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# taz.de -- Schleppende Rehabilitation: Eine Straße für die „Hexe“
> Eine Online-Petition fordert die Benennung einer Straße nach Katharina
> Hanen, die im Jahr 1444 als erste von 40 Hamburgerinnen als „Hexe“
> verbrannt wurde
Bild: Zögerlich gewürdigt: Opfer der Hexenverbrennungen.
Man hat ihm akribisch Holz und Pech erstattet: Aus der Stadtschatulle bekam
der Gerichtsdiener Johann Prangen das Material ersetzt, das er für
Katharina Hanens Scheiterhaufen gebraucht hatte. Sie wurde im Jahr 1444
wegen Hexerei und Schadenszauber verbrannt. Zeugen gab es keine, das
Geständnis wurde wohl unter Folter erpresst. Aber nicht einmal das ist
klar: Die Quellenlage zu den 40 Hamburgerinnen, die von 1444 bis 1642 als
„Hexen“ getötet wurden, ist extrem dünn.
Als sicher gilt nur, dass Hanen die erste Hamburgerin war, die auf diese
Art starb. Anlass genug für den Politologen und Improvisationsschauspieler
Jan Vahlenkamp, eine Online-Petition zu lancieren, die die Benennung einer
Straße nach Katharina Hanen fordert. Er befasse sich, sagt Vahlenkamp,
schon länger „mit Verschwörungstheorien, die sich gegen Minderheiten wie
die Satanisten richten“. Dabei sei er auf deren historischen Vorläufer
gestoßen: den „Hexenwahn“ des Mittelalters und der frühen Neuzeit.
Ob das nur kollektiver Wahn war oder auch eine bequeme, durch Kirche und
Politik legitimierte Methode, Unliebsame loszuwerden, lässt sich
diskutieren. Tatsache ist indes, dass das Hamburger Stadtrecht, das
zunächst nur den „Schadenszauber“ ahndete, später auch den „Teufelspakt…
als Straftat aufnahm. Grundlage war der von einem Dominikaner verfasste
„Hexenhammer“ zur Rechtfertigung der kirchlichen Inquisition.
Geführt wurden die Prozesse dann von weltlichen Gerichten. Zustande kamen
sie, sagt die Hamburger Hexenforscherin Roswitha Rogge, nicht aufgrund von
Frauenfeindlichkeit. Auslöser seien eher Alltagskonflikte gewesen. Und dass
ausgerechnet Frauen oft denunzierten: „Das liegt daran, dass sie damals
wenig Möglichkeiten hatten, sich gerichtlich zu wehren.“ Also streute man
Gerüchte – aus Neid, Eifersucht, wegen Krankheit oder anderem Unglück, für
das man einen Sündenbock brauchte.
So erging es auch Abelke Bleken, der einzigen Hamburger „Hexe“, deren Vita
ausführlich überliefert ist. Sie ehrt ein Stein im „Garten der Frauen“ auf
dem Ohlsdorfer Friedhof. Zudem hat das Ortsamt Bergedorf einen
„Abelke-Bleken-Ring“ für ein Neubaugebiet in Ochsenwerder genehmigt.
Mehr haben Hamburg und Umland bislang nicht für die „Hexen“-Rehabilitierung
getan. Juristisch ist das auch schwierig, weil das „Heilige Römische Reich
deutscher Nation ohne Rechtsnachfolger seit 1806“ nicht mehr existiert, wie
Historiker es formulieren.
Eine ausschließlich moralische Rehabilitation, wie es Osnabrück und
Werl/Westfalen beschlossen, wäre allerdings denkbar. Doch bislang hat
niemand einen solchen Antrag bei Bezirksämtern oder Bürgerschaft
eingebracht. Auch Petitions-Verfasser Vahlenkamp nicht, der ersmal das
Unterschriften-Aufkommen abwarten will.
Dabei gibt es durchaus Sympathisanten wie Peter Mies, Pfarrer des
katholischen Mariendoms und St. Georgs protestantischen Pastor Kay Kraack.
Eine pauschale Rehabilitation aller „Hexen“ dürfe jedoch kein moralisches
Feigenblatt sein, findet Kraack: „Man muss die Einzelschicksale ansehen, um
ein Mitfühlen zu ermöglichen.“ Und Norbert Hackbusch (Linke) schlägt für
die Umbenennung gleich jene Altonaer Straße vor, die nach Graf von
Waldersee benannt ist. Der verantwortete um 1900 die brutale
Niederschlagung des chinesischen Boxeraufstands.
2 May 2016
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
Hexenverfolgung
Kolonialverbrechen
Hexen
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