dem Fanclub | |
> Jetzt beginnt die Zeit des Massentourismus deutscher Fußballfans in | |
> Richtung Frankreich. Die deutschen Partien sind offiziell längst | |
> ausverkauft. | |
Bild: Public Viewing bei der Fußball WM in Paris | |
Sonderzüge und Busse wird es geben, Shuttle-Services und Fanmobile, die | |
ganz große Auswahl bei kleiner Distanz. Manche werden mit dem eigenen Auto | |
anreisen, andere mit dem Wohnmobil oder gleich mit dem Flugzeug. Kommen | |
werden sie auf jeden Fall, die Deutschen. Vierzehn Prozent aller Tickets | |
für die EM wurden von deutschen Fans gekauft, mehr als von jeder anderen | |
anreisenden Nation; bis zu 40.000 deutsche Anhänger werden zu den Spielen | |
der Nationalelf in Frankreich erwartet. | |
Der Andrang ist nicht Ausnahme, sondern Regelfall: „Sogar bei der EM in der | |
Ukraine hatten wir bei deutschen Spielen zwischen 15.000 und 20.000 | |
deutsche Fans“, sagt Gerd Wagner von der DFB-finanzierten | |
Koordinationsstelle Fanprojekte. „Viele kommen mit dem eigenen Pkw. Bis in | |
die Ukraine.“ | |
Europameisterschaft, das ist die Zeit des Massentourismus deutscher | |
Fußballfans: Austragungsländer, die auf dem eigenen Kontinent liegen, | |
vergleichsweise erschwingliche Tickets, ein bisschen Urlaub, ein bisschen | |
Party, ein bisschen Fußball. Und längst haben auch Reiseveranstalter den | |
Fußballtourismus für sich entdeckt. Ebenso wie der Deutsche Fußball-Bund. | |
„Genaue Zahlen, wie viele unserer Fans zur EM reisen, haben wir nicht“, | |
sagt die DFB-Pressestelle. Profitieren wird der DFB aber in jedem Fall. | |
Denn beim Ticketverkauf gab es dieses Jahr einen Kniff: Wer Karten aus dem | |
DFB-Kontingent für die Europameisterschaft haben wollte, musste Mitglied im | |
Fanclub Nationalmannschaft werden, der offiziell vom DFB betrieben wird und | |
seine laut eigenen Angaben über 50.000 Mitglieder im Wesentlichen dadurch | |
gewinnt, dass er ihnen Vorteile für Deutschland-Tickets bietet. | |
Zehn Euro Aufnahmegebühr plus 30 Euro Jahresbeitrag kostet das Ganze. Wer | |
also Chancen auf eine EM-Karte des DFB haben wollte, musste erst mal 40 | |
Euro zahlen; ein kartellrechtlich bedenkliches Geschäft. Der DFB verweist | |
nur darauf, dass man mittlerweile „ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt“ | |
habe – für die Leute, die extra Mitglied geworden sind und trotzdem keine | |
Tickets bekamen. | |
## Sonderzug nach Frankreich | |
Wer zu den glücklichen Ticketbesitzern gehört, für den ist aber auch | |
gesorgt. Die Fahrt mit dem Fanclub Nationalmannschaft ist das große | |
Komfortpaket unter den Fanreisen. Zwei Sonderzüge von Frankfurt setzt der | |
Fanclub ein; außerdem gibt es in Paris ein Fancamp auf einem | |
Viersternecampingplatz mit Public Viewing, Fußballevents und | |
Rahmenprogramm – exklusiv für Mitglieder. | |
Übernachten kann man dort ab 38 Euro pro Nacht. Wer sich neben dem | |
Rudelgucken noch bilden will, für den gibt es von der DFB-Kulturstiftung | |
erstmals einen „Fußballkultur-Reiseführer“ mit durchaus wissenswerten | |
Infos. Und der ist sogar umsonst. | |
Natürlich gibt es auch jede Menge Reiseveranstalter, die hoffen, ein Stück | |
vom Kuchen abzubekommen. Firmen wie die Vietentours GmbH, die von | |
Ex-Leverkusen-Manager Reiner Calmund beworben wird, bieten komplette | |
Paketreisen zur EM mit Stadtbesichtigung, Übernachtung in Drei- oder | |
Viersternehotels, EM-Partys und Transfer zum Spiel. Das allerdings hat | |
seinen Preis: 9.870 Euro kostet das günstigste EM-Komplettpaket. | |
Doch während andere Nationen seit Jahren bevorzugt mit Paketreise durch | |
