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# taz.de -- Syrische Flüchtlinge: Willkommenskultur auf Kanadisch
> 25.000 Syrer will Kanada aufnehmen. Die ersten 6.300 sind da – darunter
> die Familie des ertrunkenen dreijährigen Aylan Kurdi.
Bild: Tima Kurdi und ihr Mann warten am Flughafen Vancouver auf die Ankunft der…
Vancouver taz | Der Tod von Aylan Kurdi hatte die Welt aufgerüttelt, das
Foto des ertrunkenen syrischen Jungen wurde zum Symbol der
Flüchtlingskrise. Drei Monate später haben Aylans Angehörige ein neues
Leben begonnen – in Kanada.
In Port Coquitlam nahe Vancouver haben Aylans Onkel Mohammed Kurdi und
dessen Schwester Tima Kurdi jetzt einen Friseursalon eröffnet: Kurdi Hair
Design. „Ich bin sehr glücklich, dass ich in Kanada sein darf und meine
Familie wieder zusammen ist“, sagte Kurdi dem Sender CBC bei der
feierlichen Eröffnung des Salons. „Es ist ein schönes Gefühl.“
Die Familie Kurdi ist die prominenteste Flüchtlingsfamilie aus Syrien, die
dieser Tage in Kanada anlandet. Rund 6.300 syrische Flüchtlinge hat das
Land seit der Wahl des neuen liberalen Premierministers Justin Trudeau im
Herbst aufgenommen, 5.600 weitere haben bereits ihr Visum.
Für Kanada ist es eine Kehrtwende. Nach Jahren restriktiver
Flüchtlingspolitik unter Trudeaus konservativem Vorgänger Stephen Harper
versucht der junge Premier derzeit, seinem Land wieder ein positiveres
Image zu verpassen. 25.000 Flüchtlinge will Kanada bis Ende Februar
aufnehmen.
## Als Bürger verlassen Flüchtlinge den Flughafen
Im Dezember hatte Trudeau die ersten Familien zu nächtlicher Stunde
persönlich am Flughafen von Toronto begrüßt: „Willkommen in Ihrem neuen
Zuhause.“ Die Menschen seien als Flüchtlinge angekommen, als Bürger mit
Daueraufenthaltserlaubnis würden sie den Flughafen verlassen, sagte
Trudeau.
Die Bevölkerung steht mehrheitlich hinter ihrem Premier. Zwar gibt es auch
kritische Stimmen. Größere Widerstände oder hitzige Demonstrationen gegen
die liberale Flüchtlingspolitik hat es bislang aber nicht gegeben, wohl
auch, weil der Zuzug relativ überschaubar und geordnet vonstatten geht. Die
Opposition in Ottawa kritisiert allenfalls, dass Trudeau seinen ehrgeizigen
Zeitplan womöglich nicht wird einhalten können.
Denn es ist noch nicht absehbar, ob das angepeilte Ziel von 25.000
Neuankömmlingen auch pünktlich erreicht wird. Bereits einmal hatte Trudeau
sein Ziel nach hinten verschieben müssen – von Ende 2015 wie einmal
versprochen auf Ende Februar 2016.
Das liegt zum Teil an organisatorischen Problemen. Zum anderen zögern viele
Flüchtlinge, das Angebot Kanadas überhaupt anzunehmen. Nach UN-Angaben
sagte bislang etwa nur jede dritte Familie, die von Kanada gefragt wurde,
tatsächlich zu. Viele hoffen, in ihre alte Heimat zurückkehren zu können.
## Verwandte oder Freiwillige bereiten die Ankunft vor
Bislang hat die kanadische Regierung 26 Shuttle-Flüge organisiert, um
ausreisewillige Menschen aus Lagern in der Türkei oder Libanon nach Kanada
zu bringen. Derzeit landen jeden Tag in Toronto und Montréal zwei bis drei
weitere Flüge. Auf einer Webseite der Regierung mit dem Titel
„#WelcomeRefugees“ können die Kanadier jeden Flug und auch die finalen
Zielorte ihrer Neubürger verfolgen.
Die Flüchtlinge sollen laut Regierung auf insgesamt 85 Kommunen verteilt
werden. Vielerorts bereiten Freiwillige oder Verwandte die Ankunft vor.
Viele Neubürger werden auch von privaten Organisationen oder Verwandten
nach Kanada geholt und kommen mit normalen Linienmaschinen.
So auch Mohammed Kurdi, seine Ehefrau und ihre fünf Kinder. Ende Dezember
waren sie unter großem Medienrummel in Vancouver angekommen und wurden von
Mohammeds Schwester Tima Kurdi aufgenommen.
Geklappt hat das nicht ohne privates Engagement: 5.000 Dollar pro Person
hatten Freunde aufgebracht, um die Familie nach Kanada zu holen – ein in
Kanada übliches Verfahren. Aylans Vater Abdullah Kurdi allerdings hatte es
abgelehnt, mitzukommen. Er lebt nun in der irakischen Region Kurdistan.
7 Jan 2016
## AUTOREN
Jörg Michel
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Kanada
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