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# taz.de -- Aus Le Monde diplomatique: Sonnenscheinpolitik adé?
> Im Norden Koreas zündelt Kim Jong Un. Und im Süden setzt die autoritäre
> Präsidentin Park Guen Hye auf den Zusammenbruch des Regimes.
Bild: Der Herrscher mit dem Hang zur nuklearen Drohgebärde.
Die meisten weinen und lachen zugleich, alte Frauen und Männer aus Nord-
und aus Südkorea, die hier ein gerührtes Wiedersehen feiern. Wir befinden
uns im Feriengebiet Mount Kumgang, auf dem Territorium der Demokratischen
Volksrepublik Korea (DVRK). Erstmals seit der Teilung der Halbinsel im Jahr
1953 begegnen sich Menschen aus zerrissenen Familien: Schwester und Bruder,
Mutter und Sohn, Vater und Tochter.
400 Personen aus Südkorea durften am 20. Oktober 2015 im Rahmen eines kurz
zuvor unterzeichneten bilateralen Abkommens die Grenze überschreiten. Die
Behörden in Seoul hatten sie unter knapp 66.500 Bewerbern ausgewählt, die
einen Antrag auf Teilnahme an dem erstmaligen Wiedersehen eingereicht
hatten. Wann solche Treffen zur Normalität werden könnten, steht allerdings
in den Sternen.
Zwar trifft man im Norden auf bombastische Wandgemälde, die das Freudenfest
der Wiedervereinigung darstellen, und im Süden existiert sogar ein
Wiedervereinigungsministerium. Beide Seiten tun so, als arbeiteten sie
rastlos an der längst überfälligen Zusammenführung „des“ koreanischen
Volks. Doch in Wirklichkeit macht die Annäherung kaum Fortschritte. Die
meisten Beobachter machen dafür die politische Führung des Nordens
verantwortlich, deren Launen und Provokationen umso bedrohlicher wirken,
als Pjöngjang behauptet, einsatzfähige Atomwaffen zu besitzen. Allerdings
gibt es in Südkorea auch zahlreiche Stimmen, für die Nordkorea nicht der
Hauptschuldige ist. Sie betonen stattdessen die Verantwortung Seouls, und
viele Kritiker zeigen mit dem Finger auch auf die USA.
Um die in beiden Koreas herrschenden Ängste zu verstehen, muss man sich die
dramatische Geschichte der Halbinsel vergegenwärtigen. Ab 1910 befand sich
Korea unter japanischer Besatzung. Die Bevölkerung leistete zum Teil
Widerstand, vor allem im industrialisierten Norden, zum Teil kollaborierte
sie auch mit den Besatzern.
## Die Halbinsel im Kalten Krieg
Nach der Befreiung Ende des Zweiten Weltkriegs unterstand das Land zunächst
der Kontrolle von „Friedenstruppen“. Das waren im Norden sowjetische
Verbände, unter deren Ägide Kim Il Sung an die Macht kam; und im Süden die
US-Armee, die ein autoritäres Regime einsetzte, das sich auch auf frühere
Kollaborateure der Japaner stützte. 1950 überfiel der Norden den Süden,
wobei das Kim-Regime auch auf Unterstützung durch unzufriedene
Bevölkerungskreise des Südens setzte.
Nachdem der UN-Sicherheitsrat den militärischen Beistand für Südkorea
legitimiert hatte (ohne Zustimmung der Sowjetunion, die das Gremium
boykottierte), drängten US-Streitkräfte die Nordkoreaner wieder zurück. Nur
der Kriegseintritt Chinas hat damals verhindert, dass ganz Nordkorea
erobert wurde und US-Truppen bis zur koreanisch-chinesischen Grenze
vorrückten.
Am 27. Juli 1953 wurde schließlich in Panmunjeom ein
Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet, das als Grenzlinie den 38.
Breitengrad festlegte, der schon vor den Militäraktionen die
innerkoreanische Demarkationslinie gewesen war. Das heißt, man hatte den
Krieg sozusagen umsonst geführt. Noch heute markiert ein schmaler
Betonstreifen zwischen blau gestrichenen Baracken die Grenze innerhalb der
„demilitarisierten Zone“ (DMZ), über die hinweg südkoreanische und
US-Soldaten die nordkoreanischen Gegner beobachten und umgekehrt.
