| # taz.de -- Ermittlung gegen Anti-Mafia-Journalisten: Der Herr nimmt | |
| > Pino Maniaci ist einer der bekanntesten Anti-Mafia-Aktivisten Italiens. | |
| > Doch nun kam heraus, dass er wohl selbst Politiker erpresste. | |
| Bild: Der Magistrat von Palermo (l.) und Pino Maniaci (r.) bei dessen Buchvorst… | |
| So kennt man die Mafiosi: Ein Mann, Wollmütze ins Gesicht gezogen, baut | |
| sich direkt vor seinem Opfer auf, drückt ihm den Zeigefinger auf die Brust | |
| und droht mehr oder minder offen: Entweder rückst du Bares raus – oder es | |
| gibt ordentlich Ärger. | |
| Doch der, der da Schutzgeld erpresst, ist gar kein Cosa-Nostra-Mann, | |
| sondern einer der berühmtesten Anti-Mafia-Aktivisten Siziliens, ja ganz | |
| Italiens: der TV-Journalist Pino Maniaci. Und sein Gegenüber ist der | |
| Bürgermeister von Borgetto, einer Kleinstadt 30 Kilometer westlich von | |
| Palermo. Gleich im Nachbarort, in Partinico, betreibt Maniaci seinen | |
| Privatsender Telejato mit einem Programm, das vor allem von Enthüllungen | |
| über die Bosse lebt. Oder aber davon, echte oder vermeintliche Enthüllungen | |
| auch mal bleiben zu lassen. | |
| Dem Bürgermeister jedenfalls erzählte der Journalist in dem von den | |
| Carabinieri gefilmten Gespräch, er wisse von einem Dossier, das bei der | |
| Präfektur liege. Die Töne sind eines Bosses würdig: „Ich habe dich gewarnt, | |
| ihr haltet an eurem falschen Verhalten fest, die Präfektin ist eine | |
| Freundin von mir.“ Im Dossier sei die Rede von mit der Mafia verbandelten | |
| Stadträten – und sein Schweigen habe einen Preis: 466 Euro, „die brauche | |
| ich, ich muss jetzt nämlich auf die Bank“. Das Stadtoberhaupt greift in | |
| seine Hosentasche, holt ein Geldbündel raus, zahlt anstandslos. | |
| Ein anderes Mal beschwert sich einer der Stadtdezernenten, Maniaci wolle | |
| ihm Anti-Mafia-Shirts für 2.000 Euro aufnötigen, „das ist Erpressung“. | |
| ## Kleiner Ganove | |
| Der große Anti-Mafia-Journalist als kleiner Ganove, der von seinen | |
| angeblichen Gegnern vor allem eines gelernt hat: hinter einer respektablen | |
| Fassade unrespektable Aktivitäten abzuwickeln. Und die Ermittler haben bei | |
| vielem mitgehört. So gelingt es Maniaci, seiner Geliebten eine Anstellung | |
| im Rathaus von Partinico zu verschaffen, am Telefon jubelt sie: „Ich | |
| arbeite im Büro des Bürgermeisters!“ Und er freut sich: „Hast du gesehen, | |
| welchen Respekt sie mir entgegenbringen?“ Gleich darauf legt er nach, er | |
| fahre jetzt beim Bürgermeister vorbei, um 100 Euro zu kassieren, „und dann | |
| gehst du für dich und deine Kinder einkaufen“. Die Angebetete jubiliert ins | |
| Telefon: „Du ganz allein mit deinem Fernsehen bringst alle zum Zittern.“ | |
| Seit Jahren schon ist Maniaci weit über Sizilien hinaus bekannt, zum | |
| Beispiel weil der Sohn eines Mafiabosses ihm einmal ein blaues Auge schlug | |
| und er gleich darauf auf Sendung ging. An der Tür seines Senders prangt ein | |
| Schild mit dem Text „Ein Volk, das Schutzgeld zahlt, ist ein Volk ohne | |
| Würde.“ Selbst international gewann Maniaci Aufmerksamkeit; auch [1][die | |
| taz widmete ihm im Jahr 2010 eine Reportage]. Ende 2014 war er wieder in | |
| der Presse, nachdem seine zwei Hunde umgebracht worden waren. Sogar | |
| Ministerpräsident Matteo Renzi rief persönlich an, um Solidarität im Kampf | |
| gegen die Mafia zu bezeugen. | |
| Maniaci allerdings kannte den wahren Täter: den aus ganz privaten Gründen | |
| wutentbrannten Mann seiner Geliebten. „Das Schwein bringe ich um!“, brüllt | |
| Maniaci, legt aber gleich nach, „jetzt kommt aber nicht raus, dass er das | |
| war. Jetzt wird publik, dass das ein Einschüchterungsakt war, dann müssen | |
| sie mir Begleitschutz geben.“ Später triumphiert er, sogar „Renzi, dieses | |
| Arschloch, hat mich angerufen“! Am Ende träumt Maniaci gar davon, seine | |
| permanenten Geldsorgen ein für allemal zu lösen. „Bürgermeister oder | |
| Parlamentsabgeordneter in Rom“ wolle er werden, „mit 22.000 Euro pro Monat, | |
| Dienstwagen, Begleitschutz, Fahrer“. | |
| Vorerst ist dieser Traum beendet. Maniaci hat ein Verfahren wegen | |
| Erpressung am Hals, und die Staatsanwaltschaft erteilte ihm ein | |
| Aufenthaltsverbot für die Provinzen Palermo und Trapani. Auf den | |
| untadeligen Journalisten waren die Fahnder bei Ermittlungen im Rathaus von | |
| Borgetto gestoßen. Sie hatten das Büro des Bürgermeisters verwanzt, weil | |
| sie mafiösen Verstrickungen der Stadtspitze nachgehen wollten. Von denen | |
| fand sich keine Spur – wohl aber von der bizarren Arbeitsweise Maniacis, | |
| der wohl unter dem Fähnchen des furchtlosen Kampfes gegen das organisierte | |
| Verbrechen als Provinzboss in eigener Sache agierte. | |
| 9 May 2016 | |
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| Michael Braun | |
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