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# taz.de -- Kolumne Macht: Europäischer Werteverlust
> In Dänemark sollen Flüchtlinge nun ihre Habseligkeiten abgeben. Eheringe
> dürfen sie behalten – so sie einen „angemessenen Wert“ haben. Immerhin.
Bild: Kein Zertifikat für den Schmuck der Großeltern? Dann bitte abgeben.
Es ist erstaunlich, wie erfindungsreich – und geschichtsvergessen – manche
politischen Führungskräfte sind, wenn es um den Zustrom von Flüchtlingen
nach Europa geht. Von der dänischen Regierung könnte selbst die CSU noch
etwas lernen. Die möchte Asylsuchenden nämlich gern ihre letzten
Habseligkeiten wegnehmen.
Noch im Januar soll das dänische Parlament über einen Gesetzentwurf
beraten, der vorsieht, dass Flüchtlingen alle Besitztümer weggenommen
werden, die einen Wert von umgerechnet rund 400 Euro übersteigen. Um sich
damit an den staatlichen Aufwendungen für ihren Lebensunterhalt zu
beteiligen. Sollte der Entwurf eine Mehrheit finden, dann tritt er im
Februar in Kraft.
Nein, auch in Dänemark sind nicht alle Leute von allen guten Geistern
verlassen oder haben niemals Geschichtsunterricht genossen. Es gibt empörte
Reaktionen auf den Gesetzentwurf, gelegentlich wird an die Enteignung von
Juden unter dem NS-Regime in Deutschland erinnert.
Was den dänischen Justizminister zu einer – nun, nennen wir es:
Klarstellung veranlasste. Er sagte in einer Fernsehdebatte, dass vor allem
an Situationen gedacht sei, in denen „ein Mann mit einem Koffer voller
Diamanten“ in Dänemark ankomme und dort um Schutz nachsuche. Nett, dass er
das erklärt hat. Aber sagt das nun eigentlich mehr über seine Fantasien aus
oder über die Realität?
Dänische Regierungsvertreter haben übrigens auch betont, dass Eheringe
nicht konfisziert werden, jedenfalls dann nicht, wenn sie einen
„angemessenen“ Wert haben. Was immer das bedeutet.
Ach so, noch etwas: Erbstücke sollen die Flüchtlinge behalten dürfen,
sofern sie deren Herkunft dokumentieren können. Man sieht die Situation
einer flüchtenden Familie vor sich: „Ahmed!! AAHHHMMMÄÄÄD!!! Hast du an d…
Urkunde für Omas Kette gedacht? Nimm die unbedingt mit!“ Meinen
Besitzanspruch auf die Stücke, die ich von Großeltern geerbt habe, könnte
ich übrigens in keinem einzigen Fall nachweisen. Meine Familie ist nicht so
gestrickt, dass wir nach einem Todesfall sofort den Anwalt anrufen.
Vielleicht sollten wir das überdenken.
## Erfreuliche Verurteilungen
Ist das Thema das Richtige für eine Kolumne in dieser Woche? Haben die
Ereignisse in Köln nicht gezeigt, dass Flüchtlinge zunächst ihre
Bereitschaft zur Integration nachweisen müssen, bevor sie Ansprüche erheben
dürfen?
Nein. Das haben die Ereignisse nicht gezeigt. Dazu einige – sehr knappe –
Bemerkungen: Es ist erfreulich, dass sexuelle Übergriffe auf Frauen endlich
so scharf verurteilt werden, wie sie das verdienen.
Jeder Versuch, die Herkunft von Sexualstraftätern zu verschleiern, wäre
idiotisch – nicht nur, aber auch, weil er Wasser auf die Mühlen derjenigen
gösse, die ohnehin glauben, Politik und Medien würden beständig lügen.
Zugleich gilt dennoch: Forderungen nach sofortiger Abschiebung von
Kriminellen, deren Taten bislang von Gerichten als Bagatelldelikte
eingestuft wurden, sind populistisch und nicht umsetzbar – jedenfalls dann
nicht, wenn die Angeklagten aus Kriegsgebieten stammen. Und die Frage, ob
jemand seinen Ehering behalten darf, hat nichts, aber schon wirklich gar
nichts damit zu tun, ob und wie viele Asylsuchende widerliche sexuelle
Übergriffe begangen haben.
Insgesamt lässt sich sagen, dass sich Flüchtlinge in Europa in der Tat
dringend in unser Wertesystem integrieren müssen. Und: Einige Europäerinnen
und Europäer brauchen da offenbar auch Nachhilfe. Vielleicht könnten
gemeinsame Kurse angeboten werden?
9 Jan 2016
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Dänemark
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
Köln
Sexismusdebatte
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
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