| # taz.de -- Kommentar Kritik an COP21-Zielen: Kurzsichtige Klima-Nörgler | |
| > Von linken Aktivisten kommt die schärfste Ablehnung des Paris-Abkommens. | |
| > Damit helfen sie den Klimakillern und verkennen die große Chance. | |
| Bild: Immer nur meckern – auch wenn‘s in Form von süßen Eisbären ist �… | |
| Zwei Wochen nach seiner Verabschiedung wird der Jubel über [1][das | |
| Paris-Abkommen] leiser, die kritischen Stimmen dringen lauter durch. Neben | |
| den traditionellen Klimaschutz-Bremsern aus fossiler Wirtschaft, | |
| marktradikaler Ökonomie und konservativer Publizistik drängen dabei vor | |
| allem jene nach vorn, die weitaus tiefer greifende Maßnahmen zum Schutz vor | |
| dem Klimawandel verlangen. | |
| Ob vom Solarenergieverband Eurosolar oder der Kleinbauernvereinigung Via | |
| Campesina, ob von Attac oder der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der | |
| Linkspartei nahesteht: Die Argumente sind ähnlich. Das Abkommen als Ganzes | |
| wird als „unverbindlich“, „freiwillig“ oder „zahnlos“, bezeichnet, … | |
| Klima-Ziele als „unkonkret“ oder „gefährlich“, die Finanzzusagen der | |
| Industriestaaten als „unzureichend“ oder „verlogen“. | |
| Die Intentionen der Kritiker mögen gut sein, ihre Argumente sind es nicht. | |
| Natürlich ist das Abkommen nicht vollkommen. Doch von dem, was im Rahmen | |
| der Vereinten Nationen möglich ist, wurde extrem viel erreicht. 195 Staaten | |
| haben sich gemeinsam dazu verpflichtet, die Erderwärmung auf 2 Grad zu | |
| begrenzen, und dieses gemeinsame Ziel ist verbindlich. An ihm muss sich die | |
| Politik jedes einzelnen Landes künftig messen lassen. Und das 1,5-Grad-Ziel | |
| wird immerhin angestrebt. | |
| Es ist ein naheliegender Wunsch, dass auch die nationalen Ziele gemeinsam | |
| festgelegt und Verstöße sanktioniert werden müssten. Doch weil kein | |
| souveräner Staat zur Beteiligung an einem solchen System gezwungen werden | |
| kann, ist es auf globaler Ebene illusionär. Zudem ist keineswegs sicher, ob | |
| es wirklich effektiver wäre. Aus der Pädagogik ist schließlich bekannt, | |
| dass Anreize, Bestätigung und Belohnungen eher zum gewünschten Ergebnis | |
| führen als ein hartes Strafregime. | |
| ## Kein teures Opfer für Reiche mehr | |
| Zudem verkennen die Kritiker, dass die entscheidende Wirkung von Paris | |
| nicht von den exakten Formulierungen des Abkommens ausgeht –die verstehen | |
| ohnehin nur wenige. Viel wichtiger ist der Geist, der sich vom Pariser | |
| Gipfel ausbreitet. Und der ist eindeutig: Fossile Energieträger müssen so | |
| schnell wie möglich der Vergangenheit angehören, die Zukunft gehört den | |
| Erneuerbaren. Anders als früher ist deren Ausbau kein teures Opfer für | |
| Reiche mehr. Wind und Solar sind in weiten Teilen der Welt inzwischen | |
| wettbewerbsfähig und beim Neubau die billigste Energieform: An dieser | |
| Botschaft kam in Paris niemand vorbei. | |
| Nicht nur die Finanzmärkte, die weltweit Gelder aus dreckigen Energien | |
| abziehen, haben das erkannt. Auch die Kohlelobby selber fürchtet die | |
| psychologische Wirkung des Paris-Protokolls. „Fossile Rohstoffe werden von | |
| den UN als Feind Nummer eins dargestellt“, warnte deren oberster | |
| EU-Lobbyist in einer Bewertung des Ergebnisses. „Wir werden geschmäht und | |
| gehasst werden.“ | |
| Eigentlich sollte ein Abkommen, das den Konzernen so viel Angst macht, | |
| deren schärfste Gegner mit Freude erfüllen. Doch die radikalen | |
| Klimaschützer haben noch nicht erkannt, welche Chancen dieses Abkommen für | |
| ihre Forderungen bietet: Jede Regierung, die in Paris eindringliche Appelle | |
| formuliert hat, aber ihre Klimaziele danach nicht verschärft, kann ab | |
| sofort als Heuchler an den Pranger gestellt werden. Und alle AktivistInnen, | |
| die mit Blockaden wie bei „Ende Gelände“ für einen schnellen Ausstieg aus | |
| der Kohlenutzung kämpfen, können sich künftig auf die einstimmige | |
| Entscheidung der Weltgemeinschaft berufen. | |
| Das sind mächtige Instrumente im öffentlichen Diskurs. Statt die Diskrepanz | |
| zwischen den in Paris formulierten Worten und den bislang fehlenden Taten | |
| nur zu kritisieren, könnte die Klima-Bewegung mithelfen, sie zu verringern. | |
| Die Nörgelei über das Abkommen bringt dem Klima hingegen nichts. Sie | |
| schwächt vielmehr die Botschaft von Paris und nützt damit jenen, die am | |
| Klimaschutz keinerlei Interesse haben. | |
| 23 Dec 2015 | |
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| [1] /Weltklimaabkommen-in-Paris/!5261247 | |
| ## AUTOREN | |
| Malte Kreutzfeldt | |
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