| # taz.de -- Syrerin Ruba über ihre Zukunft: „Das hier ist jetzt mein Land“ | |
| > Ruba ermutigt in Hamburg andere geflüchtete Frauen, ihr Leben in die Hand | |
| > zu nehmen. Sie öffnet sich für Neues, will aber ihre Wurzeln bewahren. | |
| Bild: „Du musst arbeiten, einfach an dir arbeiten“: Ruba | |
| Ich habe versucht, in Syrien zu bleiben, fünf Jahre lang, mit meinem | |
| Ehemann. Aber jetzt hasse ich Syrien. Manchmal gibt es dort kein Wasser. | |
| Keine Elektrizität. Kein Internet. Kein Leben. Vielleicht, wenn der Krieg | |
| vorbei ist, komme ich zu Besuch, aber nicht zum Bleiben. Weil ich mir nicht | |
| vorstellen kann, wieder ein neues Leben zu starten, wieder eine Zukunft | |
| aufzubauen. Ich baue meine Zukunft jetzt hier. Weil ich fühle, dass das | |
| hier jetzt mein Land ist. | |
| Aber ich kann hier nicht alleine mit meiner Tochter leben. Ich habe viele | |
| Freunde hier, aber keine Familie. Vater, Mutter, Schwester, Bruder, mein | |
| Mann, sie alle mussten zurückbleiben. Das Wichtigste ist mein Ehemann. Wir | |
| können nicht ohne ihn leben. Ich bin sicher, aber eine Hälfte von mir ist | |
| nicht sicher. | |
| Das schönste für mich war, Lena zu treffen. Wir trafen uns im | |
| Flüchtlingscamp. Jetzt haben wir zusammen das Projekt [1][“Open Eyes Open | |
| Hearts“]. Ich habe noch nie so jemanden getroffen. Sie hat so viele Ideen. | |
| Ich bin so glücklich, sie zu haben! Ich habe gelernt, man kann hier alles | |
| machen, wenn man Ideen hat. Öffne dein Herz, und du kannst alles haben. | |
| Vielleicht bin ich hier stark genug alleine, weil ich Lena habe. Ich fühle | |
| mich nicht, als wäre ich in einem fremden Land. Weil ich alles in | |
| Deutschland durch Lena kenne. | |
| In meiner Heimat habe ich als Wandmalerin gearbeitet. Ich hatte Freunde, | |
| ich hatte mein Leben. Vielleicht auch, weil mein Vater Frauen und Männer | |
| als gleichberechtigt ansieht. Auch mein Ehemann ist so. In meinem Land ist | |
| es so vielen Frauen nicht erlaubt, nach draußen zu gehen, zu reden, zu | |
| arbeiten. Aber hier kannst du nicht nur zu Hause bleiben und nichts tun; | |
| nicht nur auf die Kinder aufpassen. Du musst raus gehen, die Sprache | |
| lernen, arbeiten, einfach an dir arbeiten. | |
| Ich bin seit sieben Monaten hier und habe sechs Mal das Camp gewechselt. | |
| Manche Frauen kamen zu mir und sagten: Wir müssen mit dir gehen, um zu | |
| sehen, wie man lebt. Manche Frauen haben sich verändert. Sie sind | |
| rausgegangen, haben die Sprache gelernt. | |
| Viele haben mich auch auf Youtube gesehen. Sie fragten: Wie kannst du vor | |
| die Kamera gehen, ohne Angst zu haben? Ich sagte: Ich spreche zu euch, ich | |
| spreche zu allen Frauen. Hör mir zu und du kannst hier leben. Sie haben | |
| angerufen: Ich muss das auch tun, aber mein Mann erlaubt mir das nicht. Ich | |
| sagte: Sag deinem Mann, er soll sich das Video ansehen. Vielleicht bist du | |
| auch irgendwann vor der Kamera. Warum nicht? Warum öffnest du nicht deinen | |
| Verstand oder öffnest den Verstand deines Mannes? Das hat nichts mit | |
| Religion zu tun, nichts mit dem Arabisch-Sein. Es geht darum, ein Mensch zu | |
| sein. | |
| Nur mit dem Umarmen – da frage ich mich, wie das funktionieren soll, ohne | |
| dass es mich verändert. Ich kann das nicht. Nicht, weil ich verschlossen | |
| bin, aber wegen meiner Religion. Viele Frauen legen ihre Kopftücher ab, | |
| weil sie sagen, dass das deutsch ist. Ich sage: Das ist dein Leben, lege | |
| alles ab, wenn du es ablegen willst. Glaube daran, was du tust, und dann | |
| tue es einfach. Ich glaube an mein Kopftuch. Und ich habe Regeln. | |
| Aus Syrien hat mich ein Freund angerufen: Du hast dort keinen Islam, | |
| behalte deine Kleidung an, bleibe zu Hause. Ich sagte: Nein, ich bin offen | |
| und ich gehe überall hin, ins Café, ins Restaurant, zu Freunden, alles. | |
| Meine Tochter liebt die Schule, aber nach dem ersten Schultag kam sie zu | |
| mir und sagte: Ich muss ein Kopftuch tragen. Nein, noch nicht jetzt, sagte | |
| ich. Dann trug sie eine Mütze. Sie sagte: Ich muss allen erzählen, ich | |
| werde mit dir spielen und lernen, aber ich bin Moslem. Und wenn ich ein | |
| Kopftuch trage, werden sie das verstehen. In ihrem Alter gab mir mein Vater | |
| die Möglichkeit, es auszuprobieren. Er sagte: Wenn du es magst, dann | |
| behalte es an. Ich mochte es. Und ich mag meine Tochter auch ohne Kopftuch. | |
| Protokoll: Anna Gröhn | |
| 8 Mar 2016 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anna Gröhn | |
| Ruba | |
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