# taz.de -- Korrutions-Affäre in Bremerhaven: Gericht kritisiert Grantz | |
> Den Verdacht der Vorteilsnahme gegen Beamte hätte Bremerhavens | |
> Bürgermeister Grantz der Staatsanwaltschaft melden müssen, so das Gericht | |
Bild: Wenn das Geld lockt... | |
BREMEN taz | Für das Bremer Verwaltungsgericht ist die Sache eindeutig: Die | |
Einladung, die zwei MitarbeiterInnen der Bremerhavener | |
Beschaffungs-Abteilung von der Firma des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten | |
Andreas Kottisch, „ePhilos-AG“, erhalten haben, begründet einen | |
Korruptionsverdacht. | |
Die Stadt Bremerhaven hätte im Dezember 2013, als sie davon erfuhr, | |
unmittelbar die Staatsanwaltschaft informieren müssen – nach der gültigen | |
Korruptionsrichtlinie. Das tat Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz | |
aber nicht – sondern ließ die Abteilungsleiterin, die den Verdacht | |
pflichtgemäß gemeldet hat, von ihren Aufgaben entbinden – wegen einer | |
Störung des Betriebsfriedens. | |
Dieser Versuch einer Versetzung der Abteilungsleiterin sei rechtswidrig | |
gewesen, urteilte gestern das Verwaltungsgericht Bremen. Vor Gericht hatte | |
die Stadt Bremerhaven behauptet, die in unmittelbarer zeitlicher Folge zu | |
der Korruptions-Meldung erfolgte Versetzung sei aufgrund eines lange | |
zerrütteten Betriebsklimas erfolgt – für das Gericht eine unglaubwürdige | |
Ausrede. | |
Anti-Korruptions-Richtlinien seien streng, die Staatsbeamten werden so gut | |
versorgt, dass sie Vorteile von Kunden nicht annehmen dürfen, erklären die | |
Richter. Und die Einladung an die Beamten war keine gewöhnliche: Als | |
„ausgewählte Kunden“ lud die Kottisch-Firma die beiden Mitarbeiter „zu | |
unserer Weihnachtsfeier im GOP Varieté-Theater“ ein. | |
Begrüßung mit „Glühwein-Empfang auf der Terrasse mit Weserblick, dann | |
speisen wir ein exklusives Drei-Gänge-Menü, um anschließend um 21 Uhr die | |
Varieté-Show „Move“ zu sehen und zu staunen. Selbstverständlich können S… | |
gerne Ihren Partner mitbringen.“ Das entspricht wohl einem geldwerten | |
Vorteil von rund 100 Euro. Unter die Bagatell-Grenze fallen gerade noch | |
Blumensträuße von 10 Euro. | |
Der eingeladene Mitarbeiter bedankte sich – ohne Rücksprache bei seiner | |
Abteilungsleiterin – für die Einladung, kündigte sich mit Kollegin und | |
Ehefrau an und fügte derselben Email den Satz an: „Ab dem 04.11. bin ich | |
wieder im Dienst und werde dann mit Herrn XY über Ihr Angebot, bezogen auf | |
das Upgrade, sprechen“ [Name anonymisiert, d. Red.]. Kottischs Firma | |
ePhilos AG liefert Software für diverse Einkaufsprozesse und hatte der | |
Stadt Bremerhaven offenbar ein „Update“ angeboten. | |
Damit hatte der Mitarbeiter selbst einen Zusammenhang zwischen der | |
Einladung und den Geschäftsbeziehungen hergestellt. Das wäre für den | |
Verdacht der Vorteilsnahme nicht erforderlich gewesen: „Es genügt, wenn der | |
Vorteilsgeber auf die künftige Dienstausübung Einfluss nehmen oder die | |
vergangene Dienstausübung honorieren will, wobei die dienstliche Tätigkeit | |
nicht einmal in groben Umrissen konkretisiert sein muss“, formuliert das | |
Gericht die Kriterien. | |
Der Bremerhavener Oberbürgermeister hatte damals entschieden, dass der | |
Vorfall keinen Verdacht der „Vorteilsnahme“ begründe. Die Stadt wäre aber | |
„für eine solche Wertung gar nicht zuständig gewesen“, urteilt nun das | |
Gericht: „Nach Nr. 4.1 der Korruptionsrichtlinie ist bei einem durch | |
Tatsachen begründeten Verdacht einer Korruptionsstraftat unverzüglich die | |
Staatsanwaltschaft zu unterrichten.“ | |
Und das hat seinen guten Grund, den das Bremerhavener Beispiel vor Augen | |
führt: „Die strafrechtliche Bewertung soll demnach gerade nicht durch | |
Stellen der Beklagten, sondern durch die Strafverfolgungsbehörden | |
erfolgen.“ Der Bremerhavener OB, von Hause Jurist, hätte völlig unabhängig | |
von der strafrechtlichen Bewertung ein Disziplinarverfahren einleiten | |
müssen, so das Gericht. | |
„Ich habe damit nichts zu tun“, sagt Kottisch zu dem Urteil – und dass er | |
keine Zeit habe, gegenüber der Presse etwas dazu zu erklären. Seine | |
juristische Verteidigungsstrategie läuft darauf hinaus, dass er von den | |
Einladungen durch seine 20-Personen-Firma nichts gewusst habe. | |
Sein Anwalt hatte in der vergangenen Woche schon erklärt, Kottisch habe | |
nicht damit rechnen müssen, dass sich die beiden Angestellten für die | |
Einladung keine Genehmigung ihrer Vorgesetzten holen würden. | |
17 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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