# taz.de -- Champions-League-Finale: Real bezwingt Atlético | |
> Mit 6:4 nach Elfmeterschießen gewinnt Real Madrid gegen Atlético – und | |
> holt sich den elften Sieg in der Champions League. | |
Bild: Anweisungen hinter vorgehaltener Hand: Trainer Zinedine Zidane (r.) und C… | |
MAILAND taz | Es gibt ihn also doch, diesen Moment, wo selbst Diego Simeone | |
vor dem Spielende den Glauben an seine Mannschaft verliert. Als Juanfran | |
beim Elfmeterschießen nur den Pfosten traf, da hatte auch den Trainer von | |
Atlético Madrid die Schockstarre übermannt. Die Hoffnung auf eine letzte | |
glückliche Wendung war jetzt selbst bei ihm, dem größten Prediger des | |
unermüdlichen Kampfes, dahin. Und so sah er desillusioniert zu, wie Ronaldo | |
wenige Minuten vor Mitternacht im San Siro Stadion die ganz große Egonummer | |
dargeboten bekam. | |
Breitbeiniger denn je trat der portugiesische Stürmer zum letzten Elfer an. | |
Und tatsächlich war es ihm vorbehalten, den Schlussstrich unter dieses | |
dramatische Spiel zu ziehen und mit großer Pose die Siegesfeier zum elften | |
Champions-League-Gewinn von Real Madrid einzuleiten. Binnen Sekunden wurde | |
er von einer weißen Spielertraube begraben. | |
Zuvor noch war Simeone nach verwandelten Elfmetern seines Teams auf die | |
Tribüne mit den Atlético-Fans zugerannt, um sie mit wild fuchtelnden Armen | |
zu animieren, die Real-Versuche vom Strafstoßpunkt mit einem noch | |
ohrenbetäubenderen Pfeifkonzert zu untermalen. Der Argentinier dirigierte | |
die eigenen Anhänger ebenso wie seine Mannschaft. Er wirkte wie so häufig | |
an vielen Fronten, um endlich die Krönung seiner Mission zu vollenden – | |
einen Außenseiter über den unbedingten Glauben an den eigenen Erfolg zu | |
eben diesem Erfolg zu führen. | |
Im Champions League-Finale vor zwei Jahren wäre es ja gegen Real schon | |
beinahe soweit gewesen, doch in der Nachspielzeit traf Ramos zum Ausgleich. | |
Der Grundstock zur bitteren Wende. Der Pfostenschuss von Juanfran, das | |
wurde in der späten Nacht von Mailand unterdessen bereits spürbar, hat | |
fundamentalere Bedeutung. In seinem schwarzen Hemd und Jackett sah Simeone | |
ja bereits sowieso wie ein Teilnehmer einer Beerdigung aus. Der Zweifel, | |
der ihn nach dem Scheitern von Juanfran befiel, hatte grundsätzlichere | |
Ausmaße. Und als dann die Frage nach dem möglichen Ende seiner Mission von | |
Madrid im Raum stand, machte er aus seiner Unentschlossenheit keinen Hehl: | |
„Ich bevorzuge es, nachzudenken. Ich werde nach Hause gehen. Jetzt müssen | |
wir erst einmal unsere Wunden lecken.“ | |
## Ausgebliebener dritter Geniestreich | |
Mit Barcelona und dem FC Bayern hatte Atlético bereits zwei der drei | |
weltbesten Teams, wie Simeone zuletzt immer betonte, bereits ausgeschaltet. | |
In diesen Spielen begünstigte die Herausforderer aus Madrid auch das Glück. | |
Real hätte nun der dritte Geniestreich werden sollen. Eine Konstellation, | |
die sich so schnell wohl kaum ein weiteres Mal ergeben wird. Bei der Frage, | |
welche Finalniederlage gegen den Stadtrivalen denn schmerzlicher gewesen | |
sei, wollte Simeone sich nicht festlegen. Er behauptete: „Ich weiß es | |
nicht. Ich weiß, dass es weh tut, die traurigen Leute zu sehen, die sich | |
Tickets gekauft und hierhergekommen sind. Ich fühle mich verantwortlich, | |
