# taz.de -- Korruption in Bremerhaven: Wer kennt schon Gesetze? | |
> Bremerhavens Magistrat steht hinter Oberbürgermeister Melf Grantz: Er | |
> müsse die Antikorruptions-Richtlinie nicht kennen. | |
Bild: Vom Verwaltungsgericht gerügt: Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Gran… | |
BREMEN taz | Muss ein Oberbürgermeister die wesentlichen Grundsätze der | |
Antikorruptionsrichtlinie im Kopf haben? Das ist die Frage, die derzeit | |
Bremerhaven bewegt. Immerhin ist Melf Grantz, um den es geht, Jurist. Am | |
Donnerstagabend wollte die Grünen-Fraktionsvorsitzende in der | |
Stadtverordnetenversammlung, Doris Hoch, im Verfassungsausschuss wissen, | |
warum der Magistrat die Dienstaufsichtsbeschwerde der | |
Antikorruptionsbeauftragten vergangenen Dezember schlicht abgebügelt hat. | |
Und das mit Mehrheit der Partei des Oberbürgermeisters, der SPD. Sowohl das | |
grüne Magistratsmitglied wie auch der CDU-Mann Michael Teiser sollen dem | |
Vernehmen nach in der Sitzung anders votiert haben. Teiser war zu allem | |
Überfluss offenbar als Antragsteller für den Persil-Antrag vorgesehen: | |
Getippt steht sein Name auf dem Papier, doch Teiser verweigerte die | |
Unterschrift. | |
## Drei-Gänge-Menü für Mitarbeiter | |
Es geht immer noch um eine kleine Einladung an Mitarbeiter der | |
Beschaffungs-Abteilung, die sich in Bremerhaven zur Affäre ausweitet. Die | |
Firma „ePhilos-AG“ des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Andreas Kottisch hatte | |
die Mitarbeiter zu einer Varieté-Show mit Drei-Gänge-Menü nach Bremen | |
eingeladen. | |
So etwas geht für den Leiter der Zentralen Antikorruptionsstelle (ZAKS) im | |
Land Bremen, Daniel Heinke, entschieden zu weit: Selbst „nett gemeint“ | |
könne bestechlich wirken, erklärte er. In Bremerhaven wird das Bremer | |
Landesrecht anders gesehen: Sie hätten auch früher ähnliche Einladungen | |
bekommen und angenommen, rechtfertigten sich die betroffenen Mitarbeiter. | |
Einer stellte in einer Dankes-E-Mail an die Kottisch-Software-Firma sogar | |
ganz ungeniert eine Verbindung zu den geschäftlichen Interessen des | |
Unternehmens her: Er regte an, „über Ihr Angebot, bezogen auf das Upgrade“ | |
zu sprechen, sobald er wieder im Dienst sei. | |
## Gutachten ging an die Presse | |
Der Bremerhavener Oberbürgermeister, der diese Mail angeblich kannte, hätte | |
den Fall an die Staatsanwaltschaft geben müssen. Darin sind sich heute alle | |
einig. Er sei „einer Fehleinschätzung erlegen“, räumt Grantz selbst ein. | |
Er ließ sich ein Rechtsgutachten machen, in dem es heißt: Die | |
Antikorruptionsbeauftragte Beate Gissel-Baden ist schuld, denn die hätte | |
ihn informieren müssen, dass so was problematisch sei. Man könne vom | |
Bürgermeister nicht erwarten, so das Rechtsgutachten, dass er | |
„detaillierten Inhalt“ der Antikorruptions-Richtlinie „stets vor Augen“ | |
habe. | |
Das Gutachten mit dieser Schuld-Zuweisung an die Antikorruptionsbeauftragte | |
verschickte der Oberbürgermeister an die Presse. Das wiederum brachte | |
Gissel-Baden in Rage: Ihre Erklärung, dass sie erst aus der Zeitung von den | |
Korruptionsvorwürfen im Beschaffungswesen erfahren habe, der OB aber vorher | |
direkt aus dem Personalamt informiert wurde, kommt in dem einseitigen | |
„Gutachten“ überhaupt nicht vor. Gissel-Baden formulierte ihre | |
Dienstaufsichtsbeschwerde. | |
## Klage gegen Versetzung | |
Die Ironie der Geschichte: Die für das Beschaffungswesen zuständige | |
Abteilungsleiterin Eva Cappelmann, die die Einladung an ihre Untergebenen, | |
die an ihr vorbei ausgesprochen wurde, als Korruptionsproblem empfand und | |
pflichtgemäß ihrer Vorgesetzten meldete, wurde strafversetzt ins | |
Rechnungsprüfungsamt – ausgerechnet zu Gissel-Baden, die in Personalunion | |
Antikorruptionsbeauftragte und Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes ist. | |
Cappelmann hat vor dem Verwaltungsgericht gegen ihre Versetzung erfolgreich | |
geklagt. Das Bremer Verwaltungsgericht rügte dabei mit klaren Worten den | |
Rechtsverstoß des Oberbürgermeisters. Grantz will den Richterspruch aber | |
nicht hinnehmen und hat Beschwerde eingelegt. | |
So ist die Strafversetzung aus dem Februar 2014 noch immer in Kraft. Doris | |
Hoch hatte ihn aufgefordert, die Beschwerde zurückzuziehen, denn wenn er | |
auch beim Oberverwaltungsgericht als Rechtsbeuger abgewiesen würde, müsse | |
er „Konsequenzen ziehen, um unsere Stadt nicht der Lächerlichkeit | |
preiszugeben“. | |
15 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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