| # taz.de -- Anschlagsort in Tel Aviv: Bars, Bibelworte und Hakenkreuze | |
| > Der Anschlag geschah in einem Vergnügungsviertel Tel Avivs. Früher war es | |
| > ein Dorf evangelischer deutscher Pietisten. | |
| Bild: Das heutige Vergnügungsviertel Sarona wurde 1871 als Dorf von deutschen … | |
| Berlintaz || Kneipen, Weinbars, Cafés, Designerläden, dazwischen | |
| Grünflächen und Springbrunnen: Sarona, der Ort des Attentats im Zentrum Tel | |
| Avivs nahe der Stadtautobahn, ist ein angesagter Hotspot für Tel Aviver wie | |
| Touristen. Er ist nicht gerade preiswert, spiegelt aber doch das lässige | |
| Lebensgefühl der Stadt wider. Hierher kommen Familien ebenso gern wie | |
| Pärchen. | |
| Ihren besonderen Charme erhält Sarona durch seine 37 steinernen, mit großer | |
| Sorgfalt restaurierten Häuser aus dem 19. Jahrhundert, die, eingezwängt | |
| zwischen Hochhäusern, ein wenig an baden-württembergische Dorfbahnhöfe | |
| erinnern. | |
| Tatsächlich ist Sarona eine urdeutsche Siedlung, gegründet im Jahr 1871. | |
| Die ersten Bewohner stammten aus Württemberg. Sie gehörten der | |
| evangelisch-pietistischen Sekte der Templer an, die mit ihrem Umzug nach | |
| Palästina ihre Nähe zu Jerusalem demonstrieren wollten. Die Handwerker, | |
| Bierbrauer und Bauern schufen eine im damaligen Osmanischen Reich | |
| fortschrittliche ländliche Siedlung, die manchen Zionisten zu Beginn des | |
| 20. Jahrhundert als vorbildlich erschien. | |
| Doch dabei blieb es nicht. Nach 1933 wandten sich viele Templer, angezogen | |
| von völkischen Parolen, der NSDAP-Landesgruppe Palästina zu. Etwa ein | |
| Drittel der Erwachsenen trat der Nazipartei bei. Dort, wo am Mittwochabend | |
| vier Menschen bei dem Attentat starben, wehte einst die Hakenkreuzflagge – | |
| so wie in den anderen Templer-Dörfern im damals von den Briten verwalteten | |
| Palästina auch. | |
| Viele Templer folgten im August 1939 einem geheimen Funkspruch und reisten | |
| in die alte Heimat, um dort in der Wehrmacht zu kämpfen. Die Verbliebenen | |
| wurden als „feindliche Ausländer“ von den Briten zuerst interniert und | |
| schließlich zum größten Teil nach Australien gebracht oder gegen im | |
| Nazireich festgehaltene Juden ausgetauscht. In den Weinkellern des | |
| geräumten Sarona versteckten jüdische Untergrundkämpfer Maschinen und | |
| andere Gegenstände. Die letzten Templer wies der junge Staat Israel kurz | |
| nach seiner Gründung 1948 aus. Sarona aber wurde militärisches Sperrgebiet, | |
| genutzt vom nahen Verteidigungsministerium. Vor einigen Jahren, als das | |
| Militär das Viertel freigab, sollten die heruntergekommenen | |
| Templer-Häuschen abgerissen werden. In letzter Minute besann sich die | |
| Stadtverwaltung und beschloss eine aufwändige Restaurierung. | |
| So kommt es, dass am Ort des Attentats in deutscher Sprache und in | |
| gotischen Lettern die Inschrift „Trachtet als Erstes nach dem Reich Gottes“ | |
| zu finden ist. | |
| 10 Jun 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
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