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# taz.de -- Medien in der Köln-Debatte: Wer sagt, was relevant ist?
> Fakten gab es kaum, dafür viele Meinungen: Die Köln-Debatte begann in den
> Social Media. Damit stieg der Druck auf die Massenmedien.
Bild: Die Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof wurde vom regionalen zum inter…
Das Jahr begann mit einer erregten Debatte auf allen Kanälen: Es ging um
die Taten der Silvesternacht in Köln und anderen Städten. Wobei – auf allen
Kanälen fand sie zunächst nicht wirklich statt. Für drei Tage war es
vornehmlich eine Social-Media-Debatte. Die Deutungen überschlugen sich, und
am Pranger standen schnell: Flüchtlinge. Auch Journalisten wurden
kritisiert. Es hieß, sie seien zu langsam, würden gar etwas
[1][vertuschen].
Vom 4. Januar an gab es allerdings auch in den Massenmedien kein größeres
Thema als die Taten der Silvesternacht. Interpretationen, die in den
sozialen Medien besonders große Beachtung fanden, wurden schließlich auch
in journalistischen Beiträgen aufgegriffen. Zu einem Zeitpunkt, zu dem die
Faktenlage längst nicht geklärt war. Was bedeuten die Bedingungen der
digitalen Medienwelt, was bedeutet die Beschleunigung der Debatte für den
Journalismus?
Die Köln-Debatte zeigt, wie der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen
kürzlich in einem [2][Interview] sagte: „Niemand vermag in einer hoch
nervösen Medienwelt zu sagen: Sorry, wir warten erst einmal ab!“ Die
Mediengesellschaft habe die Ratlosigkeit und das Noch-nicht-Wissen
tabuisiert.
Es gibt viele Beispiele dafür. 2012 etwa: Nach dem Amoklauf in einer Schule
in Newtown im US-Bundesstaat Connecticut berichtete CNN, dass ein Ryan
Lanza der mutmaßliche Täter sei. Innerhalb kürzester Zeit verbreitete sich
sein Name weltweit über soziale Netzwerke und Nachrichtenportale. Wenig
später stellte sich heraus: Er war’s nicht. Sein Bruder hatte die tödlichen
Schüsse abgegeben.
## Journalisten sind auch Getriebene
Im Rahmen der Berichterstattung über die Anschläge beim Boston-Marathon
beschwerte sich ein Twitter-Nutzer über das langsame Tempo einer deutschen
Redaktion. Er lese live bei CNN mit. Die Redaktion entgegnete, sie brauche
Zeit, die Informationen zu prüfen.
Aber die Kritik ist symptomatisch: Journalisten treiben nicht nur Debatten
voran, sie sind auch Getriebene. Journalisten speisen ihre Geschichten
nicht nur in die sozialen Netzwerke ein, sie bekommen auch Geschichten
zurück. Sie können live mitverfolgen, für welche Themen sich ihre
Leserinnen und Leser maßgeblich interessieren. Und die machen sie dann
häufig zu ihren.
In der Titelgeschichte der [3][taz.am wochenende vom 23./24. Januar] geht
der taz-Autor Klaus Raab der Frage nach, wie unter diesen Bedingungen im
Jahr 2016 Relevanz entsteht. Was ist wichtig? Das, was alle wissen wollen?
Was aber, wenn man noch nichts weiß? Sollten Klickzahlen,
Facebook-Kommentare und Likes eine Währung für Journalisten sein?
Dafür hat er den Beginn der Köln-Debatte rekonstruiert und analysiert. Die
stellvertretende Chefredakteurin der dpa sagt, warum die Kölner
Silvestertaten zunächst als Thema für die Regionalberichterstattung
eingeschätzt wurden. Der Chefredakteur von Focus Online sagt, wie stark das
Nutzerinteresse Einfluss auf die Themensetzung hat. Und der Chefredakteur
eines jungen Start-ups, das gute journalistische Beiträge empfiehlt, will
alles anders machen. Relevant sei einzig der Erkenntnisgewinn, Klicks kein
Kriterium.
Raab schreibt: „Die sozialen Medien liefern Größenordnungen – Zahlen, wie
viele Menschen sich für ein Video, einen Tweet, einen Artikel
interessieren. Und sie liefern Narrative.“ Dass Journalisten das
Publikumsinteresse berücksichtigten, sei keine negative Entwicklung.
Gefährlich werde es, sagt eine Kommunikationswissenschaftlerin, wenn in den
Social Media ein verzerrtes, einseitiges Bild entstehe.
Diskutieren Sie mit!
Wie steht es um die Glaubwürdigkeit der Medien? Geht der
Geschwindigkeitswettbewerb zu Lasten der Wahrheit? Müssen Medien auf
vorschnelle Deutungen – wie im Fall Köln – einsteigen? Und warum werden die
größten Themen immer noch größer, während viele andere – wie der
Terroranschlag in Istanbul – zu kurz kommen? War es besser, als
Journalisten noch die Agenda nahezu alleine definierten?
Die Titelgeschichte „Darüber müssen wir reden“ lesen Sie in der [4][taz.am
wochenende vom 23./24. Februar].
22 Jan 2016
## LINKS
[1] http://www.tagesspiegel.de/medien/kritik-an-den-medien-wegen-koeln-berichte…
[2] http://www.tagesspiegel.de/medien/medienwissenschaftler-bernhard-poerksen-z…
[3] /Ausgabe-vom-23/24-Januar-2016/!161697/
[4] /Ausgabe-vom-23/24-Januar-2016/!161697/
## AUTOREN
Maria Gerhard
## TAGS
Köln
Silvester
Soziale Medien
Sexuelle Übergriffe
Pressekodex
Schwerpunkt Türkei
Sexuelle Gewalt
Schwerpunkt AfD
Köln
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