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# taz.de -- Bremerhavener SPD will "flexibel" sein: Zeitarbeits-Lobby a la SPD
> Die SPD rechtfertigt Zeitarbeit als arbeitsmarktpolitisches Instrument,
> die Zeitarbeits-Lobby preist derweil die Flexibilität der Arbeitskraft
> als Zukunftsmodell
Bild: Melf Grantz, SPD-OB, begrüßt "Zeitarbeit als Jobmotor"
Im feinen Bremerhavener "City Hotel" traf sich am Dienstagabend die Lobby
der Zeitarbeitsfirmen der Region. "Jobmotor Zeitarbeit" war das Motto,
Fragezeichen gab es da nicht. "Wir reden nicht darüber, ob wir es
brauchen", erklärte Hansjörg Troebner von den Veranstaltern des
Innovations-Netzwerkes "i2b". Da man Proteste fürchtete, habe man die
Kooperation einer Security-Firma gesucht - als Sponsor, versteht sich.
Scharfe Kritik hatte es im Vorfeld von Seiten der Gewerkschaft Verdi
gegeben, unterstützt von der Grünen-Abgeordneten Silvia Schön. Leiharbeit,
die nicht dem sozialdemokratischen Forderung nach "equal pay" - also
gleichem Lohn für gleiche Arbeit - entspreche, dürfe nicht durch
gewerkschaftliche und kommunale Unterstützung legitimiert werden, sagt
Verdi. Die Gewerkschaft stellte die sozialdemokratische Leiharbeitsfirma
"PersonalAktiv" an den Pranger als "Unternehmen des Monats". Die SPD
Bremerhaven, mit führenden Genossen in das Thema verstrickt, konterte
prompt auf Internetseite der Partei: "PersonalAktiv ist Vorreiter
innovativer Wege in der Zeitarbeit für Bremerhaven."
PersonalAktiv war am Dienstag "Event Partner" bei der
Zeitarbeits-Lobby-Veranstaltung. Geschäftsführer von "PersonalAktiv" ist
Siegfried Breuer, der Bremerhavener SPD-Vorsitzende. Aufsichtsrat bei der
Mutterfirma von "PersonalAktiv", dem Bremerhavener Arbeitsförderungszentrum
AFZ, ist Karsten Behrenwald, der DGB- und IG Metall-Chef,
Arbeitsagentur-Verwaltungsrat und demnächst SPD-Stadtverordneter. Kein
Wunder, dass bei der Zeitarbeits-Show am Dienstag der Sozialdezernent Klaus
Rosche (SPD) in der ersten Reihe saß und der Oberbürgermeister Melf Grantz
(SPD) das Grußwort hielt. Er lasse sich von niemandem vorschreiben, wo er
Grußworte spreche, spielte Grantz auf die Ver.di-Kritik an. Und: Eine Stadt
mit vielen tausend Arbeitslosen brauche Zeitarbeit als
arbeitsmarktpolitisches Instrument. Er sei "gerne gekommen" und lehne
"ideologische Grabenkämpfe" über Zeitarbeit ab.
Als Kronzeugen für die Botschaft, dass Zeitarbeit eine gute Sache ist,
erklärten die Veranstalter aber nicht PersonalAktiv, sondern ließen
Vertreter der Firma "START" aus Nordrhein-Westfalen berichten. Wilhelm
Oberste-Beulmann, auch Vorstand des Zeitarbeit-Arbeitgeberverbandes BAP,
schüttelte einen perfekten Werbe-Vortrag aus dem Ärmel: Er begann mit dem
"wording": Leiharbeit klinge nach "billig", sei abwertend, das Wort müsse
weg. Man lasse sich nicht von Verdi verunglimpfen, es gehe um
"Personaldienstleistung". Ein BAP-Werbefilm bringt das banal auf den Punkt:
Der Arbeiter mit dem Schraubenschlüssel macht dieselbe Handbewegung - heute
im Fahrradbetrieb, morgen im Autowerk. "Zeitarbeit ist der faire Weg, um
flexibel zu bleiben", heißt es dazu. Wobei START - wie PersonalAktiv - vor
allem Menschen anspreche, die schlecht vermittelbar sind und für
Hilfsarbeiten engagiert werden. Wenn die Gelder, die für 1-Euro-Jobs
ausgegeben werden, für Qualifizierungsmaßnahmen bei den Zeitarbeitsfirmen
ausgegeben würden, so der BAP-Vertreter, dann würde die Bundesagentur
"damit mehr erreichen".
Rund 10.000 Menschen im Land Bremen, das sind zehn Prozent der
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, werden inzwischen von einer
Zeitarbeitsfirma an ihren Arbeitsplatz geschickt. Das sind natürlich nicht
nur die Arbeitslosen, die über die Zeitarbeitsfirma "fitt gemacht" werden
und eine Chance bekommen sollen. Viele Firmen haben ihre "eigene"
Zeitarbeitsfirma aufgebaut oder nutzen Zeitarbeit, weil deren Tarife
billiger sind.
PersonalAktiv wird von Verdi vorgeworfen, immer wieder an Firmen zu
verleihen, die offenkundig keine "Spitzen" mit Leiharbeit abdecken, sondern
Stammbelegschafts-Tarife sparen wollen. Von dem ursprünglichen Ziel
"sozialverträglicher Zeitarbeit" habe sich PersonalAktiv somit längst
verabschiedet.
In den Bremer Stahlwerken wird ein Modell praktiziert, das zeigt, wie es
auch anders geht: Zu ihren Tariflöhnen werden Mitarbeiter, die in ihrer
Abteilung nicht mehr gebraucht werden, in einen "talent pool" gesteckt,
einer Art firmeninternen Leiharbeits-Abteilung, aus der heraus sie für neue
Tätigkeiten qualifiziert werden. Das Modell hat der Betriebsrat
mitverhandelt. Beim AFZ, der Muttergesellschaft der Zeitarbeitsfirma
PersonalAktiv, gibt es keinen Betriebsrat - bisher. Ver.di hofft, dass am
10. Juni endlich eine Wahl zustande kommt.
18 May 2011
## AUTOREN
Klaus Wolschner
## TAGS
Bremerhaven
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