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# taz.de -- Hilfskonvois für syrische Städte: Mehl, Essenspakete, Medikamente
> Viele Orte Syriens werden von der Regierung, aber auch vom IS und
> verschiedenen Rebellentruppen belagert. Die UN beliefert nun 100.000
> Syrer.
Bild: Idyllisches Bild, ernste Mission: LKW der Vereinten Nationen in Syrien
GENF taz | Es ist nur ein Anfang. Aber immerhin: 100.000 notleidende Syrer
haben am Mittwoch erstmals seit langer Zeit wieder Hilfsgüter erhalten. Sie
sind ein kleiner Teil der über 4,5 Millionen Menschen in jenen Städten und
Regionen des Landes, die vielfach bereits seit Jahren ganz oder weitgehend
von humanitären Lieferungen abgeschnitten waren.
Diese Orte werden von der einen oder anderen Bürgerkriegspartei
kontrolliert oder sie sind durch Belagerung vollständig von der Außenwelt
abgeriegelt.
100 Lastwagen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten erreichten bis zum Abend
drei von Regierungstruppen umstellte Städte im Großraum Damaskus und zwei
von Rebellenmilizen belagerte Ortschaften nordwestlich von Aleppo. Das
berichtet das UNO-Koordinationsbüro für humanitäre Maßnahmen (OCHA) in
Genf.
Die Lastwagen waren am Morgen in Damaskus losgefahren, nachdem die Behörden
von Präsident Baschar al-Assad endlich die Durchfahrterlaubnis durch von
Regierungstruppen kontrollierte Regionen erteilt hatten. Darüber hatte die
UNO zuvor tagelang mit der Regierung verhandeln müssen. Der
Flüchtlingshochkommissar der UNO, Filippo Grandi, sprach mit Blick auf
diese ersten Hilfslieferungen von einem „kleinen Fenster der
Gelegenheiten“, das durch die Vereinbarungen der Syrien-Konferenz am
Donnerstag letzter Woche in München entstanden sei. „Ich denke, es wird
kompliziert bleiben“, erklärte der italienische UN-Diplomat. „Aber jeder
Fortschritt ist ein Fortschritt.“
## Berichte über Hungertote
Wie in München vereinbart, sollen im Verlauf der Woche auch noch Kafr Batna
nahe Damaskus und Deir al-Sur im Osten des Landes Hilfe erhalten. Ob die
Konvois Deir al-Sur – und künftig auch andere Orte im Osten – tatsächlich
erreichen, ist jedoch offen: Der „Islamische Staat“ kontrolliert dieses
Gebiet.
Die ersten 35 Lastwagen trafen am Mittwochnachmittag in der von
Regierungstruppen umstellten Ortschaft Madamiyet Elsham nahe Damaskus ein.
Sie hatten 8.800 Tüten Mehl, 4.400 Essenspakete sowie weitere Lebensmittel,
Medikamente und medizinische Ausrüstung geladen.
Bis zum frühen Abend dann erreichten insgesamt 65 weitere Lastwagen mit
Hilfsgütern die – ebenfalls von Regierungstruppen eingeschlossenen – Städ…
Madaya und al-Zabadani im Großraum Damaskus sowie Foah und Kefraya im
Nordwesten. In letzteren beiden Orte leben mehrheitlich Schiiten, sie
werden von sunnitischen Rebellen belagert.
Bereits im Januar hatte das Hilfswerk Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans
Frontières, MSF) Alarm geschlagen: Im Ort Madaya seien bereits 32 Menschen
verhungert, berichtete die Organisation. Sie unterstützt das medizinische
Personal im Krankenhaus von Madaya sowie in 200 weiteren syrischen Städten.
Die Regierung Assad und ihre Sympathisanten (auch unter taz-Lesern) hatten
die Informationen über die Hungertoten damals als „Propaganda“ der USA und
der „islamistischen Terroristen“ in Syrien zurückgewiesen.
Inzwischen haben das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, Unicef, und
die Weltgesundheitsorganisation (WHO), deren Mitarbeiterinnen selbst vor
Ort im Krankenhaus von Madaya den Hungertod eines Jungen erlebten, die
Berichte von MSF bestätigt.
Die UNO befürchtet, dass auch in anderen bislang völlig von der Außenwelt
und von jeglicher humanitären Versorgung abgeschnittenen Orten Syriens
Menschen verhungert sind.
Dabei verstoßen sämtliche Kriegsparteien in Syrien gegen die Genfer
Konventionen und andere Bestimmungen des humanitären Völkerrechts, wie die
UNO festgestellt hat: Alle Seiten behindern humanitäre Hilfe, belagern
Städte oder riegeln sie vollständig ab.
## 130 Anträge der UNO seit 2015, aber nur 14 bewilligt
Für den größten Teil dieser Verstöße ist die Regierung Assad
verantwortlich. Weit über die Hälfte der 4,5 Millionen notleidenden
Menschen leben in Regionen, die von den Regierungstruppen und den
libanesischen Hisbollah-Milizen kontrolliert werden, die mit ihnen
verbündet sind. Knapp 30 Prozent befinden sich im vom „Islamischen Staat“
beherrschten Gebiet. Der Rest lebt in Landesteilen, in denen diverse
Rebellengruppen das Sagen haben. Von den 17 derzeit abgeriegelten Städten
außerhalb des IS-Gebiets, in denen fast 500.000 Menschen leb(t)en, werden
15 von Regierungstruppen und Hisbollah-Milizen belagert.
Wie mühsam es ist, der bedrängten Bevölkerung in Syrien Hilfe zu bringen,
zeigt noch eine andere Zahl: Bis zum Mittwoch hatte die Regierung lediglich
14 von 130 Anträgen für die Zulassung von Hilfslieferungen genehmigt, die
die Vereinten Nationen seit Anfang des letzten Jahres in Damaskus gestellt
hatte.
Die Genehmigung für die jetzt erfolgten Hilfslieferungen in fünf Städte
erteilte die Regierung erst, nachdem UNO-Vermittler Staffan di Mistura am
Dienstag in Damaskus die unverzügliche Zulassung der Versorgung
notleidender Menschen öffentlich als „Test für die Kooperationsbereitschaft
der syrischen Staatsführung“ bezeichnet hatte.
Inzwischen übte die Regierung in Damaskus scharfe Kritik an di Mistura. Es
sei „Aufgabe des UNO-Vermittlers, eine Liste mit Terrorgruppen zu erstellen
und eine Liste mit Oppositionsgruppen, die mit der syrischen Regierung
sprechen sollen“, erklärte die Beraterin von Präsident Assad, Buthaina
Schaaban. Stattdessen kümmere de Mistura sich um die humanitäre Hilfe, was
nicht zu seinen Aufgaben als Vermittler gehöre, monierte Schaaban.
19 Feb 2016
## AUTOREN
Andreas Zumach
## TAGS
Schwerpunkt Syrien
Vereinte Nationen
„Islamischer Staat“ (IS)
Baschar al-Assad
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