## Tausend Kühe für den Norden
Kurz vor der anfangs geschilderten Begegnung erinnert uns der ehemalige
Wiedervereinigungsminister Jeong Se Hyun daran, dass es auch eine Zeit gab,
da „der Süden Angst vor einer Wiedervereinigung unter Vorherrschaft des
Nordens hatte“. In den 1950er Jahren habe die DVRK trotz der großen
Zerstörungen ein doppelt so hohes Bruttoinlandsprodukt (BIP) erwirtschaftet
wie Südkorea. Mitte der 1960er Jahre setzte dann der Aufschwung des Südens
ein, während das Wachstum im Norden einbrach. In der Folge wuchs das
Misstrauen auf beiden Seiten.
Jeong ist heute siebzig Jahre alt. Er hat den Wechsel von Annäherung und
Abschottung von Beginn an miterlebt und erzählt nun mit Liebe zum Detail
die Saga von den feindlichen Brüdern. Überraschenderweise sieht er den
Norden dabei nicht als den unbeständigeren Faktor an: „Die Politik des
Südens gegenüber Nordkorea hat sich mit jedem Präsidenten verändert – je
nachdem, ob der antikommunistisch und zugleich von einem schnellen
Zusammenbruch Pjöngjangs überzeugt war – oder eben nicht.“
1972 erfolgte erstmals eine „Gemeinsame Erklärung“, die eine mögliche
„Wiedervereinigung“ erwähnte. Doch erst nach dem Ende der Diktatur im Süd…
und vor allem nach dem Fall der Berliner Mauer zeigte Seoul, dass man es
ernst meinte. Insbesondere Präsident Roh Tae Woo (1988 bis 1993), der trotz
seiner militärischen Vergangenheit kein fanatischer Antikommunist war, habe
auf Wandel gesetzt, erklärt Jeong: „Er war es, der den Grundstein für ein
Abkommen mit Pjöngjang legte.“ Am 21. September 1991 traten die beiden
Koreas offiziell der UNO bei. Drei Monate später unterzeichneten sie ein
„Abkommen über Versöhnung, Nichtaggression, Austausch und Zusammenarbeit“.
Es war noch kein Friedensvertrag, beendete aber immerhin den Kriegszustand.
## Beginn der Atompolitik
Laut Jeong versuchte die nordkoreanische Führung damals auch, ihre
Beziehungen zu den USA zu normalisieren, schon weil mit dem Ende der UdSSR
auch die sowjetischen Finanzhilfen weggebrochen waren. Im Januar 1992
entsandte Kim Il Sung seinen persönlichen Sekretär zu den Vereinten
Nationen nach New York. Der unterbreitete einem US-Sonderbeauftragen ein
geheimes Angebot, in dem es hieß: „Wir bestehen nicht länger auf den Abzug
der US-Truppen aus dem Süden, wenn ihr im Gegenzug versprecht, die Existenz
unseres Landes nicht mehr infrage zu stellen.“
Als George Bush senior eine Antwort schuldig blieb, startete Nordkorea
seine Atompolitik, erzählt Jeong: „Kim Il Sung war überzeugt, dass
Washington die DVRK von der Landkarte tilgen will.“ Das Atomprogramm des
Nordens verurteilt Jeong wie alle Südkoreaner. Aber er hebt hervor, was von
der offiziellen Geschichtsschreibung meist ignoriert wird: Damals war es
Washington, das Öl ins Feuer goss. Pjöngjang reagierte nur.
Rohs Nachfolger, Kim Young Sam, teilte die Überzeugung des US-Präsidenten
Bill Clinton, dass der kommunistische Norden früher oder später
zusammenbrechen würde. Er wollte diesen Prozess durch die Isolierung der
DVRK beschleunigen, die zwischen 1995 und 1998 eine schreckliche Hungersnot
durchlitt. Damals wurde der Zerfall des Landes nur durch die staatliche
Repression und nationalistische Reflexe der Bevölkerung verhindert.
Die Legende will es, dass das Ende der Blockade Nordkoreas 1998 durch den
Hyundai-Gründer Chung Ju Yung eingeleitet wurde, als dieser eintausend Kühe
(als Symbol für humanitäre Hilfe) über die Grenze brachte. Doch der
eigentliche Durchbruch erfolgte zwei Jahre später, beim historischen
Treffen zwischen Kim Jong Il und Kim Dae Jung, das ein Jahrzehnt des
Dialogs und der Kooperation einleitete. In diese Zeit fielen unter anderem
die Eröffnung des Feriengebiets Mount Kumgang (2003) und der
Sonderwirtschaftszone Kaesong (2004) auf nordkoreanischem Boden sowie die
Öffnung mehrerer Straßen- und Zugverbindungen zwischen beiden Staaten
(2007).