dass ich ihnen nicht gegeben habe, was sie wollten.“ | |
Seine vagen Aussagen zur Zukunft ließen aber jeden ahnen, dass dieser | |
zweite Fehlversuch wesentlich mehr ins Wanken bringt. Der Glaube an seine | |
Mission ist stark erschüttert. Und trösten konnte man einen so kategorisch | |
denkenden Menschen wie Simeone, der sich so nah am großen Ziel wähnte, in | |
diesem Moment sowieso nicht. Er sagte: „Das Team, das gewinnt, ist immer | |
das bessere Team.“ | |
Angesichts der Sinnkrise bei Atlético mutete es an diesem Abend recht | |
seltsam an, dass sich Real-Trainer Zinedine Zidane wie ein gelehriger | |
Simeone-Jünger aufführte: „Ich glaube, Arbeit ist wichtiger als Qualität�… | |
sagt der Coach des wieder einmal triumphierenden Starensembles. Der einst | |
so große Künstler auf dem Feld, der erst vor fünf Monaten das Traineramt | |
bei Real übertragen bekam, redete zuletzt immerzu vom Laufen und Leiden. | |
Und vielleicht wurde auch deshalb schon wieder über seine Ablösung im Fall | |
des Scheiterns in Mailand spekuliert. | |
## Verkehrte Rollen | |
Bei diesem Finale verkehrten sich dann tatsächlich auch noch die Rollen, | |
die man den Teams jeweils zugeschrieben hatte. Nach dem frühen | |
Führungstreffer von Sergio Ramos (15.), der allerdings im Abseits stand, | |
überließ Real den Defensivkünstlern von Atlético den Ball und das Spiel | |
beschränkte sich selbst vornehmlich aufs Verteidigen. Daraus resultierte | |
eine höchst ungewöhnliche Ballbesitzstatistik von 54:46 zugunsten von | |
Atlético Madrid. Der Außenseiter wirkte lange mit dieser Gestaltungsaufgabe | |
überfordert. | |
Erst in der zweiten Hälfte, als das Team von Zidane es mit der Passivität | |
übertrieb, erspielte sich Atlético mehr Gelegenheiten. Toni Kroos räumte | |
ein: „Wir haben das dann nicht so gut ausgespielt, und ein bisschen zu | |
wenig den Ball gehabt. Wir sind viel hinterhergelaufen.“ Auch deshalb | |
tauschte Zidane den durchaus überzeugenden deutschen Nationalspieler aus | |
taktischen Gründen für den offensivstärkeren Isco aus. Der Trainerneuling | |
schöpfte eine knappe Viertelstunde vor Ende der regulären Spielzeit auch | |
seine letzte Wechselmöglichkeit aus (Lucas Vázquez für Karim Benzema). | |
Der Ausgleichstreffer fiel dennoch. Der Coach schien sich verzockt zu | |
haben. Der von Simeone eingewechselte Yannik Carrasco schoss nicht nur das | |
Tor, sondern stellte die Abwehr von Real mit seinem beherzten und | |
trickreichen Auftritt vor große Probleme. | |
Im Fall einer Niederlage wäre damit das Ende der Ära Zidane, bevor sie | |
überhaupt richtig begonnen hat, sehr wahrscheinlich geworden. Kleinigkeiten | |
können nicht nur über ein Spiel, sondern auch über Karrieren entscheiden. | |
So wurde nun der scheue Zidane dazu aufgefordert, zu erklären, wie er | |
dieses Team so erfolgreich gemacht hat. „Ich habe meine positive | |
Einstellung zu Real gebracht“, antwortete der 43-Jährige, der nun als | |
Spieler, Assistenz- und Cheftrainer jeweils die Champions League mit Real | |
Madrid gewann. Und dann fand er doch noch etwas kräftigere Worte, um der | |
Bedeutung des Moments gerecht zu werden: „Es ist das Team, das mich zum | |
Größten gemacht hat.“ | |
29 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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