# taz.de -- Debatte über Straßennamen in Berlin: „Wollen wir einen Betrüge… | |
> Im Stadtteil Wedding ist Kolonialgeschichte weiter präsent: durch | |
> Straßennamen. Das könnte sich am Mittwoch ändern – zumindest ein | |
> bisschen. | |
Bild: Soll runter vom Straßenschild: Adolf Lüderitz. | |
Im Ringen um mögliche Änderungen von Straßennamen im Afrikanischen Viertel | |
– die Patronen des Nachtigalplatzes und der Lüderitzstraße haben eine | |
koloniale Vergangenheit – entscheidet die Bezirksverordnetenversammlung | |
(BVV) in Mitte am Mittwoch, welche Richtung eingeschlagen wird. Die CDU | |
schlägt vor, statt der Kolonialherren zwei Namensvettern mit reiner | |
Vergangenheit zu verwenden. Die SPD fürchtet den Etikettenschwindel. Sie | |
fordert, an afrikanische WiderstandskämpferInnen zu erinnern. | |
taz: Frau Weißler, warum sollten die Lüderitzstraße und der Nachtigalplatz | |
denn überhaupt umbenannt werden? | |
Sabine Weißler: Es hat Tradition, dass die Benennung eines Straßennamens | |
nach einer Person auch ein Akt der Würdigung ist. Nehmen Sie etwa Willy | |
Brandt: Die Gesellschaft bekennt sich zu ihm, indem sie Straßen oder Plätze | |
nach ihm benennt. Im Fall von Lüderitz muss man sich die Frage stellen: | |
Wollen wir wirklich einen Betrüger ehren? | |
Wie kam es überhaupt zu einer Lüderitzstraße? | |
Es herrschte ein anderes Geschichtsbewusstsein vor, das mit unserem | |
heutigen Verständnis nicht mehr vereinbar ist. Wobei der Fall bei Nachtigal | |
schon etwas anders liegt… | |
Inwiefern? | |
Wir müssen die Menschen in ihrer Zeit sehen. Lüderitz war auch in seiner | |
Zeit eindeutig ein Betrüger. Nachtigal kann man als schillernde Person | |
bezeichnen. | |
Der Nachtigalplatz sollte also nicht umbenannt werden? | |
Ich bin auf die Diskussion gespannt. | |
Lüderitz war allerdings ein schlimmer Schurke? | |
Ja, da ist die Sachlage ziemlich eindeutig. | |
Wie sehr hat es Sie überrascht, dass die CDU trotzdem mit einem Antrag | |
daherkam, der einem Etikettenschwindel gleicht? | |
Ich habe mich schon gewundert. Schließlich ändert sich am Erscheinungsbild | |
überhaupt nichts. Dadurch wird eine Auseinandersetzung nicht gefördert. | |
Offenbar war auch die SPD überrascht. Sie hat nun aber nachgezogen – aus | |
wahltaktischen Gründen? | |
Der SPD-Antrag gibt den Stand der Diskussion wider und signalisiert, dass | |
das lange Stillhalten nun endet. Das kann aber durchaus auch der Dynamik | |
des Wahlkampfs geschuldet sein. | |
Mit welchem Ergebnis rechnen Sie in der BVV – setzt sich der SPD-Antrag | |
durch? | |
Das kann ich nicht sagen. | |
Sie würden es aber goutieren? | |
Als Bezirksstadträtin muss ich eine neutrale Position wahren. Ich halte es | |
da wie die Kanzlerin: Erstmal die Entscheidung abwarten, nicht schon vorher | |
spekulieren. | |
Sollte der Antrag durchkommen: Wann kommen die neuen Straßenschilder? | |
Falls dem so ist, würde erst der Prozess gestartet. Der Weg ist dann immer | |
noch lang, weil Straßennamenänderungen bei AnwohnerInnen sehr unbeliebt | |
sind. Mir ist es wichtig, ein Forum zu schaffen, indem kontrovers | |
diskutiert wird. Die Zeit dazu ist jetzt vielleicht gekommen. | |
9 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
David Joram | |
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