| # taz.de -- Fußballer über Leicester City: „Füreinander den Arsch aufreiß… | |
| > Kürzlich Abstiegskandidat, nun Titelchancen in der Premier League: | |
| > Christian Fuchs über das mittelgroße Fußballwunder Leicester City. | |
| Bild: „Defensiv hart im Verbund stehen“ – ein Grund für den Erfolg laut … | |
| Spieltag 28 in der englischen Premier League, der besten Fußballiga der | |
| Welt: Ein Klub aus dem vergleichsweise kleinen Leicester (330.000 | |
| Einwohner), 150 Kilometer nördlich von London gelegen, steht immer noch an | |
| der Spitze der Tabelle – vor den großen Klubs aus Manchester und London. | |
| Das ist, als tauchte Darmstadt 98 plötzlich ganz oben in der | |
| Bundesligatabelle auf. Der Österreicher Christian Fuchs ist | |
| Linksverteidiger bei Leicester City und hat nach dem Gipfelsturm der | |
| „Foxes“ plötzlich mehr Medienanfragen, als ihm lieb ist. Ein „notwendiges | |
| Übel“ nennt er das, lässt sich dann aber gut gelaunt auf die Fragen der taz | |
| ein. | |
| taz: Herr Fuchs, Ihr Nachname hat in England bisweilen für Irritationen | |
| gesorgt, weil man ihn, bei falscher Aussprache („Fucks“) missverstehen | |
| konnte. Hat sich das gebessert? | |
| Christian Fuchs: Die Leute haben es mittlerweile kapiert, ja. | |
| Sie haben unter dem [1][Hashtag #NoFuchsGiven] aber erst eine Kampagne | |
| starten müssen, mit lustigen Videos und schrägen Aktionen. | |
| Ich habe die Leute erziehen müssen. | |
| Sie schießen Ihrem Mannschaftskameraden Robert Huth Bälle mit Schmackes an | |
| den Hintern oder verpassen Angreifer Shinji Okazaki Ohr-Schnipser nach | |
| einer Sching-schang-schong-Zockerei. Es scheint ja sehr locker zuzugehen | |
| beim Tabellenführer der Premier League? | |
| Zu 100 Prozent. Das macht uns ja so stark. Wir sehen nicht alles so | |
| verdammt eng. Wir wollen diese Zeit genießen und das Beste daraus machen. | |
| Leicester steht ganz oben. Kann man da überhaupt locker bleiben? | |
| Der Druck kommt von Außen. Der lässt uns relativ kalt. Klar sind wir | |
| enttäuscht, wenn es mal nicht läuft, aber wir bleiben ruhig. Wir haben | |
| natürlich einen klaren Anspruch an uns selbst. | |
| Nämlich? | |
| Das machen, was wir können. Alles geben von Spiel zu Spiel. Was dann dabei | |
| herausspringt, kann man nicht immer beeinflussen. Die letzten beiden Spiele | |
| sind das beste Beispiel: Gegen Norwich lief es nicht so gut und wir | |
| gewinnen. West Brom spielen wir an die Wand und schaffen nur ein | |
| Unentschieden. So ist Fußball. | |
| Wie fühlt es sich an, Teil eines Fußball-Wunders zu sein? | |
| Es ist okay (lacht). Nein, natürlich ist es super. | |
| Alle Welt spricht von diesem Wunder. Nervt Sie das? Ist es womöglich gar | |
| kein Wunder? | |
| Wenn man es objektiv betrachtet, ist es natürlich schon ein Wunder, weil | |
| unsere Geschichte in Leicester komplett konträr ist zu dem, was in der | |
| Fußballwelt vorherrscht. Normalerweise kauft man Qualität und Erfolg mit | |
| viel Geld ein. Das lief in Leicester, wo man zuletzt lange in der dritten | |
| und zweiten Liga gekickt hat, anders. Aber wir sind mit voller Leidenschaft | |
| am Schaffen, haben Spaß. Es ist wie in einer Familie mit einem gewissen | |
| Wohlfühlfaktor. An uns sieht man, was man als Team alles erreichen kann. | |
| Was macht dieses Fußball-Wunder mit der Stadt Leicester? | |
| Im Lokal oder Café wird man öfters mal angesprochen. Man spürt den Stolz | |
| der Fans. | |
| Herr Fuchs, wissen Sie, was 1929 mit Leicester City passierte? | |
| Meinen Sie die Vizemeisterschaft? | |
| Richtig, Sie kennen sich ja gut aus! | |
| Ich bin gebrieft. | |
| Wäre es eine Enttäuschung für Sie, wenn Sie nur die Vizemeisterschaft | |
| feiern könnten? | |
| Nein, überhaupt nicht. Die Erwartungshaltung ist ja eine andere in | |
| Leicester. Jeder freut sich, einmal so eine Saison mit dem Klub erleben zu | |
| dürfen. | |
| Viele zweifeln daran, dass Leicester es schaffen kann, weil zum Beispiel | |
| Ihr Trainer, Claudio Ranieri, noch nie eine Meisterschaft gewinnen konnte, | |
| weswegen er den Spitznamen The Nearly Man trägt. | |
| Ich würde es ihm wünschen, dass er den Titel gewinnt. Es wäre so eine | |
| schöne Geschichte, die dann ihren Höhepunkt erreicht. Wir beweisen ja, dass | |
| man auch abseits des großen Geldes Erfolg haben kann, weil wir uns | |
| füreinander den Arsch aufreißen. Das sucht im Fußballgeschäft heutzutage | |
| seinesgleichen. | |
| Salopp gefragt: Bei Ihnen spielen keine Arschlöcher? | |
| Das trifft den Nagel auf den Kopf. | |
