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# taz.de -- FK Rostow in der russischen Premjer-Liga: Karriereplanung am Don
> FK Rostow steht auf Platz zwei der Premjer-Liga. Im Team spielt ein
> deutscher Profi, der über diesen Umweg in die Bundesliga gelangen will.
Bild: Will nach seiner Verletzung wieder durchstarten: Felicio Forbes Brown
Am Ende hatte der FK Tosno in der Relegation keine Chance. Der junge Klub
aus der Nähe von St. Petersburg verlor Hin- und Rückspiel gegen den FK
Rostow. Der Klub aus dem Süden Russlands sicherte sich den Klassenerhalt in
der höchsten Spielklasse des Landes. Ein halbes Jahr später steht die
Mannschaft aus der Millionenstadt, die etwa 1.000 Kilometer südlich von
Moskau liegt, auf Platz zwei der Premjer-Liga.
Rostow ist die Überraschungsmannschaft Russlands. Nur ZSKA Moskau liegt vor
Rostow. Dennoch glaubt kaum jemand, dass die Mannschaft in den Kampf um den
Titel eingreifen kann. Zu chaotisch ist der Klub geführt. Immer wieder wird
er vom russischen Verband gemaßregelt.
Anfang Dezember, das letzte Spiel vor der Winterpause war absolviert,
wurden Rostow bis auf Weiteres alle Transfers verboten. Der kroatische
Mittelfeldspieler Hrvoje Milic, dessen Vertrag der Klub vorzeitig beendet
hat, wartet auf etliche Monatsgehälter. Erst wenn diese bezahlt sind, darf
Rostow wieder Spieler einkaufen. Das sind nicht die besten Voraussetzungen
für die Vorbereitung auf die Rückrunde, die in Russland auch „die zweite
Saison“ genannt wird: drei Monate kein Spielbetrieb, drei Trainingslager
und jede Menge Zeit, die Kader umzubauen.
Für einen Deutschen in Diensten des FK Rostow könnte das Transferverbot die
große Chance sein, wieder ins Rampenlicht zu rücken. Felicio Forbes Brown,
Verteidiger mit Berliner Wurzeln, wird alles daransetzen, zurück in die
erste Elf zu kommen. Eine Knöchelverletzung verhagelte ihm den Saisonstart,
sein Platz auf der rechten Außenbahn wurde von einem anderen besetzt. Und
so musste er zusehen, wie Rostow ohne ihn von Erfolg zu Erfolg eilte.
Dabei kann er ganz gut erklären, was die Mannschaft in der Hinrunde
ausgezeichnet hat. Das sei vor allem die Arbeit des Trainers Kurban
Berdijew, die Brown als „europäisch“ bezeichnet. Als Jungprofi, gerade mal
volljährig, hat er erlebt, wie Dieter Hecking beim 1. FC Nürnberg
gearbeitet hat. Die akribische Vorbereitung auf die Gegner, die taktische
Schulung des Teams – Berdijew arbeitet ähnlich. Er bringe auch die nötige
Autorität mit, um die dominante Vereinsführung von den sportlichen
Entscheidungen fernzuhalten.
## Berdijew, der Wunderheiler
Berdijew ist eine große Nummer im russischen Fußball. Er führte die
Mannschaft von Rubin Kasan 2001 zum Meistertitel und stand an der Linie,
als der FC Barcelona 2009 in der Champions League zu Hause mit 1:2 gegen
Kasan verlor. Vor Beginn dieser Saison ist Brown nach Rostow gekommen und
gilt schon als Wunderheiler.
In Rostow will Brown, der es aus der Schule von Hertha BSC zu ein paar
Einsätzen in der U19 sowie der U20 des DFB gebracht hat, zum Stammspieler
werden. Er hofft, in Russland noch einmal so richtig auf sich aufmerksam zu
machen. „Heute weiß ich, wie man sich professionell verhält“, sagt er bei
seinem Besuch im taz-Café in der Berliner Rudi-Dutschke-Straße.
Das war wohl nicht immer so. Er habe viel gelernt von seinem Berater Tomas
Zorn, der vor allem den russischen Markt beackert. Zorn hat seinen
Schützling aus den Niederungen der zweiten Liga befreit und vom FSV
Frankfurt in Russlands erste Liga vermittelt. 21 Jahre alt war Brown, als
er sich im Kader von Krylja Sowjetow Samara wiederfand. Das russische
Abenteuer von Brown begann in der Stadt an der Wolga, wo er unter einem
Trainer gearbeitet hat, der nur Russisch gesprochen hat und dem auch kein
Dolmetscher zur Verfügung stand. In Ufa, Browns nächster Station in
Russland, war es ähnlich. Auch da verstand er nicht viel. „Auf den Ball
schauen und nachmachen, was die anderen tun“, so beschreibt Brown seinen
Trainingsalltag.
## Keine Erfahrungen mit Rassismus in Russland
In Rostow läuft all dies professioneller ab. Da gibt es einen
Englischdolmetscher für alle Ausländer im Team. Brown selbst kann
mittlerweile auch ein paar Brocken Russisch, und das Leben fällt ihm
sowieso viel leichter, seit seine Freundin zu ihm nach Rostow gezogen ist.
Und doch fühlt sich der Alltag in Russland für ihn immer noch recht fremd
an. „Das ist nicht wie in Berlin, wo du aus dem Haus gehst und du siehst
Menschen von überall aus der Welt.“ Es gebe ein paar Studenten und
Doktoranden aus Afrika – mehr nicht. Mit einem hat er sich angefreundet.
Der hat ihm auch davon berichtet, wie ihm als Nigerianer die Abneigung
selbst des Lehrpersonals an der Uni das Leben oft schwermacht. Brown sagt,
er selbst habe keine Erfahrungen mit dem Rassismus in Russland gemacht.
„Als cremefarbener Latino habe ich da vielleicht einen besseren Stand“,
sagt Brown, dessen Familie aus Costa Rica stammt. Auch in den Stadien habe
er noch keine rassistischen Vorfälle beobachtet. Natürlich habe er
mitbekommen, wie es Emmanuel Frimpong ergangen ist. Der Ghanaer, mit dem
Brown befreundet ist, war im Sommer von Fans des Moskauer Klubs Spartak
beleidigt worden, hatte denen den Stinkefinger gezeigt und war daraufhin
vom Platz gestellt worden. Brown kann Frimpongs wütende Reaktion zwar
verstehen, aber kein grundsätzliches Problem in Russland erkennen. Für ihn
geht es um den Sport, um seine Karriere. Die soll über den Umweg Russland
am besten irgendwann wieder in die Bundesliga führen.
„Aber wer schaut schon auf die russische Tabelle?“, fragt er und glaubt
doch, dass der sportliche Wert der russischen Liga hoch ist. Und dann hat
er noch einen Traum. Brown möchte bei der WM 2018 für Costa Rica spielen.
Ein Länderspiel hat er für das Land schon bestritten. Eine gute Rückrunde
in Rostow und die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb könnten
ihm helfen. Anfang März beginnt die „zweite Saison“ für ihn.
29 Dec 2015
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Russland
Fußball
FC Barcelona
Premier League
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