| # taz.de -- William S. Burroughs im Film: Es ist schön, wie Filme überleben | |
| > Zwei Filme übers Erinnern: „Uncle Howard“ von Aaron Brookner und „Don�… | |
| > Blink – Robert Frank“ von Laura Israel. | |
| Bild: Der alte Burroughs und der junge Brookner in den frühen Achtzigern | |
| Kann Kino wirklich unsterblich machen? Was, wenn, wie im Fall von Regisseur | |
| Howard Brookner, das Leben schon mit 34 Jahren aufhört? Und was würde der | |
| 91-jährige Fotograf Robert Frank dazu sagen? Zwei Porträtfilme, „Uncle | |
| Howard“ und „Don’t Blink – Robert Frank“, stellen die Frage nach der | |
| Bedeutung von Erinnerung, auch für die Medien Film und Fotografie selbst. | |
| Aaron Brookners Tribut an seinen Onkel Howard Brookner – den 1989 an Aids | |
| gestorbenen Regisseur von „Burroughs: The Movie“(1983), dem einzigen Film | |
| über den Schriftsteller William S. Burroughs, an dem dieser selbst | |
| mitwirkte – beginnt mit nervig wackeligen Bildern. Der junge Aaron Brookner | |
| versucht vergeblich Zugang zum „Bunker“ zu bekommen, dem fast mythischen | |
| New Yorker Ort, an dem Burroughs, der Pate der Beat-Poeten, lebte, schrieb, | |
| seine Texte auseinanderschnitt, wieder neu zusammensetzte und Besucher | |
| empfing. | |
| Aaron Brookner interessiert aber nicht der Ort an sich, sondern eine ganz | |
| bestimmte, greifbare Form der Erinnerung: das Archiv von Howard Brookner, | |
| das unberührt seit 30 Jahren dort aufbewahrt sein soll, inklusive der | |
| Originalfilmrollen seiner Werke. Sein Ziel: den verschollenen | |
| Burroughs-Film in digitalisierter Form wieder zugänglich zu machen. | |
| ## Ihm blieb nicht viel Zeit | |
| Beim zweiten Versuch, diesmal begleitet vom Filmemacher Jim Jarmusch, der | |
| auch ausführender Produzent von „Uncle Howard“ ist, hat der Neffe Erfolg: | |
| Wir sehen grandioses Footage der Dreharbeiten, mit Burroughs als | |
| „Splatter-Chirurg“. Ein junger Jarmusch, hier als Tonmann, läuft ins Bild. | |
| Erstaunlich ist die Ähnlichkeit zwischen Onkel und Neffe, ihre Gesichtszüge | |
| sind manchmal schwer auseinanderzuhalten. Diese Nähe ist leider eine | |
| Schwachstelle des Films. Aaron Brookner gelingt es kaum, einen | |
| erzählerischen Abstand zu seinem im Bild allgegenwärtigen Onkel | |
| einzunehmen, und die Stimme des Regisseurs verliert sich unter vielen | |
| anderen: Zeitzeugen wie der Regisseur Robert Wilson, Burroughs’ Gefährte | |
| und Nachlassverwalter James Grauerholz, aber auch Howard Brookners Mutter | |
| Elaine und sein Lebensgefährte Brad Gooch erzählen von einem unermüdlichen | |
| Künstler, der besessen war von seiner Arbeit, als hätte er geahnt, dass ihm | |
| nicht viel Zeit blieb. | |
| Brookners letzter Film wurde zugleich sein schwierigster, und das nicht nur | |
| wegen der galoppierenden Krankheit. Für „The Bloodhounds of Broadway“, eine | |
| große Spielfilmproduktion mit Madonna und Matt Dillon, gönnten Columbia | |
| Pictures dem jungen Regisseur keinen Final Cut und änderten den Film | |
| drastisch. Dabei hatte Brookner seinen Produzenten zuvor noch gefragt: | |
| „Was, wenn dies mein einziger Film bleibt?“ | |
| ## Nüchtern-spontane Haltung | |
| Im zweiten Porträt, „Don’t Blink – Robert Frank“ von Laura Israel, bri… | |
| der schweizerisch-amerikanische Fotograf Robert Frank seine Haltung zum | |
| Erinnerungspotenzial von Fotos im Unterschied zu Film deutlich auf dem | |
| Punkt: „Es ist schön, wie Filme überleben. Ein Foto dagegen ist nur eine | |
| Erinnerung.“ | |
| Robert Frank hatte 1958 sein Debüt mit dem überaus erfolgreichen Bildband | |
| „Les Américains“ gegeben. Die Ironie der Sache ist: Er drehte auch viele | |
| Filme, die aber – mit Ausnahme des Beat-Generation-Klassikers „Pull My | |
| Daisy“ von 1959 – längst nicht so bekannt wurden wie seine fotografischen | |
| Momentaufnahmen. Trotz ihrer nüchtern-spontanen Haltung erreichen seine | |
| Fotos eine große emotionale Tiefe, egal, ob sie die Rolling Stones zeigen, | |
| Tom Waits oder eine schwarze Nanny, die ein schneeweißes Baby im Arm hält. | |
| Laura Israel, langjährige Mitarbeiterin des neugierig-integren Frank, | |
| stellt in ihrem Film einen Dialog zwischen bewegtem und statischem | |
| Bildmaterial her. So filmte sie ihre Interviews mit Frank konsequent in | |
| Schwarzweiß, als wolle sie den Ton seiner Fotos imitieren. Von diesen gibt | |
| es zwar reichlich Bilderstrecken zu sehen, für die Israels Schnitt den | |
| Zuschauern jedoch wenig Zeit zum Betrachten lässt. | |
| ## Intime Einblicke | |
| Dafür ermöglicht die Regisseurin intime Einblicke in Franks enormes Archiv | |
| und begleitet ihn in privaten Situationen, sei es sein abgelegenes Haus auf | |
| Nova Scotia, wo er mit der Bildhauerin June Leaf lebt, oder bei Autofahrten | |
| mit seinem Freund Tom Jarmusch, dem Bruder von Jim. | |
| Immer wieder kreist der Film um Franks Erinnerungen: In einer der stärksten | |
| Szenen fordert er einen Mitarbeiter auf, das Wort „memory“ von einem | |
| großformatigen Fotoprint abzukratzen, was diesem jedoch nicht gelingt. | |
| Franks knapper Kommentar: „It’s impossible to erase memory. | |
| 18 Feb 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Sara Piazza | |
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