| Wie hat Claudio Ranieri, der mit viel Skepsis empfangen wurde, das Team | |
| hinter sich geschart? | |
| Durch seine Art. Er ist kein Trainer, der aufdringlich ist und unbedingt | |
| seinen Willen durchsetzen muss, sondern er sorgt für ein gutes Miteinander. | |
| Er ist sehr auf das Wohlbefinden seiner Spieler bedacht, ein lockerer Typ. | |
| Er hat auch nicht so viel umgestellt, weil er gesehen hat, dass wir viel | |
| Qualität haben, vor allem nach vorne. Aber als Italiener ist er natürlich | |
| sehr auf die Defensive bedacht. Da hat er ein paar Hebel umgelegt in | |
| unserem 4-4-2-System. | |
| Es heißt, er habe schon im Trainingslager vor der Saison die Herzen der | |
| Spieler gewonnen, weil er seinen Plan, extrem hart zu trainieren, fallen | |
| ließ und auch davon absah, große Taktikseminare abzuhalten. | |
| Das kam sehr gut an im Team, ja. | |
| Wie weit reichen die Freiheiten für einen Spieler unter Ranieri? | |
| Wir reden hier nicht von Catenaccio, aber er sieht es schon gern, wenn die | |
| Null steht, wir also kein Gegentor kriegen. Die Mannschaft muss defensiv im | |
| Verbund hart arbeiten. Das ist ihm wichtig. Kein Spieler ist sich zu | |
| schade, viel zu laufen. Und nach vorn haben wir viel individuelle Klasse. | |
| Spieler wie Jamie Vardy und Riyad Mahrez darf man nicht zu sehr | |
| einschränken mit vielen Vorgaben. Die wissen, was sie zu tun haben. | |
| Zu den Freiheiten, die Sie genießen, gehört offenbar auch, dass es keinen | |
| strengen Diätplan gibt, wie neulich in der Süddeutschen Zeitung zu lesen | |
| war. Für den Fall, dass Sie kein Gegentor bekommen, hat Ranieri regelmäßig | |
| Pizza versprochen. | |
| Ganz so lax ist es natürlich nicht. Es ist viel Eigeninitiative gefragt. | |
| Und das mit der Pizza ist jetzt schon ein Running Gag, aber ehrlich gesagt | |
| hat es erst einmal ein Pizza-Essen gegeben. | |
| Wo sich die Spieler angeblich mit Teig beworfen haben. | |
| Ja, so ist es. Aber das ist Leicester, diese gewisse Lockerheit, der Spaß, | |
| den man miteinander hat. | |
| Leicester City hat eine miese Passquote und wenig Ballbesitz. Wie passt das | |
| zu Platz eins in der Tabelle? | |
| Man kann Spiele mit Ballbesitz bestimmen. Man kann Spiele aber auch | |
| bestimmen, indem man auf frühe Balleroberungen aus ist, früh stört. Man | |
| kann es auch über eine starke Defensive lösen und mit schnellem | |
| Umkehrspiel. Jeder, der gegen Leicester spielt, weiß, dass er durch einen | |
| harten Defensivblock durchmuss. Wenn der Gegner einen Fehler macht, dann | |
| ist unser Umschaltspiel so schnell, dass sich der Gegner schwertut, | |
| vielleicht auch ein bisschen gehemmt ist. | |
| Der Klub gehört dem thailändischen Investor Vichai Raksriaksorn, der den | |
| hübschen Beinamen Srivaddhanaprabha (“Licht des fortschreitenden Ruhms“) | |
| trägt. Es heißt, er habe ein gewisses Thai-Flair in den Klub gebracht. | |
| Stimmt das? | |
| Es hängen Banner im Stadion, die von buddhistischen Mönchen gesegnet worden | |
| sind. Ich habe eh ein Faible für Buddha-Statuen. Die gefallen mir richtig | |
| gut. In meinem Haus kann man nirgendwo hinschauen, ohne einen Buddha zu | |
| sehen. Das beruhigt mich. | |
| Was ist in Leicester eigentlich anders als auf Schalke, wo Sie zuvor | |
| Fußball gespielt haben? | |
| Darüber möchte ich nicht mehr reden, weil es meine Vergangenheit ist. Ich | |
| habe mit Schalke komplett abgeschlossen. | |
| Wenn so ein Überraschungsteam wie Leicester City auftaucht, dann gibt es | |
| große Begehrlichkeiten. Der Marktwert wichtiger Spieler wie von Stürmer | |
| Jamie Vardy ist von 750.000 Euro auf 12 Millionen angestiegen, der von | |
| Mittelfeldspieler Riyad Mahrez von 1,25 auf 20 Millionen Euro. Wie kann das | |
| Team zusammengehalten werden? | |
| Das ist eine echte Herausforderung für die Klubverantwortlichen. Über kurz | |
| oder lang wird es aber nicht möglich sein. Das muss man ehrlicherweise | |
| sagen. | |
| Allerdings könnte Leicester bald noch bessere Gehälter zahlen. Allein durch | |
| die Teilnahme an der Champions League kämen etwa 50 Millionen Euro in die | |
| Kasse. | |
| Nicht nur das. Auch das TV-Geld, das wir in der nächsten Saison bekommen, | |
| würde durch den Spitzenplatz stark steigen. | |
| Ihr Vertrag läuft bis Sommer 2018. Werden Sie noch mal nachverhandeln, | |
| jetzt, wo es so gut läuft? | |
| Das ist eine Sache, über die nicht gesprochen wird. | |
| 5 Mar 2016 | |
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| ## AUTOREN | |
| Markus Völker | |
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