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# taz.de -- Leicester City in der Premier League: Überfall der Füchse
> Miese Passquote, keine Stars: Leicester City, trainiert von Claudio
> Ranieri, steht sensationell an der Spitze der englischen Premier League.
Bild: Ranieri hat Leicester City an die Spitze der Liga geführt
Statistisch gesehen ist Leicester City die Meisterschaft in der englischen
Premier League kaum noch zu nehmen. In den vergangenen elf Jahren haben
acht Mannschaften, die zu Weihnachten auf dem ersten Platz standen, am Ende
gewonnen. Aber Leicester, das als Abstiegskandidat gehandelt wurde?
Leicester, das am Boxing Day gegen Jürgen Klopps FC Liverpool dann doch die
zweite Saisonniederlage (0:1) hinnehmen musste?
Noch im Januar gab niemand mehr einen Pfifferling für die Füchse, wie das
Team aus den East Midlands genannt wird. City lag abgeschlagen am
Tabellenende. Dann lieh man sich den deutschen Nationalspieler Robert Huth
von Stoke City aus, und mit dessen Hilfe wurden sieben der nächsten neun
Spiele gewonnen. Das war die Rettung. Einen ähnlichen Überlebenskampf
prophezeiten die Experten dem Team in dieser Saison, zumal sie von Claudio
Ranieri, der das Team seit dem Sommer trainiert, nicht sehr viel hielten.
Der Italiener bekam den Job nur deshalb, weil die Milliardäre Vichai und
Aiyawatt Srivaddhanaprabha, die thailändischen Besitzer des Vereins, den
Vorgänger Nigel Pearson hinausgeworfen hatten. Dessen Sohn, der Verteidiger
James Pearson, war einer von drei Nachwuchsspielern, die sich während der
Thailand-Tour nach der Saison mit einheimischen Frauen im Hotelzimmer
vergnügten und sie dabei rassistisch beleidigt hatten. Da die Fußballer
ihre kleine Orgie mit einer Handykamera aufgenommen und das Filmchen an
Freunde nach England gemailt hatten, kam die Geschichte heraus, und Nigel
Pearson musste für seinen Sohn büßen.
Ranieri gilt als Gentleman, der jeden Journalisten zur Pressekonferenz mit
Handschlag begrüßt, aber man hielt seine taktischen Fähigkeiten für Schnee
von gestern. Leicesters legendärer Stürmer Gary Lineker moserte, Ranieri
sei eine „uninspirierte Wahl“. Er twitterte nach dessen Ernennung:
„Ranieri? Wirklich?“ Doch der Trainer hat sich inzwischen als Glücksgriff
entpuppt und die Skeptiker eines Besseren belehrt.
## EM schlägt Eheschließung
Eine seiner ersten Amtshandlungen war es, Flügelstürmer Jamie Vardy zum
Mittelstürmer umzuschulen. Vardy, der mit 17 von Sheffield Wednesday
aussortiert wurde und danach in den unteren Ligen herumdümpelte, bis er
2012 für eine Million Pfund von Leicester City gekauft wurde, hat in dieser
Saison in elf aufeinanderfolgenden Spielen ein Tor erzielt – ein Rekord in
der Premier League. Das brachte ihm im Mai die erste Berufung in die
englische Nationalmannschaft ein. Eigentlich wollte Vardy im Juni heiraten,
denn er hatte nicht damit gerechnet, mit 28 Jahren noch Nationalspieler zu
werden. Nun musste er den Hochzeitstermin wegen der Europameisterschaft
vorverlegen.
Nicht minder wichtig für Leicester ist Flügelstürmer Riyad Mahrez, der
Vardys Tore vorbereitet, aber auch selbst welche schießt. Er ist vier Jahre
jünger als Vardy. Für beide Stürmer musste City weniger als 1,5 Millionen
Pfund hinblättern. Heute sind sie mindestens das Zwanzigfache wert. Das
spricht für die hervorragende Arbeit der Talentscouts des Vereins. Bei
Mahrez werden im Sommer wohl die großen Clubs mit Koffern voller Geld
Schlange stehen.
Während Teams wie Barcelona auf Ballbesitz setzen, legt Ranieri keinen Wert
darauf. Nur Sunderland und West Bromwich haben weniger Ballbesitz als
Leicester, und kein Team der Premier League weist eine schlechtere
Passquote als die Füchse auf. Deren Stärke ist das überfallartige Kontern,
wenn Vardy und Mahrez ihre Schnelligkeit ausspielen. Bei der Balleroberung
ist keine Mannschaft der Liga besser als Leicester, was vor allem an dem
kleinen N’Golo Kanté liegt, der im Sommer aus Caen geholt wurde und auf
Anhieb einer der besten Abwehrspieler der Liga wurde.
So darf Leicester weiterhin vom ersten Titel träumen. Der größte Erfolg war
bisher die Teilnahme an vier Pokalendspielen, ohne die Trophäe jemals zu
gewinnen – auch ein Rekord. Aber kann das Team gegen die breiter besetzte
Konkurrenz längerfristig bestehen? Bislang profitiert man von deren
Schwäche.
Manchester City und Arsenal zeigen schwankende Form, Chelsea ist abgestürzt
und hat den egomanischen Trainer José Mourinho vor die Tür gesetzt, und
Manchester United hat es geschafft, mit der von Louis van Gaal verordneten
Spielweise die sonst so geduldigen Fans zu verärgern. Der Niederländer, der
seit seinem Amtsantritt im vorigen Jahr eine Viertelmilliarde Pfund für
neue Spieler ausgab, hat seine Mannschaft dermaßen verschüchtert, dass sie
aus Angst vor Fehlern die meisten Rückpässe der Liga spielt. Wenn die
Konkurrenz weiterhin so herumstümpert, könnte es für Leicester City trotz
Graumäusigkeit zum ersten Titel reichen.
27 Dec 2015
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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