| # taz.de -- Kommentar Zivilisten-Austausch Syrien: Zeichen der Hoffnung? | |
| > Der Austausch von Zivilisten in Syrien ist nur scheinbar ein | |
| > Hoffnungszeichen, denn andere Verhandlungen platzten. Die Opposition ist | |
| > vielstimmig. | |
| Bild: Menschen werden aus dem von Rebellen kontrollierten Dorf Zabadani gebracht | |
| Fast 400 Zivilisten, überwiegend Frauen, Kinder, Alte und Verletzte aus den | |
| beiden lange von radikalislamistischen Milizen belagerten Ortschaften Fua | |
| und Kafreja im Nordwesten [1][Syriens wurden evakuiert]. Auf dem Umweg über | |
| die Türkei und den Libanon wurden sie in die – für sie hoffentlich | |
| tatsächlich sichere – syrische Hauptstadt Damaskus transportiert. | |
| Diese Nachricht aus einem Kriegsgebiet, in dem zehntausende Menschen zum | |
| Teil seit Jahren in völlig von der Außenwelt abgeschnittenen Orten, | |
| Regionen oder Stadtteilen vegetieren müssen, ist ohne Einschränkung | |
| positiv. Allein aus zwingenden humanitären Gründen und völlig unabhängig | |
| von den ethnischen und religiösen Zugehörigkeiten dieser Menschen oder | |
| ihren politischen Loyalitäten. | |
| Das gilt selbst dann, wenn die Evakuierung dieser Zivilisten Teil einer | |
| Vereinbarung gewesen sein sollte, unter der auch 330 regierungstreue | |
| schiitische Kämpfer nach Beirut und 125 sunnitische Rebellen in die Türkei | |
| ausgeflogen wurden sowie mit Hilfe des Roten Kreuzes 123 verletzte Kämpfer | |
| und Zivilisten aus Sabadani, der letzten Rebellenbastion an der Grenze zum | |
| Libanon, evakuiert wurden. Auch das wäre eine gute Nachricht, | |
| vorausgesetzt, die ausgeflogenen Kämpfer beteiligen sich künftig nicht mehr | |
| am Krieg in Syrien und kehren zumindest bis zum Eintreten eines stabilen | |
| Waffenstillstandes nicht dorthin zurück. | |
| Die Evakuierungen und die Ausschaffung der Kämpfer wurden unter Vermittlung | |
| der UNO zwischen der Regierung und diversen Rebellengruppen ausgehandelt. | |
| Das zeigt, es gibt inzwischen zumindest indirekte Gesprächskanäle. Auch das | |
| ist eine positive Entwicklung angesichts der Tatsache, dass Syriens | |
| Präsident Assad noch bis vor kurzem sämtliche Oppositionsgruppen pauschal | |
| als „Terroristen“ gebrandmarkt hat, die zu vernichten seien. | |
| ## Andere Abkommen platzten | |
| Sind die Ereignisse der Beginn einer positiveren Entwicklung in Syrien? | |
| Werden sie sich fortsetzen und möglichst schnell verdichten zu einem Netz | |
| aus immer mehr lokalen Waffenstillständen und von Kämpfern jeglicher | |
| Couleur befreiten Zonen, worum sich UNO-Vermittler Staffan de Mistura | |
| bereits seit seinem Amtsantritt im Sommer 2014 bemüht? Im Interesse der | |
| geschundenen Zivilbevölkerung wäre nichts mehr zu wünschen. | |
| Doch möglicherweise sind diese Ereignisse nur das Ergebnis der Bemühungen | |
| diverser Kriegsakteure, im Vorfeld der ab 25. Januar geplanten | |
| Verhandlungen zwischen der Regierung und einer „gemeinsamen | |
| Oppositionsdelegation“ das militärische Schlachtfeld zu arrondieren und | |
| sich auf dem politischen Schachbrett besser aufzustellen. Insbesondere mit | |
| Blick auf die aktuelle wichtigste Streitfrage, wer an der Delegation | |
| teilnehmen darf und wer nicht. | |
| Auf diese Interpretation deutet das vergangene Woche geplatzte Abkommen | |
| über den Abzug von Kämpfern diverser Rebellengruppen und des „Islamischen | |
| Staat“ aus Damaskus. Es platzte, nachdem entweder syrische oder russische | |
| Luftstreitkräfte [2][den Anführer der islamistischen Miliz Dschaisch | |
| al-Islam töteten], die zumindest nach Meinung Saudi-Arabiens, der Türkei | |
| sowie möglicherweise auch der USA in der gemeinsamen Oppositionsdelegation | |
| vertreten sein muss. | |
| In Damaskus, Teheran und Moskau steht diese Miliz allerdings neben dem IS | |
| und der Al-Nusra-Front auf der Liste von Terrorgruppen, die keinen Platz am | |
| Verhandlungstisch erhalten, sondern weiter militärisch bekämpft werden | |
| sollen. Solange das Gerangel unter den diversen Oppositionsgruppen und | |
| ihren ausländischen Unterstützern weitergeht und keine gemeinsame | |
| Verhandlungsdelegation zu Stande kommt, kann sich die Regierung Assad der | |
| Welt als einziger verhandlungsbereiter Kriegsakteur präsentieren und muss | |
| die ebenfalls noch völlig offene Frage nicht beantworten, wer eigentlich | |
| für sie am Verhandlungstisch in Genf sitzen soll. | |
| 30 Dec 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Konflikt-in-Syrien/!5264323 | |
| [2] /Kampf-gegen-Rebellen-in-Syrien/!5255056 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Zumach | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Syrien | |
| Rebellen | |
| Syrischer Bürgerkrieg | |
| Schwerpunkt Syrien | |
| USA | |
| Homs | |
| Russland | |
| Schwerpunkt Syrien | |
| Baschar al-Assad | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Belagerte syrische Stadt: Wenn Hunger zur Waffe wird | |
| Die Stadt Madaja an der Grenze zum Libanon ist von der Außenwelt | |
| abgeriegelt. Ihre Bewohner sind dem Hungertode nahe. | |
| Vorwürfe der USA an Russland: „Hunderte getötete Zivilisten“ | |
| Russland bombardiert in Syrien „IS“ und Rebellen. Nach US-Angaben starben | |
| dabei Hunderte Zivilisten. Türkei und Saudi-Arabien wollen enger | |
| zusammenarbeiten. | |
| Konflikt in Syrien: Konvoi Richtung Hilfe | |
| Regierung und Rebellen haben Hunderte Kämpfer und Zivilisten aus belagerten | |
| Städten ausgetauscht. In Homs starben 19 Menschen bei zwei | |
| Bombenexplosionen. | |
| Kampf gegen Rebellen in Syrien: Ein Tod mit politischen Folgen | |
| Oppositionelle sehen den Angriff auf den Chef der „Armee des Islam“ als | |
| Torpedierung der Verhandlungen. Sie sprechen von einem „Vernichtungskrieg“. | |
| Dschihadisten in syrischer Hauptstadt: Vorerst kein Abzug aus Damaskus | |
| Knapp 4000 Kämpfer und Zivilisten sollten die Stadt am Samstag verlassen. | |
| Durch den Tod eines Rebellenführers ist die Umsetzung eines Abkommens ins | |
| Stocken geraten. | |
| Kommentar UN-Resolution zu Syrien: Assad muss verlieren | |
| Viele Konfliktparteien finden, Assad sollte bei den nächsten | |
| Präsidentschaftswahlen nicht mehr antreten. Doch damit würde eine Chance | |
| verspielt. |