## Auf Konfrontationskurs
Diese „Sonnenscheinpolitik“ wurde allerdings immer wieder überschattet, sei
es durch nordkoreanische Atomwaffentests (2006, 2009 und 2013), sei es
durch die harte Haltung der USA oder die ambivalente Position Chinas. Nach
der Wahl des konservativen Präsidenten Lee Myung Bak 2008 setzte Seoul
wieder voll auf Konfrontation.
Bedeutet dies das Ende jeder Hoffnung auf Frieden und Wiedervereinigung?
Lees ebenfalls konservative Nachfolgerin, Park Geun Hye, versprach bei
ihrem Amtsantritt eine „Politik des Vertrauens“ – einen Mittelweg zwischen
„Sonnenscheinpolitik“ und dem Konfrontationskurs Lees. Doch Fortschritte
sind – sieht man von dem Familientreffen im Oktober ab – noch nicht
erkennbar. „Frau Park steht mit einem Fuß auf dem Gaspedal, mit dem anderen
auf der Bremse“, meint Jeong. „Das macht zwar viel Lärm, aber man kommt
nicht vom Fleck.“
Nicht viel gnädiger fällt das Urteil von Paik Hak Soon aus. Der Leiter des
Zentrums für Nordkoreastudien am Sejong-Institut in Seoul beschuldigt die
Präsidentin, die Nordkorea-Frage für innenpolitische Zwecke zu missbrauchen
(siehe Artikel von Sun Ilkwon). Der Politologe Paik bedauert, dass die
südkoreanische Presse sich in ihren Berichten über den Norden auf die
dunklen Seiten des Regimes konzentriert und sich kaum für Veränderungen
interessiert. Als Beispiel nennt er die Berichte über eine Militärparade,
die Kim Jong Un am 10. Oktober 2015 veranstaltet hat. Paik sieht in diesem
Ereignis vor allem einen politischen Wendepunkt, da Kim Jong Un seine
„Kontrolle über Armee, Wirtschaft, Staat und Partei“ demonstrieren konnte.
Der junge Präsident habe seine Macht gefestigt, und die nordkoreanische
Wirtschaft habe sich leicht erholt, berichtet Paik. Kim konnte die
Beziehungen zu Japan vertiefen, was zur Aufhebung einiger japanischer
Sanktionen führte. Auch über die Frage der entführten japanischen
Staatsbürger ist man im Gespräch, [1][der Schuldenstreit mit Russland ist
inzwischen beigelegt]. Und seit September 2015 ist die Bahnverbindung
zwischen der russischen Stadt Chassan und dem nordkoreanisch Rason wieder
in Betrieb.
## Ein Kim Jong Un-Fürsprecher im Süden
Auch der Nordkorea-Experte Koh Yu Hwan von der Universität Dongguk sieht
positive Entwicklungen: „Kim Jong Un versucht die Beziehungen zu Südkorea
zu verbessern und würde auch gern die Wogen zwischen Nordkorea und den USA
glätten. Nur wenn der Dialog scheitert, wird er mit neuen Provokationen
anfangen.“
Koh ist Direktor des zweiten großen Instituts für Nordkorea-Studien in
Seoul und hat dank der Kooperation zwischen seiner (buddhistischen)
Universität und dem renovierten Tempel am Mount Kumgang das seltene
Privileg, den Norden besuchen zu können. Er gehört zudem der
Präsidialkommission für die Vorbereitung der koreanischen Wiedervereinigung
an, die direkt der Präsidentin untersteht und von fortschrittlichen wie
pazifistischen Kreisen stark kritisiert wird. Innerhalb dieses Gremiums ist
Koh der einzige Befürworter von Gesprächen.
In der Tat erwarten die meisten politischen Verantwortlichen in Südkorea
ohnehin, dass das Regime in Pjöngjang früher oder später zusammenbricht. Am
25. Oktober 2015 machte die meistgelesene Zeitung des Landes, die
konservative Chosun Ilbo, mit der rhetorischen Frage auf: „Sind die Tage
des nordkoreanischen Regimes gezählt?“ Als Antwort verwies sie auf die
„zunehmende Abwendung der Eliten“.
## Vergleich mit dem geteilten Deutschland
Während man auf den Tag X wartet, entstehen laufend Studien, die Korea mit
Deutschland vergleichen. Und auf deutschem Boden, in Dresden, präsentierte
die südkoreanische Präsidentin im März 2014 ihr „Konzept für die friedlic…
Wiedervereinigung der koreanischen Halbinsel“, das natürlich vom Sieg des
kapitalistischen, demokratischen Koreas ausgeht.
