# taz.de -- Dokudrama über Beate Zschäpe: Die Bettszene darf nicht fehlen | |
> „Letzte Ausfahrt Gera“ ist ein misslungenes Roadmovie: Es interessiert | |
> sich hauptsächlich für Zschäpes Sexleben, weniger für ihre rechtsextreme | |
> Einstellung. | |
Bild: Lisa Wagner als Beate Zschäpe, in typisch abwehrender Haltung. | |
Gleich zu Beginn des Films erfährt der Zuschauer, dass nicht nur | |
Boulevardjournalisten heftig über das Zusammenleben von Beate Zschäpe mit | |
Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos sinniert haben: „Eines frage ich mich immer | |
wieder: Hat sie mit beiden Uwes geschlafen?“, fragt da die BKA-Beamtin | |
Dietrich (Christina Große). | |
Die Verhörexpertin ist eine der Protagonistinnen in Raymond Leys Film | |
„Letzte Ausfahrt Gera – Acht Stunden mit Beate Zschäpe“. Zusammen mit ih… | |
Kollegen Troller (Joachim Król) und diversen Bewachern begleitet sie die | |
mutmaßliche NSU-Terroristin im Sommer 2012 bei einer Kleinbusfahrt von der | |
Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf nach Gera. Zschäpe bekam damals die | |
Gelegenheit, in Gera ihre nicht reisefähige Großmutter zu besuchen. | |
Dietrich und vor allem Troller hoffen, die bis dato schweigende Gefangene | |
mit Smalltalk weichkochen zu können. | |
Zschäpe (Lisa Wagner) plaudert zwar über den Sonnenschein in Rostock, die | |
Qualität des Vormittagsprogramms (“total unrealistisch“) und den | |
Gefängnisalltag (“Ich darf bei den Jogginggruppen nicht mitmachen. | |
Ätzend“). Für ihren Fall auch nur annähernd Maßgebliches lässt sie sich | |
allerdings nicht entlocken. Der Film rekonstruiert nun dieses | |
Nichtgelingen. Als Basis dient ein Gedächtnisprotokoll, das BKA-Beamte nach | |
der Fahrt angefertigt haben. Das Gespräch durfte nicht aufgenommen werden, | |
weil es offiziell keine Vernehmung war. | |
Eingebettet in diese roadmovieartige Rahmenhandlung sind fiktionalisierte | |
Szenen aus dem NSU-Prozess, unter anderem von Zeugenaussagen von | |
Hinterbliebenen. Hinzu kommen weitere Spielfilmszenen aus der Zwickauer | |
Wohnung des NSU-Trios, samt Bettszene, sowie dokumentarische Interviews. | |
Auch hier gibt Ley Hinterbliebenen Raum, genauso wie dem Kölner Friseur | |
Hasan Yildirim, der einen Anschlag überlebt hat, der | |
Rechtsextremismusexpertin Katharina König (Die Linke) und, warum auch | |
immer, einem thüringischen NPD-Funktionär. Er ist ein Zeitzeuge wie jeder | |
andere. Aber Rechtsextremisten reden zu lassen, liegt ja derzeit ohnehin im | |
Trend im deutschen Fernsehen. | |
## Hübsch gefilmte Autobahnen | |
Die Szenen auf der Fahrt nach Gera dienten dem Ziel, sich „der Person“ | |
Zschäpe „anzunähern“, sagt Walid Nakschbandi von der Firma AVE, einer der | |
beteiligten Produzenten. Das wirft die Frage auf, wem es überhaupt etwas | |
bringt, sich Beate Zschäpe „anzunähern“? Es ist ehrenwert, dass die | |
Filmemacher auch den Angehörigen der Opfer eine Stimme geben. Aber indem | |
Ley sich auf die Person Zschäpe fokussiert, reproduziert er mit seinem | |
Dokudrama letztlich das Elend eines Großteils der Berichterstattung über | |
den NSU. Nicht einmal die Information, dass Zschäpe sich für „Sexy Cora“ | |
interessierte, die 2011 verstorbene Pornodarstellerin, mag Ley uns | |
vorenthalten. „Was faszinierte die Nazi-Braut an ‚Sexy Cora‘?“, | |
schlagzeilte die Bild 2012. | |
Da können auch hübsch gefilmte Bilder von deutschen Autobahnen wenig retten | |
– ebenso wenig Lisa Wagners Darbietungen. In den Prozessszenen stellt sie | |
die Angeklagte noch einen Tick diabolischer dar, als es die | |
Gerichtsberichterstattung über die wahre Zschäpe bisher vermuten ließ. „Um | |
Frau Zschäpe spielen zu können, muss ich ihr innerhalb ihres Kosmos recht | |
geben; muss ich mich mit ihrem Werdegang identifizieren und ihr Sein | |
anerkennen“, so Wagner über die Rolle. Sonst könne sie sie „nicht glaubha… | |
verkörpern“. Das ist ihr zwar gelungen, aber so etwas nützt natürlich | |
wenig, wenn der gesamte Ansatz des Films falsch ist. | |
Dass „Letzte Ausfahrt Gera“ nur ein verzichtbares Roadmovie ist, ist auch | |
deshalb ärgerlich, weil die Geschichte des NSU allerlei filmisches | |
Potenzial hat. Im Frühjahr wird sich die ARD mit einer Spielfilmtrilogie an | |
diesem Thema versuchen. | |
26 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
René Martens | |
## TAGS | |
Beate Zschäpe | |
NSU-Prozess | |
Rechtsextremismus | |
NPD | |
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) | |
NSU-Prozess | |
Rechter Terror | |
Beate Zschäpe | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
ARD-Spielfilmreihe über den NSU: Mehr Herz als Verstand | |
Die ARD zeigt die rechte Terrorzelle – aus der Perspektive der Täter, der | |
Opfer und der Ermittler. Gelingt das? Nun ja: Es ist kompliziert. | |
Beate Zschäpe im NSU-Prozess: Schon wieder gescheitert | |
Erneut will Zschäpe ihre drei Pflichtverteidiger Stahl, Sturm und Heer | |
loswerden. Das Gericht sieht keinen Grund dafür. Jetzt drohen neue | |
Verzögerungen. | |
Kommentar NSU-Prozess: Den Mythos selbst beerdigt | |
Dass Zschäpe NSU-Helfer benennt, ist der letzte Versuch, einer Höchststrafe | |
zu entkommen. Rechtsextreme werden ihr das aber nicht vergessen. | |
Beate Zschäpe: Neue Attacke gegen alte Verteidiger | |
Erneut beklagt sich die Angeklagte im NSU-Prozess bei Gericht über Wolfgang | |
Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm. Diese hätten sich „bewusst schädigend�… | |
verhalten. | |
Wohlleben-Aussage im NSU-Prozess: Keine Ahnung, keine Schuld | |
Der Angeklagte bestreitet, die Mordwaffe besorgt zu haben. Von der | |
Terrorserie seiner Freunde habe er erst aus Medienberichten erfahren. |