| # taz.de -- Sarkozys Buch über sich selbst: Ein Hors d’œuvre vor dem Wahlka… | |
| > Frankreichs Expräsident hat ein Buch geschrieben. Es handelt von ihm, | |
| > seinen Freunden, seinen Fehlern und denen seiner Gegner. | |
| Bild: Endlich wieder Rampenlicht: Nicolas Sarkozy bei seiner Autogrammstunde | |
| Paris taz | Neben den Bestsellern der französischen Romanciers und Essays | |
| zu Zeitfragen liegt bei den Zeitungs- und Buchhändlern seit Montag ein | |
| politisches Buch auf, mit dem ein vermeintlicher „Has been“ Furore macht. | |
| Dass in Frankreich ein ehemaliger Staatschef selbst ein Fazit seiner | |
| eigenen Präsidentschaft zieht, ist allein schon ein Ereignis. | |
| Nicolas Sarkozy hat in seinem Buch, in dem sich Reue, Ärger, Hoffnung, | |
| Ambition und Überzeugung mischen, einiges zu sagen, das nicht nur seine | |
| früheren Wähler interessieren muss: über sich, über seine Gegner, seine | |
| echten und falschen Freunde und vor allem über Frankreich. | |
| „La France pour la vie“ lautet der Titel und verkündet, gleich einer | |
| patriotischen Liebeserklärung, dass er „Frankreich fürs Leben“ gern hat. | |
| Beim Lesen der zehn Kapitel versteht man sehr schnell, dass er auf innige | |
| Gegenliebe hofft, denn er möchte auch fürs Leben gern wieder Präsident | |
| werden. | |
| Allem Anschein zum Trotz schickt er voraus: „Dieses Buch ist keine | |
| Ankündigung meiner Kandidatur bei den kommenden Präsidentschaftswahlen.“ | |
| Weil er aber nicht auf ein Comeback verzichten will, kommt er um eine | |
| selbstkritische Bilanz mit Nabelschau nicht herum. Er kennt seine Stärken | |
| und Schwächen. | |
| ## Bekannt als „Bling-Bling“-Präsident mit 27 Fehlern | |
| Mit einem Zitat von Konfuzius räumt er freimütig ein: „Der Bogenschütze ist | |
| ein Vorbild des Weisen. Wenn er sein Ziel verfehlt, sucht er den Fehler bei | |
| sich selbst.“ Er gesteht ein, dass er sich mit seinem aufbrausenden | |
| Temperament manchmal gehen ließ, wie im Landwirtschaftssalon, als er einen | |
| unfreundlichen Besucher mit „Casse-toi, pauvre con!“ (Verdrück dich, du | |
| Idiot) beschimpfte. „Das war ein Fehler, denn dieser Mann hatte das Recht | |
| zu denken, was er sagte, auch wenn er nicht so mit mir reden durfte. Das | |
| war dumm von mir, ich bedauere das noch heute.“ | |
| Auch hält er es im Nachhinein für deplatziert, dass er gleich nach seiner | |
| Wahl 2007 den Sieg in einem Pariser Nobelrestaurant mit seinen reichsten | |
| Spendern feierte und sich danach vom befreundeten Milliardär Vincent | |
| Bolloré zu Ferien auf eine Luxusjacht einladen ließ. „Ich hätte wegen | |
| meines neuen Status als Präsident misstrauischer und vorausschauender sein | |
| müssen.“ Denn gleich von Beginn an war er deswegen als | |
| „Bling-Bling“-Präsident mit einem Hang zum Luxus und Glamour abgestempelt. | |
| Die Zeitung Le Figaro hat bei der Lektüre 27 „Fehler“ erfasst, die Sarkozy | |
| in seinem „Mea culpa“ eingestehe. Offen bleibt, ob das reicht, um als | |
| Weiser wie Konfuzius in die Geschichte einzugehen. Mit Bedauern allein ist | |
| noch kein Programm geschrieben. Noch lieber teilt er Kritik und Lektionen | |
| anderen aus: seinen gestrigen Kollegen und Mitarbeitern, die heute zu | |
| Rivalen werden, aber auch dem derzeitigen Staatschef Hollande, den er | |
| während der Kampagne zweifellos unterschätzt hatte. | |
| Er möchte aber ihm gegenüber fair bleiben, er habe nämlich „mit ihm keine | |
| Rechnung zu begleichen“. Doch gleich attackiert er wieder: „Wie seine | |
| Freunde, zu denen ich nicht gehöre, weiß ich, wie sehr er manipulieren, | |
| maskieren und manchmal sogar die Wahrheit verdrehen kann.“ | |
| ## Sinkender Stern vermisst Rampenlicht | |
| Wer indiskrete Informationen oder Klatsch über Staats- und Regierungschefs | |
| erwartet, denen Sarkozy begegnet war, wird enttäuscht. Die Außenpolitik | |
| nimmt überhaupt wenig Platz ein in dieser subjektiven Retrospektive. Zu | |
| seiner innenpolitischen Bilanz merkt er mit Bedauern an, dass er die | |
| nötigen Reformen nicht sofort, in den ersten Tagen seiner Präsidentschaft | |
| eingeleitet habe. Vor allem bei der Rentenreform, bei der Abschaffung der | |
| 35-Stunden-Woche und der Vermögenssteuer ISF sei er „zu wenig weit | |
| gegangen“. | |
| Jetzt ist er 61 und fühlt sich noch zu jung für eine Frühpensionierung als | |
| Politiker. Er hatte 2014 voller Tatendrang und Ehrgeiz den Parteivorsitz | |
| wieder übernommen, die UMP in der Perspektive eines Neubeginns in „Les | |
| Républicains!“ (LR) umgetauft. | |
| Der anfängliche Elan ist längst erlahmt. Laut Umfragen ist Sarkozy selbst | |
| im eigenen Lager nicht der Favorit. Gegenwärtig würden die Sympathisanten | |
| der Partei LR ihm Expremier Alain Juppé vorziehen. Die Vorwahlen zur | |
| Nominierung des bürgerlich-rechten Präsidentschaftskandidaten finden im | |
| November statt. Für Sarkozy, dessen Stern zu sinken begann, war es der | |
| ideale Zeitpunkt, sich mit einem Buch in den Medien ins Rampenlicht zu | |
| stellen. Zu seiner Karriere meinte er in einem TV-Interview vielsagend, | |
| „die letzte Seite“ sei noch nicht geschrieben. | |
| 28 Jan 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Rudolf Balmer | |
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