Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verfahren gegen Container-Aktivisten: Das ist doch kein Diebstahl
> Der notorische Ökoaktivist Jörg Bergstedt ist mal wieder beim Klauen
> erwischt worden. Er hatte sich schon auf den Prozess gefreut – und dann
> das.
Bild: Mundraub: Macht auch er sich strafbar?
Berlin taz | Zugegeben: Dass die Staatsanwaltschaft Gießen den notorischen
Schwarzfahrer und Müllentsorger Jörg Bergstedt gerne vor Gericht sehen
möchte, ist ihr kaum zu verübeln. Bergstedt, der im hessischen Örtchen
Saasen mit radikalen UmweltaktivistInnen Protestseminare für Oppositionelle
anbietet, hat diese Leidenschaft für Rechtsbrüche: Er fährt im öffentlichen
Nahverkehr schwarz und ernährt sich von Lebensmitteln aus Müllcontainern
der umliegenden Supermärkte.
Vor allem aber mag er es, die anschließenden Gerichtsprozesse für
politische Kampfauftritte zu nutzen. Was hatte er sich schon auf den
nächsten Prozesstermin gefreut. Und dann das: Ausgerechnet das Unternehmen,
bei dem er sich bedient hat, teilt inzwischen seine Rechtsposition.
Containern? Ist doch kein Diebstahl.
Im Oktober 2015 war Jörg Bergstedt mal wieder dabei erwischt worden, wie er
aus einem Müllcontainer einer Tegut-Filiale in Gießen abgelaufene und
deswegen entsorgte Lebensmittel mitnahm. Diese Art der
Lebensmittelbeschaffung, das Containern, ist inzwischen zum Gegenstand
eines kleinen Kulturkampfs geworden, der oft vor deutschen Amtsgerichten
ausgefochten wird.
Supermärkte sehen dabei oft ihr Eigentum entwendet. UmweltaktivistInnen
argumentieren dagegen, es handle sich doch nur um Müll, der ohnehin zur
Entsorgung gedacht war. Sie sehen in ihrem Kampf gegen die
Wegwerfgesellschaft eine gute Tat für die Allgemeinheit.
## Von ganz oben klären lassen
Juristisch ist die Frage nicht eindeutig geklärt: Hat ein Eigentümer seinen
Eigentumsanspruch nicht aufgegeben, wenn er etwas in der Mülltonne
entsorgt? Eine höchstrichterliche Entscheidung dazu gibt es nicht. Auch
deshalb steht Bergstedt gern mit dem Diebstahlvorwurf vor Gericht. Er
möchte die Frage von ganz oben klären lassen.
Im aktuellen Fall hatte die Staatsanwaltschaft Gießen, bei der Bergstedt
ein alter Bekannter ist, zunächst Ermittlungen gegen ihn aufgenommen. Das
Amtsgericht hatte ihn für Ende Juni zum Prozesstermin geladen. Vorwurf:
Diebstahl.
Doch dann bekam die Staatsanwaltschaft ein Problem. Denn Tegut, die
vermeintlich beklaute Firma, weigerte sich, einen Strafantrag zu
unterzeichnen. Das Unternehmen, das mit regionalen, biologischen und fair
gehandelten Produkten für sich wirbt, stellte gegenüber der
Staatsanwaltschaft in Zweifel, dass es sich beim Containern um Diebstahl
handle. Außerdem habe weder das Unternehmen noch die Öffentlichkeit
Interesse daran, die vermeintliche Straftat zu verfolgen.
Die Staatsanwaltschaft musste den Vorwurf fallen lassen. Sie zitiert
Bergstedt dennoch vor Gericht – allerdings wegen einer anderen Sache.
Bergstedt wiederum darf sich nun mit dem Unternehmen Tegut über einen
prominenten Unterstützer freuen. Vor allem aber ärgert er sich: Nun kann
ihm schon wieder kein Richter recht geben in der Sache mit dem Diebstahl.
24 May 2016
## AUTOREN
Martin Kaul
## TAGS
Containern
Lebensmittel
Staatsanwalt
Schwerpunkt taz Leipzig
Foodsharing
Lebensmittel
Müll
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gedanken beim Containern: Mampf und Kampf
Essen, das sich in den Abfalleimern der Discounter findet, als Mittel im
Kampf gegen den Kapitalismus? Warum nicht! Ein Bekenntnis.
Hygiene bei öffentlichen Kühlschränken: Foodsharing kämpft um „Fairteiler…
Berliner Behörden wollen wegen Gesundheitsrisiken Auflagen durchsetzen.
Essensretter halten das für unverhältnismäßig. Sie mobilisieren ihre
Unterstützer.
Kongress zu Foodsharing: Das ist doch noch gut!
Wie containern, nur professioneller und legal: Foodsaver retten
Lebensmittel vor der Tonne. Über das Netz ist die Bewegung bestens
organisiert.
Abfall bald einheitlicher: Neue Werte für alte Tonnen
Nicht alles Plastik gehört in die gelbe Tonne. Viele kümmert das wenig.
Umweltministerin Hendricks will mit einer Wertstofftonne Klarheit schaffen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.