Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neues Buch zur Integration: Alte und neue Deutsche
> Was ist los in Deutschland? Annette Treibels „Integriert Euch“ ist ein
> Gegenentwurf zu Sarrazin und analysiert die deutsche
> Migrantenfeindschaft.
Bild: Unintegrierte Deutsche in Dresden: Wovor haben sie Angst?
Sie wolle mit ihrem Buch „Integriert Euch!“ einen positiven Gegenentwurf zu
Sarrazins völkischer Untergangsbeschwörung liefern, schreibt die Soziologin
Annette Treibel. „Deutschland schafft sich neu“ statt „Deutschland schafft
sich ab“. Sie zeigt, dass die Integrationsfrage komplex und nicht einfach
ist, wie auf den Straßen dieses Landes gelegentlich angenommen wird.
„Integriert Euch“ ist wissenschaftlich geschrieben und empirisch belegt. Es
nimmt die Schärfe aus einer Debatte, die emotional geführt wird und in
beunruhigende Bahnen gerät.
Treibel stellt grundsätzliche Fragen, die oft vergessen werden. Wer
integriert wen? Und wer hat die Macht zu entscheiden, nach welchen Regeln
integriert werden soll? Sie schreibt, dass der Begriff der Integration
bereits eine Ingroup und eine Outgroup definiert. Also spaltet statt
integriert. Um die beiden Gruppen zu charakterisieren, spricht sie von
„Alt-Deutschen“ und „Neu-Deutschen“. Das klingt zunächst seltsam, macht
aber die verkrampften Formulierungen um Ausländer, Einwanderer, Migranten,
Asylbewerber und Menschen mit Migrationshintergrund überflüssig.
Auch die Frage nach dem „Deutschen“ verfolgt Treibel. Sie widerlegt die
identitätssuchenden „(Aber) wir sind (doch) das Volk“-Rufe mit Fakten.
Deutsch ist man nicht, man wird es. Treibel benennt das Dilemma der
Nationalisten, völkische Gemeinsamkeiten zwischen Sachsen, Alemannen,
Bayern und Schwaben zu finden. Warum also sollte der eh schon dehnbare
Begriff des „Deutschen“ nicht ergänzt werden können?
Spannend wird es, wenn Treibel die Ursachen des gestörten Verhältnisses
zwischen „Alt-Deutschen“ und „Neu-Deutschen“ analysiert. Aus dem
kulturellen Problem macht sie ein Anerkennungsproblem in einer sozial
gespaltenen Gesellschaft. Integration ist kein Problem der
Multikulturalität, sondern würde auch ohne Einwanderung bei sozial
Benachteiligten bestehen. Und so stehen nach Treibel vor allem jene den
„Neu-Deutschen“ ablehnend gegenüber, deren Hoffnungen auf ein Privileg
unerfüllt blieben. Das gelte vor allem für Ostdeutsche, für die sich das
Versprechen der Gleichstellung mit der Wende nicht erfüllt hat.
## Angst vor den „Vorzeigetürken“
Die bisherige Alltagshierarchie, die sich hinter dem ewigen „Sie können
aber gut Deutsch“ versteckt, verändere sich durch den zunehmenden Aufstieg
„Neu-Deutscher“ im Bildungssystem und in der Arbeitswelt. Gut integrierte
Einwanderer in Schlüsselpositionen jagten „Alt-Deutschen“ mehr Angst ein
als schlecht integrierte. Statt um „Sozialschmarotzer“ gehe es um
„Vorzeigetürken“. Eine Neiddebatte, angetrieben durch die Angst, abgehängt
zu werden.
Treibel versucht, die Probleme der Integration kleiner erscheinen zu
lassen. Sie ist nicht so entnervt wie die Neuköllner Frustrierten
Buschkowsky und Heisig, stattdessen beschäftigt sich Treibel mit den
Lieblingsstadtteilen der Integrationskritiker lieber erst gar nicht.
„Integriert Euch!“ richtet sich an „Alt-Deutsche“ und ruft damit in
Erinnerung, dass Integrationsleistung gegenseitig erbracht werden muss. Das
Buch wird Pegida-Mitläufer weder ansprechen noch umstimmen. Es weist auch
keinen Weg, die gemachten Fehler der Integrationspolitik zu korrigieren. Es
wird am ehesten jenen, die bereits für Offenheit gegenüber „Neu-Deutschen“
werben, das gute Gefühl geben, auch aus wissenschaftlicher Perspektive
recht zu haben.
15 Dec 2015
## AUTOREN
Fabian Grieger
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Einwanderung
Integration
Thilo Sarrazin
Absage
Fremdenfeindlichkeit
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Stadtplanung
Schwerpunkt Flucht
## ARTIKEL ZUM THEMA
Schwaben kritisieren Stadt Hamburg: Das Weinfest sagt Tschüssle
Das Bezirksamt Mitte verdreifacht die Gebühren für das Stuttgarter
Weinfest. Das will nun fernbleiben und bedroht den Ruf der Stadt als
Weinanbaugebiet.
Pegida und Anti-Pegida singen in Dresden: „Scheiß auf Anstand“
7.000 Pegida-Anhänger kamen in Dresden zum „Weihnachtssingen“ zusammen.
Proteste begleiteten die nicht besinnliche Aktion.
Leitantrag zum CDU-Parteitag: Ringen um Worte zu Flüchtlingen
Eine Obergrenze für ankommende Flüchtlinge wird nicht im Leitantrag der CDU
stehen. Stattdessen soll auf „Grenzen der Integrationsfähigkeit“ verwiesen
werden.
Flüchtlinge im deutschen Arbeitsmarkt: Nahles gibt sich optimistisch
Eine Million Flüchtlinge wurden nun in diesem Jahr registriert.
Arbeitsministerin Nahles will erreichen, dass Zehntausende von ihnen schon
2016 Arbeit haben.
Integration von Migranten in der Stadt: Sind Großsiedlungen böse?
Hochhaussiedlungen sind umstritten, gelten als Orte ohne Perspektive. Dabei
müssten viele Wohnungen gebaut werden. Aber wie?
Integration von Flüchtlingen: Ruf nach der Hausordnung
In Flüchtlingsheimen häufen sich gewalttätige Konflikte. Konservative
Politiker instrumentalisieren das für ihre Zwecke.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.