die Fremde touren, bleiben viele Deutsche gern individuell. „Paketreisen | |
machen nur die wenigsten“, sagt Gerd Wagner von der Koordinationsstelle | |
Fanprojekte. Das sei viel zu teuer, außerdem würden viele Fans die | |
Flexibilität schätzen. „Sie reisen lieber mit dem eigenen Pkw an und suchen | |
sich ein günstiges Hotel im Umkreis.“ | |
Bei dieser Europameisterschaft dürfte sich das Auto allerdings doppelt | |
lohnen, denn die Hotels und Ferienhäuser im Zentrum der Städte sind zur EM | |
extrem teuer und oft schon ausgebucht. „Die größte Nachfrage beobachten wir | |
derzeit für Paris“, so Stefan Mantwill, Geschäftsführer des | |
Ferienhausvermittlers Travanto.de. Etwa 150 Euro pro Nacht müssten Fans | |
einkalkulieren. Er empfiehlt, in Randgebiete auszuweichen. | |
Gerd Wagner hingegen beobachtet oft noch kurzfristige Preissenkungen: „Die | |
meisten Hotelbesitzer merken kurz vor Turnierbeginn, dass sie die Zimmer | |
doch nicht vollkriegen.“ Wer spontan ist, kann also mit kurzfristiger | |
Buchung noch ein Schnäppchen machen. | |
Ohnehin bringe kaum ein Fan das ganze Turnier über Einnahmen. Die | |
Deutschen, so Wagner, führen meist für ein paar Tage zur EM. „Die Mehrheit | |
schaut sich ein oder zwei Spiele an und fährt dann wieder. Manche kommen | |
später zum Achtelfinale oder Viertelfinale wieder, je nachdem, wie sich die | |
Nationalelf schlägt.“ Weil Frankreich quasi um die Ecke liegt, kann man das | |
schon mal machen. | |
Die Alternative für Bleibewillige: ein Fußballspiel in Verbindung mit einem | |
Familienurlaub, zum Beispiel im Ferienhaus am Meer. Wie viele Familien | |
kommen werden, ist allerdings angesichts der Terrorwarnungen fraglich. | |
Vielleicht bleibt manch einer doch lieber in der Unterkunft an der Côte | |
d’Azur. | |
Und dann bleibt noch die Frage nach dem Ticket. Dafür sorgen auch die | |
meisten Veranstalter nicht; der mündige Fan muss sich schon selbst kümmern. | |
Kurz vor Turnierbeginn gab es auf der Website der Uefa noch ganz legal | |
EM-Tickets zu kaufen – allerdings sollte der Käufer keine allzu hohen | |
Ansprüche an die Partie haben. Island gegen Österreich oder Ukraine gegen | |
Nordirland heißen die Partien, für die es Restkarten gibt. | |
## Abzocke vorm Stadion | |
Die deutschen Partien sind offiziell längst ausverkauft; Tickets werden | |
aber auf Plattformen wie Viagogo zahlreich angeboten. Für 78 Euro gibt es | |
zum Beispiel Karten fürs deutsche Eröffnungsspiel gegen die Ukraine. Ein | |
Restrisiko ist dabei: Die Tickets sind personalisiert; bei einer | |
Ausweiskontrolle am Stadion kann der Traum vom EM-Spiel platzen. Ob aber | |
vor dem Stadion Pässe kontrolliert werden, ist unklar. | |
Wer ganz spontan ist, kann auch in Frankreich auf dem Schwarzmarkt kaufen. | |
„Die Erfahrungen zeigen, dass es in Frankreich einen Schwarzmarkt geben | |
wird“, so Wagner. Angebot und Nachfrage sind zumeist groß; Verkäufer sind | |
oft im Bereich der Public-Viewing-Areas oder an den Spieltagen rund ums | |
Stadion unterwegs. | |
Die Herausforderung: sich dabei nicht abzocken lassen und sicher sein, dass | |
die angebotenen Tickets auch wirklich echt sind. Am Ende kann man auch mal | |
mit leeren Händen dastehen. Immerhin, auch dann gibt es noch eine Option: | |
mit den netten französischen Nachbarn vor Ort in die Kneipe oder zum Public | |
Viewing gehen. EM-Spielorte wie Marseille und Bordeaux sind ja auch ohne | |
Stadionbesuch ganz hübsch. | |
11 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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