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# taz.de -- María de Pocas Ideas: Eine María der wenigen Ideen
> Andreas Kriegenburgs Bremer Inszenierung der „María de Buenos Aires“ ist
> ein Vollbad in Nostalgie und Nichtssagendheit
Bild: María (Annemaaike Bakker), mitten im Bremer Tango-Getummel: Eine Piazoll…
Wenn Astor Piazzollas „María de Bueno Aires“ auf dem Spielplan einer
milieugesättigten Stadt wie Bremen steht, sind Beifall und Begeisterung
kalkulierbare Größen. Tango ist toll, Piazzolla irgendwie links, dosierte
Erotik ein Lebenselixier.
Da stört es nicht, dass das Libretto von Horacio Ferrer ein unerträglicher
Schwulst religiös aufgeladener, ziellos dräuender düstermagischer
AdjektivAdjektivAdejektivSubstantiv-Ketten ist. Manifeste und andere
Textformen lateinamerikanischer Poeten – die ja nicht selten ebenfalls
manifesthaft daherkommen – neigen ohnehin zum Besäufnis an der eigenen
Bildmächtigkeit. Bei Ferrer kommt hinzu, dass sein Sujet das denkbar
langweiligste ist: Ein Mann konstruiert das Bild der Frau als Heiligenhure.
Oder Hurenheilige. Oder Hure. Oder Heilige. Neben dem „oder“ ist Platz: für
nichts.
Blieb die Hoffnung, dass Kriegenburg was draus macht. Der große Andreas
Kriegenburg! Doch wohin die Reise geht – nämlich nirgendwohin – wird schon
beim ersten Bild klar. Benno Ifland, der als Favorit des damaligen
Intendanten Günther Krämer in der zweiten Hälfte der Achtziger das
künstlerische Geschehen am Goetheplatz mitprägte, sitzt versoffen in einem
versifften Tanzlokal. Als „El Duende“ beschwört er die Geister der
Vergangenheit, insbesondere den der sehnsüchtig verehrten Prostituierten
María, ohne dass in irgendeiner Weise die Historizität der auf der Bühne
behaupteten Gegenwart selbst reflektiert würde.
Kriegenburg begnügt sich mit einem María-Remake, als ob die Zeit seit der
Uraufführung 1968 ebenso stünde wie die Luft der muffigen Bühnen-Location.
Ist Tango tatsächlich nur Nostalgie? Nichts als der überstrapazierte
„traurige Gedanke, den man tanzen kann“? Lohnt es nicht, die weltweit
wachsende Tangomanía als Post-Piazolla-Phänomen inszenatorisch
einzubeziehen? Deren Stilisierungsformen weisen, bis hin zur
Kommerzialisierung mittelständischer Gefühlshaushalte, spannende Analogien
zu anderen Adaptionen von Wohlstands-Akteuren gegenüber dem kulturellen
Selbstausdruck benachteiligter Gruppen auf. Siehe Blues.
Einmal ahnt man, was hätte sein können: Die hochkompetenten Komparsen,
rekrutiert aus der Bremer Szene, imitieren als aufgezogene Puppen den
komplexen Paarfindungsprozess eines Tangoabends. Mit Ironie. Verfremdung.
Einfache Mitteln also – auf die Kriegenburg ansonsten verzichtet.
Annemaaike Bakker als María ist eine mitreißende Schauspielerin, aber keine
Sängerin – was immer dann zum Tragen kommt, wenn ihre Stimme bei den großen
Soli – „Yo soy María!“ – eben nicht wirklich trägt. Patrick Zielke
wiederum, der Payador, ist ein ebenso großartiger Schauspieler wie
Wagner-tauglicher Bass – und wirkt in diesem Tango-Setting, in dieser
„María de Pocas Ideas“, entsprechend deplatziert.
13 Dec 2015
## AUTOREN
Henning Bleyl
## TAGS
Tango
Bremer Theater
CDU-Parteitag
Country
Die Kriegsreporterin
Schwerpunkt TTIP
Tanz
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