Ein Vergleich mit dem geteilten Deutschland der 1970er und 1980er Jahre ist
aber schon deshalb schief, weil zwischen Nord- und Südkorea eine
militärische, bürgerkriegsähnliche Konfrontation herrscht. Ungeachtet der
gemeinsamen Geschichte und Kultur ist der beiderseitige Hass deswegen noch
weit verbreitet. Auch ist die ökonomische Kluft auf der koreanischen
Halbinsel wesentlich tiefer als im Deutschland vor der Wende: Die
Wirtschaftskraft der BRD überstieg die der DDR um das Vierfache, in Korea
ist das BIP des Südens heute 60-mal höher als das des Nordens.
Es kann daher kaum überraschen, dass junge Südkoreaner angesichts
mangelnder Berufschancen in ihrer kriselnden Gesellschaft nicht gerade
jubeln bei der Vorstellung, finanziell für einen Nachbarn aufkommen zu
müssen, den sie nur von Karikaturen kennen. [2][Bezeichnend ist, dass
Geflüchtete aus Nordkorea nach wie vor diskriminiert werden und meist nur
Gelegenheitsjobs finden].
## Diskrepanz zwischen Prinzip und Praxis
Wie stabil das Regime in Pjöngjang wirklich ist, weiß kein Mensch. Aber
wenn man mit seinem baldigen Zusammenbruch rechnet, wird man nicht über
Alternativen zur Konfrontationspolitik nachdenken, meint Koh Yu Hwan: „Geht
man hingegen davon aus, dass Nordkorea auch in Zukunft existieren wird,
muss man sich um Gesprächs- und Verhandlungsmöglichkeiten bemühen. Alle
haben ein Interesse daran, dass das Land sich in den globalen Kapitalismus
einfügt.“
Koh empfiehlt wie die meisten Experten, mit denen wir gesprochen haben,
eine Politik der kleinen Schritte. Das tut auch Choi Jin Wook, Präsident
des regierungsnahen Korea Institute for National Unification in Seoul:
„Durch das ständige Auf und Ab in den bilateralen Beziehungen ist das
Vertrauen zwischen beiden Ländern schwer beschädigt. Daher sollte man erst
mal klein anfangen und dann schrittweise mehr wagen.“
Im Prinzip scheinen sich alle einig zu sein. Doch in der Praxis sieht es
anders aus. Park Sun Song, Dozent und Forscher am Institut für
Nordkorea-Studien der Universität Dongguk, kritisiert Präsidentin Park,
weil sie die atomare Abrüstung des Nordens zur Bedingung für mögliche
humanitäre Hilfen und Verhandlungen machen will: „Gewiss bleibt die
Entnuklearisierung eines der Hauptziele. Doch wenn man bedenkt, wie viele
Waffen es insgesamt auf der Halbinsel gibt, muss sich Pjöngjang einfach
unter Druck gesetzt fühlen, wenn man die Frage auf eine rein militärische
Dimension reduziert.“
## Schwieriger Schützling für China
Nordkorea ist fürwahr kein Friedensengel. Aber man darf auch nicht
vergessen, dass Südkorea selbst ein hochmodernes Waffenarsenal besitzt,
darunter Raketenabwehrsysteme made in USA. Und dass fast 29 000 US-Soldaten
im Land stationiert sind. Für Park Sun Song ist der Atomkonflikt deshalb
nur eines von vielen Problemen: „Nukleare Abrüstung kann nur gelingen, wenn
Fortschritte in Richtung Frieden und Kooperation erfolgen – nicht
umgekehrt. Das betrifft nicht nur Nord- und Südkorea, sondern ganz
Nordostasien.“ Und natürlich die USA, in denen Park das größte Hindernis
für eine Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Koreas sieht.
Washington verweigert nicht nur jeden direkten Dialog mit Pjöngjang. Die
vorhandenen Ängste dort werden durch gemeinsame Militärmanöver mit Südkorea
sogar noch verstärkt. Ursprünglich dienten diese dem Ziel, „die
amerikanischen und südkoranischen Truppen so auszubilden, dass sie ein
Vordringen nordkoreanischer Spezialeinheiten ins Innere Südkoreas
verhindern können“, erläutert der Politologe Moon Chung In von der
Yonsei-Universität in Seoul.
