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# taz.de -- Iranisches Jugendkino auf der Berlinale: In den Nischen Teherans
> Jugend ohne Gott – der Spielfilm „Valderama“ und die Doku „Royahaye D…
> Sobh“ stehen für das junge iranische Kino auf der Berlinale.
Bild: Hamed Alipour und Säugling in „Valderama“.
„Nicht lächeln. Schau ernst!“ Aber dem jungen Valderama, der den Namen, das
Trikot und die blonde Frisur im Afrolook seines kolumbianischen
Fußballidols trägt, gelingt es kaum, den Anweisungen Folge zu leisten.
Neugierig verschmitzt schaut er in die Kamera des Passbildfotografen. Um
endlich im lokalen Fußballverein mitspielen zu können, benötigt der
Fünfzehnjährige dringend einen Ausweis.
Aber für den elternlosen Jungen, der sich in Abadan, im Süden Irans, mit
Gelegenheitsjobs und als Aushilfe in einem Teehaus über Wasser hält, wird
die Beschaffung des Identitätsnachweises zur existenziellen
Herausforderung. Mit offenem, freundlichem Blick begegnet Valderama seiner
Umwelt, doch die verlangt für Gefälligkeiten fast immer eine Gegenleistung.
Als sein Arbeitgeber im Teehaus ihn wegen offener Schulden nicht nur mit
Schlägen demütigt, sondern auch sexuell missbrauchen will, greift der Junge
zum Messer und sticht ihn nieder.
Der Regisseur Abbas Amini, 1983 selbst in Abadan geboren, zeigt in seinem
berührenden Spielfilmdebüt eine Gesellschaft, geprägt von bürokratischen
Regeln und sozialer Gleichgültigkeit. Längst haben sich Aminis
Protagonisten parallele Strukturen geschaffen, in denen Korruption,
Kleinkriminalität und Drogenkonsum zum Alltag gehören.
Nach seiner Verzweiflungstat flüchtet Valderama nach Teheran. Überfordert
von der 12-Millionen-Metropole, verbringt er seinen ersten Tag zunächst
unterirdisch mit U-Bahn-Fahrten. Mit einem traumwandlerischen
Überlebensinstinkt ausgestattet, trifft er dort auf die junge Forough und
organisiert sich mithilfe der jungen Straßenverkäuferin bald auch in der
Millionenstadt das Überleben in den Nischen des iranischen
Lumpenproletariats.
## Finaler Befreiungsschlag
Doch er wird nicht Teil dieser Welt aus Resignation, Gewalt und
Niedertracht. Auffällig sticht sein blonder Lockenschopf aus der
monochromen Umgebung ohne Himmel heraus. In einem leisen, aberfinalen
Befreiungsschlag nimmt Valderama das Schicksal in die Hand. Unbeschädigt
und mit neuer Identität verlässt erdanach Teheran in Richtung Yazd.
Wie das Hintergrundrauschen zu diesem Spielfilm, der seine Weltpremiere im
Jugendprogramm der Berlinale feiert, erscheint „Royahaye Dame Sobh“
(Starless Dreams). Der ebenfalls in der Kategorie „Generation 14plus“
gezeigte iranische Dokumentarfilm führt in ein iranisches Jugendgefängnis
für minderjährige Mädchen und junge Frauen. Viele von ihnen sind wegen
Drogendelikten und Landstreicherei inhaftiert, einige auch wegen
bewaffnetem Raubüberfall oder Mord.
Nach sieben Jahren erhielt der Dokumentarfilmer Mehrdad Oskouei 2015
schließlich die Genehmigung, den Alltag der jungen Gefangenen filmen zu
dürfen, die sich mal heiter ausgelassen, dann wieder verzweifelt und
deprimiert vor der Kamera präsentieren. Zögernd erzählen die Mädchen von
ihrem Leben jenseits der Mauern. Ihre Biografien handeln von familiärer
Gewalt, drogensüchtigen Eltern und Hoffnungslosigkeit. „Niemand“ nennt sich
eine lebhafte Sechzehnjährige.
Inständig hofft sie, nach ihrer Entlassung von der Großmutter aufgenommen
zu werden, um nicht wieder auf der Straße leben zu müssen.Der Name ihrer
Freundin ist „651“ (Gramm) – nach der Menge Heroin, mit der sie verhaftet
wurde. Ein Geistlicher kommt, um mit den Frauen zu beten und sie moralisch
zu belehren. Doch ihrer Erfahrungswelt hat er nichts entgegenzusetzen.
Obwohl die Anstalt offiziell ein Korrektur- und Rehabilitationszentrum sein
soll, bleibt der Aufenthalt für die Heranwachsenden eine Episode,
vielleicht eine Pause vom Alltag. Ohne irgendeinen Ausweg aufgezeigt
bekommen zu haben, verlassen sie die Anstalt, wie sie gekommen sind. Im
Tschador und mit ein paar Plastiktüten in der Hand kehren sie zurück in ihr
altes junges Leben.
21 Feb 2016
## AUTOREN
Eva-Christina Meier
## TAGS
Schwerpunkt Berlinale
Iranische Filme
Schwerpunkt Berlinale
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Zensur
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