# taz.de -- Streit über Steuermoral: Griechenlands Fiskus fehlen Milliarden | |
> Statistiken zeigen, dass die Bürger des Krisenstaats europaweit am | |
> wenigsten Steuern zahlen. Bloß: Was ist die Schlussfolgerung daraus? | |
Bild: Auch so kommen manche Griechen zu Geld: Straßenszene in Athen | |
ATHEN taz | | Die Zahlen stammen vom Internationalen Währungsfonds (IWF) – | |
und sind alarmierend: Von 100 Euro Steuerausstand zahlen die Griechen nur | |
noch 45 Euro. Es ist die höchste Ausfallquote in Europa. Sie hat zur Folge, | |
dass dem Fiskus derzeit 87 Milliarden Euro an Steuern fehlen – immerhin die | |
Hälfte der jährlichen Wirtschaftsleistung. Dabei sind in Griechenland so | |
viele Menschen von der Steuerpflicht ausgenommen wie in keinem anderen Land | |
der Eurozone. Der Steuer-Grundfreibetrag ist so hoch, dass ihn mehr als die | |
Hälfte aller griechischen Haushalte nicht erreichen, im Eurodurchschnitt | |
sind es nur 9 Prozent. | |
Die Interpretation der Zahlen ist höchst unterschiedlich: Es sei | |
„fragwürdig, von den Steuerzahlern anderer Länder in Europa höhere Beiträ… | |
zur Sanierung Griechenlands zu verlangen, weil die griechischen Bürger die | |
fälligen Steuern nicht zahlen“, sagte der neue Chef des konservativen | |
Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Clemens Fuest, in der | |
vergangenen Woche zur FAZ. | |
Dagegen spekulieren griechische Medien, der IWF wolle so ein weiteres | |
Argument für einen Schuldenschnitt liefern – und darauf hinweisen, dass | |
Steuererhöhungen die Finanzprobleme nicht lösen, sondern, im Gegenteil, die | |
Rezession auch noch verschärfen würden. Allerdings: Ist die IWF-Statistik | |
eigentlich stimmig? | |
Panagiotis Petrakis ist Wirtschaftsprofessor an der Universität Athen und | |
Verfasser zahlreicher Schriften zur Schuldenkrise und bittet um eine | |
nüchterne Betrachtung der Dinge. Zur Steuerschuld in Höhe von 87 Milliarden | |
gehörten nicht nur Forderungen des aktuellen Finanzjahres, sondern vor | |
allem Altschulden, mahnt Petrakis. Ein Teil davon entfalle vermutlich auf | |
Staatsunternehmen. Was die Privatschuldner betrifft: Vielen Menschen fehle | |
schlicht das Geld, um Steuerschulden zu begleichen. Viele Mittelschichtler | |
hätten ihren Job verloren, müssten aber die stetig steigenden | |
Immobiliensteuern weiterhin zahlen – oder ihre Lebensinvestition, also Haus | |
oder Grundstück, aufgeben. | |
Trotzdem hätten die griechischen Finanzbehörden zuletzt deutliche | |
Fortschritte erzielt, betont Petrakis: Der Anteil der Schattenwirtschaft am | |
Bruttoinlandsprodukt liege derzeit bei 22 Prozent, noch vor wenigen Jahren | |
wurde er auf knapp 30 Prozent berechnet. Natürlich seien die Zahlen des IMF | |
nicht verkehrt, sagt Petrakis. Und fügt hinzu: „Die Frage ist nur: Was | |
bezwecken wir mit diesen Zahlen? Ich fürchte, eine Schlussfolgerung in der | |
Richtung, dass ausländische Finanzhilfen ausbleiben sollen, bis alle | |
Steuerschulden eingetrieben sind, geht an der Realität vorbei, selbst wenn | |
sie rein ökonomisch Sinn macht.“ | |
6 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Jannis Papadimitriou | |
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