| # taz.de -- Grünen-Stadtrat gegen kostenloses WLAN: „Kribbeln im Hirn“ | |
| > In Edmund Stoibers Heimatstadt Wolfratshausen gibt es jetzt kostenloses | |
| > WLAN – zum Missfallen des Grünen-Stadtrats Hans Schmidt. | |
| Bild: WLAN-Hotspots sind nach Hans Schmidt eine Gefahr für den öffentlichen R… | |
| taz: Herr Schmidt, die Berliner Grünen fordern schon lange ein möglichst | |
| flächendeckendes freies WLAN-Netz in der Hauptstadt. Ihr Heimatort | |
| Wolfratshausen ist da schon weiter. Herzlichen Glückwunsch! | |
| Hans Schmidt: Zum Glück gibt es das bei uns auch noch nicht flächendeckend, | |
| sondern nur in der Innenstadt – eine Maßnahme, um die Läden dort etwas | |
| attraktiver zu machen. Und das ist schon schlimm genug. Zum Gratulieren | |
| gibt es wirklich keinen Anlass. | |
| Wieso? Was haben Sie gegen WLAN? | |
| Viel. Die Strahlung, die von WLAN-Routern ausgeht, ist schließlich | |
| gesundheitlich nicht unbedenklich. Für Elektrosensible, zu denen ich mich | |
| auch zähle, ist das eine sehr große Beeinträchtigung. Die negativen Folgen | |
| für die Gesundheit sind inzwischen in hunderten Studien nachgewiesen | |
| worden; es ist ja nicht so, dass wir irgendwelche esoterischen Spinner | |
| wären. | |
| Sie wollen ganz auf öffentliches WLAN verzichten? | |
| Ja. Die Risiken sind einfach zu hoch. WLAN ist halt Lifestyle. Aber will | |
| sich unsere Gesellschaft die Folgen leisten? Und da rede ich nicht nur von | |
| den Gesundheitsschäden: Schauen Sie doch, wie viel Zeit die Kids inzwischen | |
| auf ihre Smartphones starren. | |
| Es gibt ja inzwischen sogar schon ein spezifisches Krankheitsbild: einen | |
| steifen Nacken, weil die den Kopf nicht mehr hochbringen. Die | |
| Unfallhäufigkeit im Straßenverkehr hat wegen der Teile auch schon deutlich | |
| zugenommen, die Internetsucht nimmt zu. | |
| Die vermeintlichen sozialen Kontakte im Internet gehen auf Kosten eines | |
| echten sozialen Miteinanders. Und wer profitiert davon, dass die Kinder | |
| schon in den Kindergärten mit digitalen Medien in Kontakt kommen? Die | |
| Industrie. Die hat natürlich ein starkes Interesse daran, dass die Kinder | |
| schon möglichst früh in ihrem Interesse geprägt werden. | |
| Ist das nicht eine etwas arg technikfeindliche Einstellung? | |
| Von wegen. Ich habe 30 Jahre lang als promovierter Verfahrensingenieur | |
| gearbeitet und habe für meine Firma Tools mit entwickelt, um die wir | |
| weltweit beneidet wurden. Eigentlich bin ich ein Technikfreak. Aber ich bin | |
| vorsichtig. Wir müssen schließlich auch immer daran denken, welche | |
| Konsequenzen eine Technik mit sich bringt. | |
| Sie bezeichnen sich als elektrosensibel. Wie äußert sich das? | |
| Angefangen hat es damit, dass ich nachts mit Ohrenweh aufgewacht bin. Ich | |
| habe dann das Schlafzimmer mit einer Abschirmfarbe gestrichen, und die | |
| Schmerzen waren von einer auf die andere Nacht weg. | |
| Dann habe ich in der Arbeit plötzlich abends immer Nasenbluten bekommen. | |
| Als ich erfahren habe, dass in der Nähe ein neuer Handymast aufgestellt | |
| worden war, habe ich mit meinem Messgerät einen anderen Arbeitsplatz | |
| gesucht. Im neuen Büro war das Nasenbluten weg. | |
| Und WLAN hat denselben Effekt auf Sie? | |
| Ja. Es kommt natürlich immer auf die Umstände drauf an. Aber es kommt zum | |
| Beispiel vor, dass ich einen Raum betrete und Herzrasen bekomme. Und dann | |
| sehe ich, dass da ein WLAN-Router steht. Oder ich gehe in die Stadt und | |
| merke nach einigen Minuten, dass mir diese Strahlung auf den Kopf drückt. | |
| Da ist ein Kribbeln im Hirn. | |
| Sie haben jetzt mit 46 Mitstreitern einen offenen Brief an den | |
| Bürgermeister geschrieben und mit einem Einkaufsboykott gedroht. | |
| Die Geschäftsleute in der Innenstadt haben natürlich etwas düpiert | |
| reagiert. Aber nichts tun ist ja auch keine Lösung. Den Elektrosensiblen in | |
| Wolfratshausen geht es seit der Einführung des freien WLAN deutlich | |
| schlechter. Ich kenne Leute, die gesagt haben: Ich hätte mich heute Morgen | |
| fast vom Balkon gestürzt. | |
| Bayerns Heimatminister Söder hat angekündigt, ganz Bayern bis 2020 mit | |
| freiem WLAN zu versorgen. Die Landtagsgrünen haben ihn dafür auch schon | |
| kritisiert – weil ihnen das nicht schnell genug ist. | |
| Ich muss meinen Parteifreunden da vorhalten, dass sie mehr auf die Wähler | |
| und den Lifestyle schielen als auf ihre Verantwortung. Tut mir leid, aber | |
| da bin ich wertkonservativ. Was ist das denn für eine Gesellschaft, wo | |
| Minderheiten so mit Füßen getreten werden? Ich werde weiterkämpfen. | |
| Sie haben also den Optimismus nicht verloren? | |
| Ich weiß, dass mein Kampf ziemlich aussichtslos ist. Aber ich will mir | |
| später nicht sagen müssen: Hättest du doch nicht geschwiegen! Auch wer | |
| nichts tut, tut etwas. | |
| 20 Dec 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominik Baur | |
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