Aber nach 2013 habe sich das geändert: „Seither haben die USA taktische
Waffensysteme stationiert, darunter Atom-U-Boote, B-52-Bomber und
B-2-Tarnkappenbomber, die sich auch mit Kernwaffen bestücken lassen, dazu
F-22-Tarnkappenjagdbomber und Zerstörer, die mit dem Raketenabwehrsystem
Aegis ausgestattet sind.“ Moon Chung In will das „kriegerische Verhalten“
Pjöngjangs keinesfalls verharmlosen, sieht darin aber durchaus auch „eine
Reaktion auf die wachsende Bedrohung durch die Amerikaner“.
Die Reaktionen der Volksrepublik – nukleare Drohgebärden, verstärkt durch
Raketentests – haben allerdings nicht zu den geforderten Verhandlungen mit
Washington geführt. Deshalb hat das Regime im Oktober 2015 im
nordkoreanischen Staatsfernsehen dazu aufgerufen, die „Eskalation der
Spannungen“ zu beenden und über einen Friedensvertrag zu verhandeln: „Wenn
die USA sich mutig von ihrer gegenwärtigen Politik abwenden, würden wir
dies begrüßen und mit konstruktivem Verhalten beantworten. Wir haben
bereits eine Nachricht über die offiziellen Kanäle versandt und erwarten
eine ehrliche Antwort.“ Zweifelsohne hofft Nordkorea auf ähnliche Gespräche
wie mit dem Iran. Doch es gebe einen wichtigen Unterschied, meint Koh Yu
Hwan: Der Iran hatte nicht die Rückendeckung durch Peking, und das sei ein
Problem, weil die Ostasienpolitik der USA ja auch China „im Visier“ habe.
## Sicherheitsgarant USA
Zwar hat Peking nach dem letzten Atomtest von 2013 den Sanktionen gegen
Pjöngjang im UN-Sicherheitsrat zugestimmt. Aber um einen ökonomischen
Zusammenbruch zu verhindern, greift man Nordkorea weiterhin unter die Arme
– vor allem mit Lebensmittel- und Öllieferungen. Allerdings hat Chinas
Präsident Xi Jinping seinen nordkoreanischen Amtskollegen noch mit keinem
Besuch beehrt, während er in Seoul bereits zu Gast war.
Auch die südkoreanische Präsidentin reiste schon im September 2015 nach
Peking, um einer Militärparade zum Jahrestag der Beendigung des Krieges
gegen Japan beizuwohnen. Als politische Geste war dieser Besuch spektakulär
und heikel zugleich, weil beide Länder Probleme mit Japan haben. Aber China
ist heute für Südkorea der wichtigste Wirtschaftspartner, so wie Südkorea
für China der drittwichtigste Exportmarkt ist.
In Seoul wird diese Idylle von Parks konservativen Freunden kritisch
beäugt, zumal die politische Wetterlage zwischen China und den USA alles
andere als freundlich ist. Diese Kreise argumentieren, China sei für
Südkorea zwar der wichtigste Handelspartner, aber die USA seien nach wie
vor der einzige Sicherheitsgarant des Landes. Ein südkoreanischer Diplomat
beschreibt die Position seines Landes zwischen China und den USA mit
folgendem Bild: „Am ostasiatischen Himmel gehen zwei Sonnen auf. Südkorea
wird sich für eine der beiden entscheiden müssen.“ Derzeit versucht die
Präsidentin noch, sich an beiden Sonnen zu wärmen. Zugleich aber zögert sie
weiterhin, ernsthafte Verhandlungen mit Pjöngjang aufzunehmen.
Der nordkoreanische Vorschlag einer Konföderation ist bislang ebenso vage
wie die von fortschrittlichen Kreisen in Südkorea verfolgte Idee einer
Staatengemeinschaft nach dem Vorbild der EU. Beide Konzepte setzen
allerdings voraus, dass man in Seoul und anderswo aufhört, auf den
Zusammenbruch Nordkoreas zu setzen, betont Koh Yue Hwan: „Statt Nordkorea
wie einen Pariastaat zu behandeln und immer stärker zu isolieren, sollte
man versuchen, das Land an die internationale Gemeinschaft heranzuführen
und einen Öffnungsprozess zu unterstützen.“
Aus dem Französischen von Richard Siegert
10 Jan 2016
## LINKS
[1] http://monde-diplomatique.de/artikel/!200145
[2] http://monde-diplomatique.de/artikel/!451175
## AUTOREN
Martine Bulard
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