# taz.de -- Neues Album von Masha Qrella: Krise ist ihr Status quo | |
> Ganz schön berauschend: Die Berliner Understatementpop-Königin Masha | |
> Qrella und ihr neues Soloalbum „Keys“. | |
Bild: Coole Künstlerin: Masha Qrella | |
Wenn Musik und Rausch nah beieinanderliegen, so kann das schon beflügelnde | |
Wirkung haben. Insofern ist es viel versprechend, wenn Masha Qrella sagt, | |
die Arbeit an ihrem neuen Album sei „rauschhaft“ gewesen. Von Beginn an | |
habe sie gewusst, wie „Keys“ klingen soll. | |
„Ich hatte eine Vision, eine Vorstellung und die Songs waren einfach da“, | |
sagt die Musikerin beim Interview im Berliner Büro ihres Labels, „ | |
innerhalb eines Jahres stand das Album, was für mich eine kurze Zeit ist.“ | |
Diese Leichtigkeit ist dem in Kürze erscheinenden fünften Album der | |
Berliner Künstlerin anzuhören. | |
Ihre Songs, die auf simplen und eingängigen Gitarrenharmonien basieren und | |
wie sanft skizzierte Alltagserzählungen daherkommen, klingen nach Disco und | |
sind doch unaufdringlich, entspannt, aber nicht einschläfernd. „Ich wollte, | |
dass das Album relaxt, cool und poppig ist, ohne die Hörer anzuschreien“, | |
sagt sie. Sie macht keinen Hehl daraus, dass sie sehr zufrieden mit den elf | |
Songs ist. Nur „ein bisschen Schiss“ habe sie. Vor Reaktionen wie: Ah, ein | |
weiteres Masha-Qrella-Album. | |
Damit sagt die Künstlerin, die eigentlich Mariana Kurella heißt, etwas | |
vielleicht Entscheidendes. Denn einen Namen in der Musikszene hat sich die | |
1975 in Ostberlin geborene Gitarristin und Sängerin längst gemacht. Ihre | |
früheren Bands Mina und Contriva galten in den späten Neunzigern und frühen | |
nuller Jahren als zeitgemäße Symbiose zwischen Postrock und Clubmusik. | |
Auch solo hat sie seit ihrem Debütalbum auf Gudrun Guts Monika | |
Enterprise-Label („Luck“, 2002) eine treue Anhängerschaft und wurde | |
zuweilen auch einer größeren Öffentlichkeit bekannt – zum Beispiel, als ein | |
Song von ihr als Musik zur US-Fernsehserie „Grey’s Anatomy“ ausgewählt | |
wurde. Zudem hat sie intensiv mit dem Künstlerkollektiv Gob Squad | |
zusammengearbeitet und schien in der Queerszene sehr präsent – sie selbst | |
betont ihre Sympathie für „alles, was queer ist – im Sinne von offen, ohne | |
feministische Kampfansage“. | |
## Verletzlich und geradlinig | |
Mit „Keys“ könnte sie endlich über enge Szenegrenzen hinaus bekannt werde… | |
Denn unter den von sanften Beats unterlegten Singer/Songwriter-Stücken sind | |
richtige Hits – die erste Singleauskopplung „DJ“ und der Titeltrack „Ke… | |
etwa. Qrella setzt Synthesizer und Gitarren dezent und reduziert ein; auch | |
der für den Clubgebrauch geeignete Song „Pale Days“ klingt eher nach | |
Chillout-Zone als nach Dancefloor-Getümmel. Die Musik wird getragen von der | |
klaren, hohen Stimme Qrellas, der man Verletzlichkeit genauso anhört wie | |
Geradlinigkeit und eine Berliner Schnauze. Und dann ist „Keys“ auch noch | |
kluger Zitat-Pop, in dem die Tonfolgen – wahrscheinlich eher unbewusst – | |
mal nach The Notwist, dann wieder nach Chris Isaak- oder Oasis klingen. | |
Viele Songs handeln von der Liebe und ihrem Scheitern, von Neuanfängen und | |
ihrem Misslingen. Musik scheint für die Erzählerin eine Option, dem Alltag | |
zu entfliehen. In „DJ“ kommt ein Spiel mit Identitäten hinzu: „I told my | |
friends I´m a DJ/ I told my friends I´m a man/ I told my friends I was | |
everything/ except the one I am.“ Vorurteile und Stereotype sind in | |
mehrfacher Hinsicht Thema: Im Auftaktsong „Ticket To My Heart“ geht es | |
darum, Geschlechterstereotypen zu entkommen, und in „Simple Song“ | |
beschäftigt sich Qrella mit Etiketten, die ihr anhaften (“You might think | |
that I´m a privileged/ And lazy slacker/ Who never had to fight/ Maybe it | |
is true/But it´s not alright“). | |
„Keys“ wirkt wie das reifste Album der Berlinerin bis dato, vielleicht | |
gerade weil es die permanente Krisenhaftigkeit zum Status quo erhebt. Das | |
Album kommt musikalisch eine knappe Dreiviertelstunde ohne wirklichen | |
Durchhänger aus; mitunter ist das ganz große Popmusik, die die großen | |
Themen des Pop – Liebe, Sex, Alltag – erzählerisch in Drei- oder | |
Vierminutensongs fasst. | |
30 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
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