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# taz.de -- Leicester City ist englischer Meister: Das Märchen der Füchse
> Der Papst tritt einem Protestantenklub bei? Das Ungeheuer von Loch Ness
> wird entdeckt? Beides schien denkbarer als Leicesters Titelgewinn.
Bild: Ja, ich bin ein Meister-Fuchs! Auch für den Ex-Schalker Christian Fuchs …
Claudio Ranieri war der letzte Mensch in England, der erfuhr, dass seine
Mannschaft Leicester City die Premier League gewonnen hat. Der Trainer
hatte seine 96-jährige Mutter in Italien besucht und war auf dem Rückflug,
während der entthronte Vorjahresmeister FC Chelsea seinem Team die
Meisterschaft sicherte.
Leicesters letzter verbliebener Konkurrent, Tottenham Hotspur, hatte
bereits 2:0 im Londoner Stadion an der Stamford Bridge geführt, doch
Chelsea schaffte kurz vor Schluss den Ausgleich und beerdigte damit die
theoretische Chance der Spurs auf die Meisterschaft.
Ausgerechnet Chelsea. Ranieri hatte die Mannschaft ab 2000 trainiert, doch
als der russische Milliardär Roman Abramowitsch den Verein vier Jahre
später kaufte, warf er Ranieri hinaus. Er sei nicht kämpferisch genug, um
einen Titel zu erringen, meinte der Russe. Bisher stimmte das auch, Ranieri
hatte mit Neapel, Florenz, AS Rom, Atlético Madrid, Valencia, Juventus und
Inter keine Meisterschaft gewonnen und war meist vorzeitig entlassen
worden.
Der 64-jährige bekam den Job in Leicester im vergangenen Juli nur deshalb,
weil der Verein seinen Vorgänger Nigel Pearson hinausgeworfen hatte. Dessen
Sohn James Pearson war einer von drei Nachwuchsspielern, die sich während
der Thailand-Tour nach der Saison mit einheimischen Frauen im Hotelzimmer
vergnügten und sie dabei rassistisch beleidigten. Da die Fußballer ihre
kleine Orgie mit einer Handykamera aufgenommen und das Filmchen an Freunde
nach England gemailt hatten, kam die Geschichte heraus, und Nigel Pearson
musste für seinen Sohn büßen.
## Legende Gary Lineker lästerte: „Ranieri? Wirklich?“
Ranieris Ernennung löste Erstaunen aus. Leicesters legendärer Stürmer Gary
Lineker twitterte: „Ranieri? Wirklich?“ Bei den Buchmachern war Ranieri
Favorit, als erster Trainer der Saison entlassen zu werden. Nach dem Sieg
im Eröffnungsspiel gegen Sunderland behauptete Ranieri, er habe seine
Spieler mit der Musik der lokalen Rockband Kasabian motiviert.
Nach dem ersten Sieg ohne Gegentor am zehnten Spieltag lud er das Team zu
Pizza und Champagner ein. Als die Füchse, wie das Team aus den East
Midlands genannt wird, zu Weihnachten immer noch die Tabelle anführten,
begannen manche, an die Sensation zu glauben – darunter die Buchmacher.
Sie hatten vor der Saison Quoten von 5.000:1 angeboten. Zehnmal
wahrscheinlicher erschien es ihnen, dass das Ungeheuer von Loch Ness
gefunden würde. Ein Einsatz des Papstes beim Protestantenverein Glasgow
Rangers erwarteten die Buchmacher ebenfalls eher als den Triumph von
Leicester City.
Wer zu Saisonbeginn zehn Pfund gesetzt hat, ist jetzt ein reicher Mann. Und
einige haben tatsächlich an Leicester City geglaubt. Die aufgeschreckten
Buchmacher boten ihnen zu Weihnachten an, die Wette für 8.000 Pfund
zurückzukaufen.
## Bald werden wieder die Marktmechanismen greifen
22 Mal in der Vereinsgeschichte war der Klub auf- oder abgesteigen, und im
Januar vorigen Jahres deutete sich der nächste Abstieg an. City lag
abgeschlagen am Tabellenende. Dann gewann man sieben der nächsten neun
Spiele und rettete sich um Haaresbreite.
Ein Jahr später ist Ranieris Team dank des Punktverlustes von Tottenham bei
Chelsea vorzeitig Meister. Die Leicester-Spieler hatten die Begegnung bei
Jamie Vardy zu Hause in Melton Mowbray im Fernsehen verfolgt. Wes Morgan,
der Mannschaftskapitän, sagte danach: „Es ist das tollste Gefühl meiner
Karriere. Ich könnte nicht stolzer sein, Teil dieses Teams zu sein. Wir
alle haben schwer dafür gearbeitet, und niemand glaubte, dass wir es
schaffen könnten, doch nun sind wir Champions, und zwar verdientermaßen.“
Einen großen Anteil an der Meisterschaft haben die Talent-Scouts des
Vereins. Sie holten die bis dahin unbekannten Stürmer Vardy und Riyad
Mahrez für insgesamt knapp 1,5 Millionen Pfund nach Leicester. Vardy
stellte einen neuen Rekord auf, als er in elf aufeinanderfolgenden Spielen
ein Tor erzielte und daraufhin mit 28 Jahren in die englische
Nationalmannschaft berufen wurde. Der vier Jahre jüngere Mahrez ist nicht
nur Vorlagengeben für Vardy, sondern schießt selbst auch Tore.
Beide Spieler werden kaum in Leicester zu halten sein, die großen Klubs
werden sie weglocken, darunter wohl auch Chelsea, welches das
Fußballmärchen mit dem Unentschieden gegen Tottenham am Montagabend perfekt
machte. Am 15. Mai können sich die Leicester-Spieler persönlich beim FC
Chelsea bedanken. Dann treten sie zum letzten Saisonspiel an der Stamford
Bridge an und können beim noch amtierenden englischen Meister die
Siegerschale gleich mitnehmen.
3 May 2016
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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